Название: Semantik für Lehrkräfte
Автор: Christian Efing
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823302728
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Wörter bestehen jeweils nicht für sich alleine, sondern stehen in Beziehung zu anderen Wörtern, mit denen sie zusammen den Wortschatz einer Sprache bilden. Eine semantisch interessante und dabei (etwa im Rahmen von Wortschatzarbeit) durchaus auch didaktisch relevante Frage besteht darin, ob der Wortschatz einer einzelnen Sprache in bestimmte thematische oder semantische Gruppen gegliedert werden kann. Zwei wichtige Ansätze, denen diese Vorstellung zugrunde liegt, stellen die Wortfeldtheorie und die Merkmalsemantik dar.
Der Terminus Wortfeld wurde bekannt durch die Arbeiten von Jost Trier (vgl. Trier 1973), die Anlass zu einer intensiven theoretischen wie empirischen Forschung gegeben haben (Staffeldt 2017). Als wesentliche semantische Eigenschaften von Wortfeldern werden dabei zum einen deren Abgrenzbarkeit von anderen Wortfeldern und zum anderen ihre Vollständigkeit und Unterscheidbarkeit (es bestehen keine Bedeutungslücken und keine Bedeutungsüberschneidungen zwischen den betreffenden lexikalischen Einheiten) diskutiert. Bekannte Beispiele für solche Wortfelder sind etwa:
Substantive für VerwandtschaftsbeziehungenVerwandter, Eltern, Vater, Mutter, Geschwister, Bruder, Schwester, Kind, Sohn, Tochter, Onkel, Tante, Cousin, Cousine, Neffe, Nichte
Substantive für menschliche BeziehungenFreund/Freundin, Partner/Partnerin, Bekannter/Bekannte, Kollege/Kollegin, Kommilitone/Kommilitonin, Geliebter/Geliebte usw.
Verben, mit denen bestimmte sprachliche Handlungsweisen bezeichnet werdenreden, sagen, sprechen, schreien, schweigen, befehlen, lügen usw.
Ein weiteres Wortfeld stellt dasjenige zur allgemeinen Bezeichnung von Frau im Deutschen dar (vgl. Abb. 222a).
Das Wortfeld Frau im gegenwärtigen Deutsch (nach König et al. 182015: 22)
Übung 222a
Ein bekanntes und ebenfalls einflussreiches Wörterbuch, das der Wortfeldtheorie verpflichtet ist, stellt „Der deutsche Wortschatz nach Sachgruppen“ von Franz Dornseiff (51959) dar. Hier wird der „gesamte Wortschatz […] in 20 Hauptabteilungen“ zusammengestellt; diese lauten: „1. Anorganische Welt. Stoffe / 2. Pflanzen. Tier. Mensch (körperlich) / 3. Raum. Lage. Form / 4. Größe. Menge. Zahl. Grad / 5. Wesen. Beziehung. Geschehnis / 6. Zeit / 7. Sichtbarkeit. Licht. Farbe. Schall. Temperatur. Gewicht. Aggregatzustand. Geruch. Geschmack / 8. Ortsveränderung […]“ (Dornseiff 51959: III). Unter „Farbe“ findet sich dann etwa der Eintrag „22. Violett. / lila. Violett / Amethyst. Flieder. Stiefmütterchen. Veilchen / Bischofsfarbe. Kardinalblau. Lila. Pflaumenblau. Purpur. Rotblau. Veilchenblau. Violett.“ (ebd.: 225).
Die Schwierigkeiten, die mit der intuitiven Gliederung von Wortfeldern im Einzelnen verbunden sind, machen ein eigenes linguistisches Verfahren erforderlich, das die semantische Unterscheidbarkeit der einzelnen Wörter und mögliche Lücken eines Wortfeldes hinreichend nachweist. Dieses Verfahren wurde von der sog. strukturalistischen Linguistik im Rahmen der Merkmalsemantik (oder auch: Komponential- oder Semsemantik) entwickelt. Die Grundidee besteht dabei darin, die einzelnen Bedeutungen der Elemente eines Wortfeldes anhand von kleineren semantischen Merkmalen zu bestimmen und anhand dieser voneinander zu unterscheiden. Ein solches semantisches Merkmal wird als Sem bezeichnet, eine Einzelbedeutung, die sich aus einem oder mehreren solcher Seme zusammensetzt, als Semem; der Terminus für eine semantische Untersuchung eines Wortfelds anhand von Semen lautet Semanalyse oder Komponentenanalyse.
