Outsider. Jonathan Wilson
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Outsider - Jonathan Wilson страница 16

Название: Outsider

Автор: Jonathan Wilson

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783730701195

isbn:

СКАЧАТЬ es sich wohl um ein Trainingsspiel vor der Partie gegen Start, in der die Überlegenheit der Deutschen gegenüber dem slawischen „Untermenschen“ wiederhergestellt werden sollte.

      Am 28. Juli gab Stalin als Reaktion auf den Verlust von Rostow am Don den Befehl Nr. 227 aus, auch bekannt als „Keinen Schritt zurück“: „Panikmacher und Feiglinge sind auf der Stelle zu vernichten. […] Die Rückzugsstimmung der Truppe muss bedingungslos unterbunden werden. […] Armeekommandeure, welche ein eigenmächtiges Verlassen der Stellungen […] dulden, sind sofort ihrer Posten zu entheben und vor ein Kriegsgericht zu stellen.“ Der Befehl wurde von Widerstandsgruppen in Kiew verbreitet, und mit Sicherheit werden ihn auch die ehemaligen Fußballspieler in der Bäckerei gelesen haben.

      Start spielte am 6. August, einem Donnerstag, gegen die Flakelf. Trotz erhöhter deutscher Präsenz auf den Zuschauerrängen war die Menschenmenge im Zenitstadion kleiner als gewöhnlich, wahrscheinlich, weil das Spiel unter der Woche stattfand. Start siegte mit 5:1, allerdings erschien in der Nowo Ukrainski Slowo kein Bericht, und weitere Einzelheiten sind nur schwer herauszufinden. Am nächsten Tag tauchten Plakate in Kiew auf, die auf Deutsch und Russisch Werbung für eine „FUSSBALL SPIEL REVANCHE“ am 9. August machten.

      Dieses Mal war das Stadion bis auf den letzten Platz besetzt, und auf Seiten der Deutschen war man fest entschlossen, nicht zu verlieren. Die vielen Legenden zu durchdringen, die sich um das Spiel ranken, ist unmöglich. Es scheint aber, dass der Schiedsrichter ein Deutscher war. Ob er aber wirklich ein zur Glatze neigender SS-Offizier mit fließenden Russischkenntnissen war, wie von manchen behauptet wird, ist äußerst ungewiss. Es heißt, dass er die Start-Spieler vor dem Anpfiff warnte, auch ja den Hitlergruß zu zeigen. Die sollen das ignoriert und stattdessen die Hand aufs Herz geschlagen und „Fizkult-Hurra!“ gerufen haben, den traditionellen Ausruf sowjetischer Sportler. „Fizkult“ ist eine Abkürzung für „Fizitscheskaja kultura“, was so viel bedeutet wie „Körperkultur“, während „Hurra!“ deutlich aggressiver besetzt ist als im Deutschen und auch der Schlachtruf sowjetischer Truppen auf dem Weg in den Kampf war.

image

       Ein Plakat kündigt das Match an, das später als „Todesspiel“ in die Geschichte eingehen sollte.

      Doch selbst dieser Vorfall ist umstritten. Noch schwieriger ist es, den Spielverlauf nachzuvollziehen. Nach Kriegsende scheinen die sowjetischen Behörden zunächst so getan zu haben, als ob die Partie überhaupt nicht stattgefunden habe. Sie waren besorgt, dass Dynamo-Spieler womöglich an etwas teilgenommen hatten, das man als Kollaboration auslegen könnte. Bald aber wurde das Spiel zu einem Propagandainstrument, wobei die Kommunistische Partei und unzufriedene ukrainische Nationalisten zwei unterschiedliche Versionen des Geschehens verbreiteten. Als Sporthistoriker Mitte der 1990er Jahre schließlich die Originalquellen zu überprüfen begannen, waren die meisten Augenzeugen bereits tot. Bei den noch Lebenden war die Erinnerung vielfach längst durch die verschiedenen „offiziellen“ Versionen verzerrt worden.

      Im Folgenden kann also nur vermutet werden, wie das Spiel abgelaufen sein muss. Anscheinend trat die Flakelf aggressiver auf als in der ersten Begegnung. Mehrere böse Angriffe, insbesondere gegen Trussewitsch, blieben ungeahndet. Die Flakelf ging in Führung, aber Start kam zurück und lag zur Pause mit 3:1 vorn. So viel ist im Großen und Ganzen unumstritten.

      In der Pause soll Start dann angeblich zwei Besuche in der Umkleide bekommen haben, und zwar von einem anderen Spieler, einem Nationalisten und Kollaborateur, sowie vom Schiedsrichter. Beide warnten vor den ernsthaften Konsequenzen, sollte Start am Ende gewinnen. Trussewitsch, so heißt es, hielt eine mitreißende Ansprache und forderte seine Mannschaftskameraden eindringlich auf, nichts auf die Drohung zu geben. Die Anfangsphase der zweiten Halbzeit lässt sich am schwersten rekonstruieren. Sicher scheint jedoch, dass jeweils zwei Tore auf beiden Seiten fielen, auch wenn die Reihenfolge strittig ist.

