Das Moordorf. Max Geißler
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Название: Das Moordorf

Автор: Max Geißler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788711467626

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СКАЧАТЬ Es war ein goldiger Ton im Gelände, der war aus Braun, Purpur und Glanz gemischt, und war, als klinge die Luft. Und in dem tönenden Golde standen die silbernen Säulen der Birken. Da und dort stieg ein Rauch auf wie der Rauch aus unsichtbaren Opferschalen.

      Auch aus der Tür der Hütte wehte ein weicher, blauer Dunstschleier: der Qualm vom Herdbrand. Er wehte über den First, auf dessen Heidesoden der Frühling das Moos schwellte. Die Birken, die der Wind als Samen in das Rohr des Hüttendachs gelegt und die nun schon über fusshoch gewachsen waren, trugen junges Laub. Sie zerrissen den sanften Schleier des Torfrauchs über dem Dach, und der leise Odem des Windes wehte das bläuliche Gespinst von dannen.

      Ham Rugen sann lange hinein in das goldene Leuchten des Maiabends.

      Die Schatten der Birken wurden lang und spannten sich wie grosse, schier endlose schwarze Brücken herüber zur Hütte. In den Buschkiefern brannten die roten Kerzen des Frühlings.

      „Das ist nun schon lange so gewesen und ich nahm es doch vordem niemals wahr“, sagte Ham Rugen. Sein Auge schaute fernhin und sah, wie der Goldgrund des Himmels den Bäumen und allem, was auf dem Moore gegen den brennenden Westhimmel stand, eine Grösse verlieh, die die Dinge in Wirklichkeit nicht besassen.

      „Und war doch vordem niemals“, wiederholte er nach einer Weile in tiefem Sinnen.

      Ham Rugen hatte in Fernen gespäht, in denen er all die Jahre nicht zu Gaste gewesen war.

      Hinnerk Stelljes war wieder aufgestanden, tat einige Schritte gegen den Graben, schaute über das Feld und ermass seufzend die Arbeit und Mühe, die ihm die Tage nun bringen würden.

      Auch Gesche ging ab und zu in die Hütte, wenn ihr einfiel, sie habe noch dies und jenes zu tun, oder sie wolle sehen, ob Ham Rugen dies oder das Hausgerät besessen habe. Sie fragte den alten Mann auch um manches. Er sagte, das Gefragte müsse wohl da sein, und er nannte ihr einen verborgenen Winkel im Halbdunkel der Hütte, in dem sie es finden werde.

      Selbst ein Spinnrad stand unter dem Gerümpel hinter der Häckselschneide. Staub lag darauf, und ein Säcklein Wolle hing daran. Die Wolle hatte Ham Rugen selbst gekratzt und hernach gesponnen — in jenem Winter, da er sich auf der glatten Eisfläche bei der Flucht vor den „Kontrolörs“ das Bein zerfallen.

      Ham Rugens Sinnen und abgerissene Reden dauerten fort.

      Als die Lichter in den Moorgräben zu erlöschen, die goldenen Ströme in der Luft zu versiechen begannen und nur noch da und dort ein Schein in dem Moorgraben stand, den eine rosige Wolke aus dem Zenit hineinspiegelte, hob der Alte seine Augen auf und schaute zu dem Quell roten Lichts empor.

      Er hatte vergessen, dass Hinnerk Stelljes neben ihm sass, und blickte ihn erstaunt an, wie der halb lachend fragte:

      „Du bist weit weg, Ham Rugen?“

      „Wohl, wohl“, antwortete der nach geraumer Zeit. „Man hat so allerhand Gedanken, wenn man allein mit der Stille lebt, die im Moor ist.“

      Gesche Stelljes kehrte mit dem schmutzigen Gansflügel den Staub vom Spinnrad. Sie warf die Wolle aus dem Säcklein fort, die die Motten zerfressen hatten.

      „Wie lange bist du allein gewesen, Ham Rugen?“ fragte Hinnerk.

      „Mehr als acht Jahre. Mit wem redet einer da? Mit sich selbst. Monatelang ist keiner an der Hütte Ham Rugens vorbeigegangen. Man macht sich da allerhand Gedanken, Hinnerk. Auch mit dem Tode lernt man reden. — Ja, was ich sagen wollte: die Ziege könnt ihr nun wieder anbinden. Ich hab’ sie frei laufen lassen, seit ich hörte, wie die Zeit ging — oder der Tod ...“

      Und Ham Rugen erzählte von jenem Wintertag, an dem er den Tod über das Heidemoor kommen hörte.