Ein gutes Beispiel für eine solche Semanalyse stellen die erwähnten Verwandtschaftsbezeichnungen dar (vgl. Abb. 222b): In der Matrix werden den einzelnen Bezeichnungen (hier: Lexeme) diverse Merkmale (in eckige Klammern gefasst) zugeordnet; dabei wird zwischen zutreffend, nicht zutreffend und indifferent unterschieden. Bei genauer Betrachtung fällt auf, dass jede vertikale Verteilung von Merkmalen (das heißt also: jedes Semem) eine ganz eigene Kombination an Semen aufweist und sich somit eindeutig von anderen unterscheidet.
Semanalyse der Verwandtschaftsbezeichnungen (nach Bierwisch 1969: 67). + = Merkmal trifft zu; – = Merkmal trifft nicht zu; 0 = indifferent in Bezug auf Merkmal
Übung 222b
An dieser Stelle tut sich die Frage nach dem epistemologischen Status von semantischen Merkmalen auf: Sind diese reale sprachliche Erscheinungen der Objektsprache, oder handelt es sich vielmehr um Einheiten der Metasprache, die zum Zweck der linguistischen Analyse unterschieden werden? Die Existenz (universeller) semantischer Merkmale, die den Wortschatz einzelner Sprachen gliedern, ist in der Sprachtypologie und Universalienforschung noch immer umstritten (zu denken ist dabei an Merkmale wie [Singular] und [Plural] oder [belebt] und [unbelebt]), erweist sich letztlich jedoch für die semantische Merkmalanalyse als irrelevant: Ungeachtet ihres Status’ werden hier Merkmale entweder herausgegriffen oder eigens angesetzt, um im Zuge einer sprachwissenschaftlichen Konstruktion Wortfelder semantisch zu gliedern. Problematisch bei diesem abgrenzenden Verfahren mag sein, dass dabei das Wesentliche oder auch: Typische (vgl. Kap. 2.2.3) außer Acht bleiben kann.
2.2.3 Prototypen- und Stereotypensemantik
Während die Merkmalsemantik als eine geradezu klassische Vertreterin der strukturalistischen Sprachwissenschaft zu gelten hat, stellen Prototypen- und Stereotypensemantik typische Vertreterinnen der sog. kognitiven Semantik dar. Im Unterschied zur strukturellen verfolgt die kognitive Semantik das Ziel, semantische Phänomene nicht eigens linguistisch zu konstruieren, sondern als mentale Repräsentationen zu analysieren. Oder mit anderen Worten und dabei ein wenig traditioneller ausgedrückt: Die kognitive Semantik versucht, anhand sprachlicher Daten einen Einblick in die Funktionsweise des menschlichen Geistes zu erhalten. Dabei ist eine universalistische Richtung, die sich für sprachlich reflektierte kognitive Funktionsweisen überhaupt interessiert, von einer soziokulturellen Spielart zu unterscheiden, welche mentale Gemeinsamkeiten der Mitglieder einzelner sprachlicher Gemeinschaften herauszuarbeiten versucht.
Unter einem Prototyp wird der beste Vertreter einer Kategorie verstanden (Übersicht bei Gansel 2017). Welche Vertreter das jeweils sind, lässt sich anhand von Experimenten ermitteln. Erste Erhebungen dieser Art wurden in den 1970er Jahren in den Vereinigten Staaten durchgeführt (vgl. Rosch 1975): Dabei mussten die Probanden beste Vertreter einer Kategorie aus vorgegebenen Beispielen nennen oder Aussagen zu besten Vertretern (mehr oder weniger spontan) bestätigen. Im Falle der Kategorie ergab sich dabei etwa das folgende Bild (vgl. Abb. 223a): Als bester Vertreter erschien robin (das Rotkehlchen), gefolgt von sparrow (Spatz), canary (Kanarienvogel), blackbird (Amsel), dove (taube) und lark (Lerche). Parrot (Papagei), pheasant (Fasan), albatross (Albatros), toucan (Tukan) und owl (Eule) lagen СКАЧАТЬ