Outsider. Jonathan Wilson
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Название: Outsider

Автор: Jonathan Wilson

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783730701195

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СКАЧАТЬ er gesagt: ‚Die haben so viele Kinder in ihrer Familie, und die haben nichts anzuziehen.‘“

      Nicht, dass Jaschins Familie besonders wohlhabend gewesen wäre. Vielmehr bekam er durch die schlechte Qualität der Lebensmittel, die er damals aß, ein Magengeschwür. Mit 16 Jahren wurde er für eine Weile zur Kur ans Schwarze Meer geschickt. „Das harte Training tat das Seine dazu, vor allem, weil Lew wie ein Verrückter arbeitete. In seiner ganzen Karriere ist er nie zu spät zum Training gekommen. Er war immer pünktlich und forderte das Gleiche auch von anderen. Nach jeder Trainingseinheit blieb er im Tor und bat jemanden, Schüsse auf ihn abzugeben. Ich habe mir das einmal angeguckt und konnte danach nie wieder dabei zusehen. 30 oder 40 von den ganz harten Schüssen hat mein Mann in seinen Bauch bekommen. Mir kam es so vor, als wenn seine komplette Bauchhöhle herausgeprügelt würde. Lew erklärte mir, dass seine Bauchmuskeln sehr stark seien und er den Ball ohnehin mit seinen Händen abgefangen hätte, der Ball also seinen Bauch gar nicht berührt hatte. Aber ich habe gesehen, dass er das sehr wohl tat.

      Nach einem Sieg bin ich mal Jakuschin im Savoy-Restaurant begegnet. Er rief mich zu sich und fragte, ob sich Lew über ihn beklagt hätte. Ich sagte Nein und fragte, was denn passiert sei. ‚Ich glaube, er war verletzt’, sagte Jakuschin. ‚Er hat beim Training vor dem Spiel gesagt, dass er Bauchschmerzen habe und sich nicht nach dem Ball werfen kann, aber ich habe ihn aufgefordert, es einmal zu tun. Er ist kaum wieder hochgekommen und ist im Schneckentempo in die Kabine zurückgekehrt. Aber am nächsten Tag ist er wieder ganz normal gesprungen und gehechtet […]‘.

      Er hatte ständig Magenschmerzen – und am Ende ist er ja an Magenkrebs gestorben. Weil sein Magen sehr viel Säure produzierte, trug er stets Natron bei sich und, wenn möglich, auch Wasser. Sein Sodbrennen war sehr stark – wenn er kein Wasser hatte, konnte er nicht davon ausgehen, schnell genug einen Becher Wasser zu finden, um einen Teelöffel Natron darin aufzulösen. Manchmal hat er das Natron aus einem Papierbeutel in seine Handfläche geschüttet, direkt in den Mund getan und sich dann verzweifelt nach etwas Flüssigem umgeschaut, mit dem er es runterschlucken konnte.“

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      Erst 1944, als nach dreijähriger Unterbrechung wieder Fußball in Moskau gespielt wurde, begann Jaschin, sich ernsthaft dieser Sportart zu widmen, und versuchte sich bei der Werksmannschaft. Im Gegensatz zu vielen seiner Landsmänner war er nicht versessen darauf, im Tor zu stehen. „Wie alle Kinder in Moskau hatte auch ich zunächst auf der Straße gekickt“, sagte er. „Meine frühesten Erinnerungen sind die an verrückte Spiele. Ich hätte wirklich gerne als Stürmer gespielt, weil ich es liebte, Tore zu schießen, aber wegen meiner Größe und Sprungkraft war ich dazu bestimmt, Torwart zu sein. Die Chefs der Mannschaft haben mir diese Entscheidung aufgedrückt.“

