Das Moordorf. Max Geißler
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Название: Das Moordorf

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467626

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СКАЧАТЬ verkündete, dass der Mond dicht unter dem Horizonte stehe. Immer blanker wurden die Wipfel der Birken, immer silberner ihre Stämme, und als die halbe Scheibe langsam in die lautlose blaue Nacht emporschwebte, wandelten sich die Blätter der schwarzen Stechvalmen in Silber.

      „Ziküh! Ziküh! Ziküh!“

      Die Nachtigall stimmte in dem Stechpalmbusch. Und auch von drüben flogs herüber wie Spiel aus goldener Flöte.

      Ham Rugen lauschte und sagte:

      „Vordem hab ich nicht hingehorcht, wenn die Nachtigallen schlugen. Warum hör’ ich das jetzt wohl? Und warum dünkt es mich das Lieblichste, was im Moor ist? Ja, es ist lieblicher als alle Vogelstimmen, die sonst im Lande sind. Und in keinem Gelände sind diese Vögel so zahlreich als in unserm stillen Moore. Vielleicht scheuen sie die belebten Gegenden. Aber vielleicht auch ...“

      Ham Rugen ward still und sann.

      Immerfort sprang der Quell der süssen Töne im Stechpalmbusch.

      „Vielleicht auch, weil die Moorheide gar nichts besitzt, was lieblich oder schön ist. Und darum sind ihren Nächten diese klingenden Flöten gegeben, dass auch sie einen Reichtum habe vor anderm ...“

      Wie Hinnerk Stelljes den alten Mann so sprechen hörte, stand er auf.

      Gesche lehnte an der andern Schmalseite der Hütte in der Tür.

      „De Olle trömt“, sagte er. „He redt as en Pastor.“

      „Lat hem.“

      Hinnerk kroch zu Bett. Nach einer Weile kroch Gesche nach. Die Tür der Hütte blieb offen.

      In den Stechpalmbüschen schlugen die Nachtigallen.

      Viertes Kapitel.

      Der Mond schwamm allmählich höher; die linke beschattete Hälfte war von einem sanften Silberzirkel umgrenzt.

      In dem Schilfe der Moore war hin und wieder ein sanftes Klucksen, hin und wieder flog auch der dumpfe Ruf der Rohrdommel durch den Maitraum der Torfheide oder der schrille Schrei des Rebhahns.

      Und immer schlugen die Nachtigallen.

      Ham Rugen, der noch immer auf dem Schemel vor der Hütte sass, sah den sanften Glanz, der in der Welt war, und lauschte, ob nicht die zitternden Rinnsale des Lichts, die in silbernem Fall über die Blätter der Stechpalmen rannen, einen Klang gäben. Die Luft war so blank, dass der Flug der Käuze einen Schatten auf den lichten Grund warf. Der flog so leise wie der Vogel selbst und verschwand.

      Ham Rugen schlug die Arme über der Brust zusammen und lehnte den Kopf gegen die Wand.

      „Sonst habe ich dieses Licht der Nächte gehasst“, sagte er, „und ich dachte nicht, dass die Zeit komme, da ich es liebe.“

      Und er sann ein ganzes Leben zurück und erinnerte sich, wie vor vielen, vielen Jahren Tage gewesen waren, in denen er auch eine seltsame Lust an dem Leben der Moore gefunden habe. Dann aber wandelte sich sein Herz und die Träume wurden verscheucht, die er gehabt, als er hinter den Ziegen seiner Mutter durch die sommerstille Blütenheide lief oder auf dem Knie Weidenflöten schlug.

      In der blühenden Heide oder wenn die weisse Seide des Wollgrases weich um die nackten Füsse spielt oder der Morgentau klingend darumspringt — da mag einer träumen; die Pfade, die Ham Rugen später geschritten war, heischten List und Verschlagenheit, offene Ohren und tausend wachsame Augen. Die Traumbahnen im Heidemoor konnte einer mit gesenkten Lidern wandern. Aber von Bremen heraus war jeder Strauch ein Schutz für die „Kontrolörs“, und jede Weide in der Wiese, jeder Busch Schilf am Ufer der Hamme konnte einen Verfolger bergen. Und die Nächte waren Ham Rugen nicht schwarz genug gewesen.

      Nun dachte er wieder jener alten Tage und redete mit seiner Seele, in die er hineinhorchen wollte, weil ihn deuchte, sie habe Geheimnisse, oder er verstehe diese Seele nicht mehr.