      Hinnerk Stelljes lachte.

      „Wenn man jung ist“, sagte Ham Rugen, „ist das anders. Und wenn man sein Lebtag in der Moorkuhle gestanden hat, wird das Denken und das Reden der Männer und Frauen zäh wie der Klipp, der zu unterst im Torf liegt. Aber weisst du, wenn man in andern Tagen ein anderes Leben gelebt hat, ich mein’, wie das Schmuggeln noch im Gang war, da ist das doch auch ein ander Ding. Ich möchte sagen: wenn einer lange auf der Wanderschaft gewesen ist und Länder und Menschen gesehen hat oder gar in England war, dann weiss er erst, was ‚daheim‘ bedeutet. Dann erst sieht er, was anders ist an der Scholle und an der Hütte, die auf dieser Scholle steht. Er sieht was besser ist, und was zu bessern sei, damit es auch gut werde.“ —

      „Ham Rugen is en ollen Mann“, sagte Hinnerk Stelljes.

      Dann kam wieder die lautlose Stille und setzte sich zwischen die beiden. Ein geller Ruf flog aus der Hütte, hart und spitz.

      „Wie der eines Vogels in den Hammewiesen“, dachte Ham Rugen, und um seine Lippen ging ein kluges Lächeln.

      „Es ist schon richtig, Hinnerk Stelljes. Denkst du: draussen, wo die Berge sind, oder in England ruft einer so wie Gesche? So kreischen die Moorvögel. Mich wundert’s nicht, Hinnerk, dass unsern Frauen und unsern Kindern dieser Ton im Ohr klingt, den die Moorheide hat, und dass sie ihn annehmen.“

      „Gesche Stelljes schreit wie’n Kiewit!“ lachte Hinnerk.

      Darüber traten sie durch die Tür der Hütte. Gesche hatte zum Essen gerufen und warf Ham Rugen einen Blick zu, bei dem er empfand: „In Gesches Augen ist der Schein, der im Moor ist, wenn das Wetter leuchtet und die Irrlichter laufen.“

      Dann setzten sie sich an den Tisch und assen den Buchweizenpfannenkuchen, den Gesche über dem Torfbrande gebacken hatte. Sie schwiegen. Nur die Glut knisterte über den Klinkern, und der Torfrauch spann durch die Hütte.

      Ham Rugen dachte, während er mit dem Taschenmesser ein Stück von dem Kuchen aus der gemeinsamen Pfanne holte:

      „Der gebackene Buchweizen ist trocken wie der gebackene Torf. Die Leute im Moor backen den Buchweizen, weil sie das Backen aus der Torfkuhle her im Griff haben. Wenn es regnet, isst und trinkt der dürre Torf. Dann ist ein leises Knistern in den braunen Schollen, und ein weicher Erdrauch spinnt sich darüber. Aber es ist nirgends ein Laut — gerade wie da in der Hütte.“

      Und er sah wieder das missfarbige Haar Gesches, das war wie die trockenen Torfbrocken, über die der Regen von Jahren gelaufen.

      Es waren nur zwei Stühle in der Hütte und der Schemel, bei dem das eine Bein fast eine Hand hoch durch das Sitzbrett ragte. Den hatte Gesche Ham Rugen hingeschoben. Nun lehnten die Jungen in den Stühlen und Ham Rugen, auf dem Schemel sitzend, gegen die Wand. Sie bohrten mit den Messern zwischen den Zähnen.

      Die Glut knisterte über den Klinkern, und der Torfrauch spann durch die Hütte.

      Ham Rugen stand auf, ergriff den Schemel und nahm die Säge vom Balken herab. Er wollte dem kippelnden Sitz die Stützen gleichmässig versägen; denn er dachte: wenn die beiden die Stühle für sich beanspruchen, werde er mit dem Schemel vorlieb nehmen müssen; aber er sagte: es könne nichts schaden, wenn der Schemel instand gesetzt werde, da ihn Gesche dann besser zu allerhand häuslichen Verrichtungen brauchen könne.

      Da litt es die Frau, dass Ham Rugen in den dämmerigen Abend ging und den Sitz in Ordnung brachte.

      Gesche kniete neben der Ziege, die noch draussen im Grase stand, und melkte. Wie sie damit fertig war und das Tier im Stall angebunden hatte, sass Ham Rugen auf dem Schemel, den er zu der Bank an die Fensterwand der Hütte gestellt hatte. Hinnerk Stelljes sass rauchend daneben.

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