Название: Das Moordorf
Автор: Max Geißler
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788711467626
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Den Alten hätten sie sich schon aufgeladen, behauptete Gesche, und es könne niederträchtig genug kommen, dann müssten sie ihn noch zehn Jahre füttern; und die Deern, für die keine Arbeit im Hause sei, auch noch? Da werde nichts daraus!
Während Gesche die Eier aus dem Hühnernest in der Ecke der Diele nahm und allerlei Hantierung verrichtete, schimpfte sie geläufig weiter.
Dann band sich Wöbke die grobe Schürze vor, nahm den Eimer und ging, Wasser zu holen.
Um das Wasserloch draussen vor der Hütte lief ein niederer Zaun; ein Haken lag über dem vermorschten Staket. Wöbke liess den Eimer daran hinab und zog ihn, zur Hälfte mit dem teefarbigen Wasser gefüllt, heraus.
Während Hinnerk Stelljes die Zeit für gekommen erachtete, sein Tagewerk zu beginnen, schüttete Wöbke Wasser in den Kessel und blies den Torf an.
Nicht lange danach löffelten sie zu viert den Buchweizen aus der Schüssel. Wöbke Dierks stand zwischen Ham Rugen und dem Fenster. Ham Rugen dachte, er wolle noch einen Schemel zimmern.
Als das Frühmahl vorüber war und Ham Rugen draussen im Morgenlichte stand, hörte er, wie Wöbke Dierks die Diele mit dem Rutenbesen kehrte. Als sie damit zu Ende gekommen, ging er mit Hinnerk und dem Mädchen an dem urbargemachten Landstreifen entlang.
Der Tau blitzte an jedem Buchweizenpflänzlein; der ganze Strich, auf dem Ham Rugen vor wenig Wochen das Moor gebrannt hatte, lag wie ein schwellendes Kissen in der braunen Landschaft, in das tausend und tausend Nadeln gesteckt waren. Und jede trug ein flimmerndes Kleinod.
Hinnerk Stelljes schritt in die Hütte zurück; und während Ham Rugen mit Wöbke Dierks in der Torfkuhle stand und dem Mädchen zeigte, wo er die Jahre her gestochen und wie er die Gräben gezogen, liess er seine Augen mehr auf dem Kind als auf den braunen triefenden Moorwänden ruhen.
Die Schweigsamkeit, die in Wöbke ist, hat sie vom Gelände, in dem sie lebt, dachte er. Aber das goldene Haar und die weiche Sanftheit der Haut hat ausser ihr keiner. Er meinte auch, er habe noch nie einen Menschen gesehen, der einen so strahlenden Blick gehabt wie Wöbke und wusste nicht, woher dem Kinde diese fremde Schönheit komme.
Über den Mooren war an diesem Morgen zum ersten Mal das Zittern des Lichts. Die Grillen sangen schon, und die Lerchen stiegen. In den Schatten, welche die Birken warfen, war gar keine Bewegung; blank und golden tropfte der Schein der Sonne hinein, und nur ab und zu, wenn der Wind mit sanftem Atmen vorüberlief, begannen die Blätter der Birken ihr Lispeln, oder das Wollgras am schwarzen Moorgrunde wiegte die seidigen Hütlein.
Ham Rugen sagte sich, man wisse nicht, ob die Sonne mit der strahlenden Hand oder der sanfte Hauch des Windes das weiche Wehen hervorgebracht.
Wie er ein Stück durch den Torf geschritten war, um zu sehen, ob sich das Wasser in der tiefen Kuhle verlaufen habe, schaute er zurück und sah Wöbke noch schärfer gegen die dunkelbraune Torfwand sich abheben. Ringsum war flitterndes Licht, ein fast blendender Glanz, und aus den geraden Linien der Ebene, in der die scharfen Schnitte der Torfstiche standen, hoben sich die Kronen der Birken auf den silbernen Säulen. Die Moormyrte hatte sich mit rötlichen Blütenkätzchen behängt und wob da und dort einen rosigen Schimmer in das Grün.
Und über allem wölbte sich die blaue Kuppel des Himmels.
Die Rosmarinheide, die ihre roten Glöcklein im frühen Frühling über dem Moore läutet, und das seidene Flockengras sind auch von so lieblicher Schönheit, dachte Ham Rugen, dass man sie gar nicht im Heidemoore vermuten könnte. Und die Nachtigallen in den Stechpalmbüschen sind auch da — warum soll nicht eine Menschenblume dem schwarzen Grund entsteigen, die lieblicher und leuchtender ist als alles ringsumher? Der harte Heidewind weht auch um das zarte Silber der Birken und um die grünen Schleier ihrer Äste, und die Stämme bleiben doch immer wie silberne Säulen, und die Schleier der Birken flattern gar holdselig über den blanken Säulen und wandeln sich unter dem zitternden Schimmer der Sommersonne in leuchtendes Gold.