      Als Start schließlich vier Minuten vor Schluss mit 5:3 führte, soll der jugendliche Stopper Oleksij Klymenko von hinten angerannt gekommen sein und den Torhüter umkurvt haben. Dann sei er mit dem Ball bis zur Torlinie gelaufen und habe ihn von dort nicht etwa ins Tor, sondern zurück ins Feld gedroschen. Der Schiedsrichter, der sich der Demütigung bewusst war, soll flugs das Spiel unterbrochen haben. Unter den Zuschauern sei es zu Handgemengen zwischen Deutschen und Ukrainern gekommen. Deutsche Würdenträger sollen auf dem Weg zu ihren Fahrzeugen geschubst worden sein, und Soldaten hätten ihre Hunde losgelassen, um die Menge zu zerstreuen.

      In einer Version der Geschichte sollen die Spieler von Start noch auf dem Platz mit Maschinengewehren niedergemäht worden sein, das ist aber mit Sicherheit nicht geschehen. Tatsache ist, dass man am Sonntag darauf gegen Ruch antrat, die Mannschaft der Nationalisten, und diese mit 8:0 besiegte. In der Woche nach dieser Partie wurden die Spieler dann einer nach dem anderen ins Büro der Bäckerei bestellt und verhaftet. Man brachte sie zum Gestapo-Hauptquartier in der Korolenko-Straße und verhörte sie. Sie sollten zu Geständnissen gebracht werden, Saboteure oder Diebe zu sein. Doch keiner knickte ein, und mit Ausnahme des Flügelstürmers Mykola Korotych brachte man die Spieler in das Gefangenenlager Syrez nahe Babyn Jar, der Schlucht, in der 1941 Tausende von Juden einem Massaker zum Opfer gefallen waren. Korotych war zehn Jahre zuvor aktiver Offizier beim NKWD gewesen, dem Vorgänger des KGB. Als man das herausfand, wurde er weitaus härter behandelt als die anderen. Er starb nach 20 Tagen Folter.

      Die Gefangenen in Syrez, deren Speiseplan pro Tag nur 150–200 Gramm Brot vorsah, das normalerweise mit einer Suppe aus Eicheln verabreicht wurde, setzte man als Zwangsarbeiter ein. Als einer von ihnen die Flucht wagte, wurde seine gesamte Arbeitseinheit, die aus 18 Leuten bestand, erschossen. Da die Spieler körperlich in besserer Verfassung waren als die meisten anderen Inhaftierten, überlebten sie zunächst den Winter. Doch am 23. Februar 1943, dem Jahrestag der Gründung der Roten Armee, unternahm der Widerstand eine Serie von Bombenangriffen auf deutsche Ziele und zerstörte dabei einen Reparaturbetrieb für Motorschlitten. Einen Tag später folgte die Vergeltungsaktion. Beim Zählappell stellte man die Gefangenen in Reihen auf. Jeder dritte Mann wurde zu Boden geprügelt und erschossen. Iwan Kusmenko, der im zweiten Spiel gegen die Flakelf mindestens einen, wahrscheinlich aber sogar zwei Treffer erzielt hatte, wurde als Erster der Kicker getötet. Klymenko war der Zweite. Als Dritter und Letzter kam Trussewitsch an die Reihe, dessen Heldenmut den von Kandidow weit übertroffen hatte.

      

image

      Die Geschichte inspirierte einige Filme. Am bekanntesten, zumindest beim westlichen Publikum, ist sicherlich der amerikanische Film Escape to Victory, der in Deutschland unter dem Titel Flucht oder Sieg in die Kinos kam. Er basierte seinerseits auf dem 1961 gedrehten Film Két félidő a pokalban des ungarische Regisseurs Zoltán Fábri (deutscher Titel: Zwei Halbzeiten in der Hölle). Eigenartigerweise findet sich auch eine Variation der Geschichte in dem angeblich autobiografischen Essay des russischen Dichters Jewgeni Jewtuschenko über seine Beziehung zum Sport, der 1966 in Sports Illustrated erschien. Genau wie Albert Camus sah auch Jewtuschenko den Fußball als Metapher. „Allegorische Verse“, so schrieb er, „sind wie das Dribbeln und Antäuschen beim Fußball: eine List, um die Verteidiger in die Irre zu führen, so dass man den Ball ins Tor des Gegners schießen kann.“ Auch er selbst spielte regelmäßig Fußball, anfangs mit „einem Knäuel aus Lumpen“ oder „einer Blechdose“, später dann aber „mit dem echten Ding aus Leder“.

      „Ich schwänzte die Schule, um mich auf irgendeiner Freifläche mit meinen Freunden zu treffen“, notierte er, „und wir spielten dann stundenlang ohne Unterbrechung, bis wir erschöpft waren. Die Tore bauten wir uns meist aus einem Haufen Schultaschen, in denen die Übungshefte nutzlos herumlagen.“ Jewtuschenko spielte immer im Tor, wo ihm, wie er versicherte, eine große Zukunft vorherbestimmt gewesen sei, bis er im Alter von 16 Jahren seine ersten Verse veröffentlichte und СКАЧАТЬ