      „Wir sind einen langen Weg gewandert, wir zwei“, sagte er.

      Manchmal sprach er so laut, dass Gesche im Kastenbett Hinnerk Stelljes anstiess. Der knurrte unwillig und wollte schlafen. Manchmal bewegten sich nur die Lippen Ham Rugens, um die die tiefen Falten geschlagen waren, die Fäden, welche die Spinne Zeit kreuz und quer über sein bartloses Gesicht gesponnen hatte. Nur unter dem Kinn lief ihm der graue Bart, die ‚Schifferkrause‘, von Ohr zu Ohr.

      „Aber in dieser Gegend sind wir vor fünfzig Jahren schon einmal gewesen und haben all die Dinge schon einmal gern gesehen und lieb gehabt ...“

      Nun waren Haus und Torf und die beiden urbar gemachten Moorstreifen nicht mehr sein — er hatte nichts mehr als eine weite Fläche totes Moor. Nur drei Dinge waren, die seiner warteten: das Geld im Strumpf unter dem Bettstroh, von dem niemand wusste und niemand erfahren sollte; seine wiederentdeckte Seele, die ihm zur Stunde noch ein schleiervolles Rätsel war; und der Tod. Um den brauchte er sich nicht zu mühen, der werde kommen, wenn seine Zeit um sei, dachte Ham Rugen.

      Und so blieben ihm eigentlich nur zwei Dinge, an die er täglich denken wollte: das Geld war seine Sorge und die Einkehr in sich selbst sein Zeitvertreib.

      Und in den Stechpalmbüschen schlugen die Nachtigallen.

      Da war ein Brechen in der Moormyrte und ein flüchtiges Stampfen über dem Torf: drei Rehe flogen vorüber.

      Ham Rugen lehnte nicht mehr gegen die Hüttenwand. Er sass hochaufgerichtet auf dem Schemel und spähte in die Nacht, aus deren Silber das fluchtgescheuchte Wild hervorgebrochen.

      Es war nichts weitum im Moore, das die Rehe zu schrecken vermocht hatte. Es war kein Weg in der Nähe, auf dem ein Mensch zu irgendeinem Moordorfe wandern, ein Wagen rollen konnte. Und doch flohen die Tiere. Ham Rugen wusste: sie ziehen äsend ihres Wegs und heben nur manchmal den Kopf, wenn ein Rebhahn knarrt oder ein Moorvogel, von dem Rascheln des Heiderieds unter ihren Hufen aus dem Traume gestört, emporschwirrt.

      Die Moormyrte, die unter den flüchtigen Hufen gewogt, die Buschkiefern, die noch eine kurze Spanne Zeit geschwankt hatten, standen wieder still in dem Schimmerlichte der Nacht. Der Schlag der eilenden Hufe, der über der Moorheide zu dumpfen Dröhnen wird, wie alles Leben hier sich machtvoller und trotziger auslebt, war verhallt.

      Ham Rugen hatte sich von seinem Sitz erhoben und schaute unverwandt in die Ferne. Es müsse sich ein Fremdes zeigen, dachte er.

      Und wie er mit verhaltenem Atem noch immer stand und spähte, da war drüben über den Gagelbüschen ein rotes Leuchten, da war goldenes Haar und ein weisses Antlitz.

      Ham Rugen stemmte den Arm gegen die Lehmwand der Hütte. Eine alte Sage ward in ihm lebendig — die Sage von den Moorjungfrauen. Die tanzen des Nachts über die weiten Flächen, und ihre goldenen Haare wehen im Winde. Die flechten das weiche Silber des Wollgrases in ihr Haar als blanken Schmuck ihrer Scheitel und Stirnen. Eine Stadt sei vor tausend Jahren versunken, sagen die Leute. Nun deckt sie der schwarze schwammige Grund. Und die Irrlichter, die des Nachts um das Schilf wehen, sind die Seelen toter Menschen. Weisse Schleierkleider wallen um die tanzenden Moorfrauen ...

      Wie die Irrlichter flatterten Ham Rugens Gedanken heran und davon.

      Und drüben über der Moormyrte bewegte sich immer das rote Leuchten, und das weisse Gesicht, um welches das gelbe Haar floss, ward deutlicher.

      Und СКАЧАТЬ