Sechstes Kapitel.
So erschien Ham Rugen das Moor mit seinen stillen Linien und schwermütigen Farben allgemach reicher an Lichtern und Formen, die er vordem nie wahrgenommen zu haben glaubte. Seit er nicht mehr mit dem Esker in der Torfkuhle oder im Moorgraben stand und das Blau des Himmels sich öfter in seinen Augen spiegelte, als das Braun oder Schwarz des triefenden Grundes, war ein mildes Licht in diese Augen gekommen. Das war nicht so, wie der flackernde Glanz, den das Prüfen der Büsche und das hastige Suchen versteckter Gefahr auf heimlichem Schmuggelpfade hineingebracht; es war auch nicht das blanke Leuchten, das mit der Jugend erlischt, sondern es war wie der sanfte Strahl einer Kerze, die späte Liebe entzündet und in diese Augen gestellt hatte.
Ham Rugen ging aus der Torfkuhle, um deren Ränder ein weicher, samtiger Rasen schwellte und auf denen Wöbke die Ziege führte, zu dem Moortümpel.
Da fand er, dass das faule Wasser den Weg geflossen war, den er ihm gezeigt hatte. Die Sonne hatte das schlammige Becken fast ganz ausgetrocknet, und Ham Rugen rief Hinnerk Stelljes und sagte ihm: wenn sie, während die Kartoffeln wüchsen und das Heidekorn der Ernte entgegenreife, noch mehr Gräben durch jene Stelle des Moores zögen, so werde der Grund, der hier nur aus schwarzer Moorerde bestehe, den Sommer über austrocknen. Sie könnten dann später das schwarze Erdreich, das Neigung zum Sauerwerden zeige, mit weichem, trockenen Heidesande mischen und das Land gegen den Herbst hin so tief lockern, als der Frost des Winters hineingefrieren müsse, um es vollends mürbe zu machen. Wenn das alles geschehen und Hinnerk Stelljes ein Stück Land von der Ausdehnung eines Morgens mit Kartoffeln bebauen könne, so bekomme er Futter genug, um neben der Ziege noch eine zweite und dritte, im nächsten Jahre wohl auch eine Kuh und zwei Schweine zu halten.
Hinnerk Stelljes sagte nicht „ja“ und nicht „nein“.
Ham Rugen sah ihm in die Augen. Aber auch die grauen Augen, vor denen die roten Wimpern waren, sagten nichts. Hinnerk Stelljes meinte schliesslich, das sei ein schwer Stück Arbeit, und er ziehe vor, wenn nun einmal gearbeitet sein müsse, im Torf zu stehen.
Da dachte Ham Rugen, er wolle auf die Ernte warten und aus den Erträgnissen der beiden im Vorjahr angelegten Äcker berechnen, ob der Bau von Feldfrüchten nicht auch so vorteilhaft sei wie die mühevolle Arbeit im Torf.
Dann ging er wieder zurück in die Kuhle. Was Wöbke wohl da treibe, wollte er sehen, und ob ...
Da sass sie ja auf einer Torfstufe, die die braune Wand entlang lief. Man konnte von der Hütte aus nicht bis zu ihrem Sitze sehen, der infolge des ringsumher abgestochenen Torfs tiefer lag. Ausserdem waren Buschkiefern und Jungbirken um die Ränder des Torfstichs gewachsen. Und die Moormyrte blühte allenthalben.
Wöbke Dierks hatte ein Sträusslein Rosmarinheide in der Hand. Die weisse Ziege schnubberte an den zartroten Glöckchen.
„Rosmarinheide blüht sonst ein wenig früher im Jahre“, meinte Ham Rugen. „Es ist des Moorfrühlings erste Blüte, und sie ist schon da, ehe die goldenen Sterne der Dotterblumen in dem feuchten Grund aufgehen.“
„Ich habe sie im Schatten der Buschkiefern gesammelt“, sagte das Mädchen, „vielleicht ist dahin der Frühling später gekommen als an die Ränder, an denen die Sonne zuerst und den ganzen Tag über liegt.“ —
„Das hast du gut gedacht, Wöbke“, antwortete Ham Rugen und setzte sich neben das Kind.
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