      Als Jaschin 1947 zum Wehrdienst einberufen wurde, stationierte man ihn in Moskau. Nachdem er dort auf seiner neuen Position gleich vielversprechende Auftritte gezeigt hatte, begann er, für den Dynamo Sportklub in der Stadtratsmeisterschaft zu spielen. Im Juli 1949 fiel er Arkadi Tschernischew auf, dem später weltweit bekannten Eishockey-trainer. Der lud ihn ein, sich der Jugendabteilung von Dynamo Moskau anzuschließen. Im Herbst des gleichen Jahres sorgte Dynamos Nachwuchsmannschaft dann für helle Aufregung, als sie die eigene Herrenmannschaft – inklusive Chomitsch – im Halbfinale des Moskauer Pokals mit 1:0 besiegte. Jaschins gute Leistung fiel auf, und im darauffolgenden März wurde er anlässlich einer Tour durch den Kaukasus in die Herrenmannschaft befördert. Dort war er zunächst Reservespieler für Chomitsch und dessen üblichen Vertreter Walter Sanaja.

      

      Bei einem Freundschaftsspiel gegen Traktor Stalingrad (heute Rotor Wolgograd) im Jahr 1950 erhielt er seine Chance, doch es hätte kaum schlechter laufen können. Er erlebte eine dieser Situationen, die einem Torhüter die ganze Karriere über nachhängen können. Ein starker Wind trug einen langen Befreiungsschlag des gegnerischen Keepers bis in seinen Strafraum. Jaschin kam heraus, um den Ball abzufangen. Die Augen nur auf den Ball gerichtet, bemerkte er jedoch seinen Verteidiger Jewgeni Awerianow nicht, der zur Kopfballabwehr heranstürmte. Die beiden prallten zusammen, gingen zu Boden, und der Ball hüpfte ins Netz. Jaschin erinnerte sich später zurück, wie er auf dem Boden lag und erleben musste, wie berühmte Mannschaftskameraden wie Konstantin Beskow und Wassili Karzew ihn auslachten. „Ich hörte, wie sie fragten, wo um alles auf der Welt man diesen Torwart aufgetrieben hätte“, sagte er.

      Jaschins erstes Pflichtspiel am 2. Juli des gleichen Jahres lief kaum besser. Dynamo führte eine Viertelstunde vor dem Ende mit 1:0 gegen Spartak, als Chomitsch sich verletzte. Also wurde Jaschin für ihn eingewechselt. Drei Minuten vor dem Abpfiff schlug Alexei Paramonow eine Flanke in den Strafraum. Jaschin ging hin, stieß wiederum mit einem Verteidiger zusammen – dieses Mal mit Wsewolod Blinkow – und legte Nikolai Parschin den Ball so vor, dass dieser nur noch abzustauben brauchte. War sein Patzer beim Freundschaftsspiel in Wolgograd noch weitgehend unbemerkt geblieben, erlangte dieser nun schmerzhafte Bekanntheit. Nach dem Spiel platzte ein NKWD-General in den Umkleideraum und forderte, dass „dieser Idiot gefälligst aus der Mannschaft entfernt wird“.

      Dynamos Trainer beachteten den Mann nicht weiter, doch wirkte ihr Vertrauen in Jaschins Fähigkeiten irgendwie fehl am Platze, wenn man sich seinen dritten Einsatz noch im selben Herbst auswärts bei Dynamo Tiflis ansieht. Dynamo Moskau gewann zwar mit 5:4, Jaschin aber hatte bei seinem zehnminütigen Kurzeinsatz vier Bälle passieren lassen. Seine Karriere schien damit beendet. Einen weiteren Einsatz in der Saison bekam er nicht, ebenso wenig in der nächsten und übernächsten. Doch Jaschin übte sich in Geduld, trainierte beharrlich weiter und bereitete sich nach bestem Gewissen darauf vor, eine eventuelle vierte Chance auf jeden Fall zu nutzen. „Hätte ich ihnen in dieser Phase meinen Abschied angekündigt, glaube ich kaum, dass sie viel Zeit darauf verwendet hätten, mich vom Gegenteil zu überzeugen“, sagte er. „Aber ich konnte mir ein Leben ohne Fußball nicht vorstellen. Ich habe weiter hart gearbeitet, und zu meiner Überraschung haben sie mich nicht abgesägt.“

      Jaschin half dabei auch, dass er sich in der Eishockeyabteilung des Vereins als patenter Schlussmann zeigte. Dort stellte er hervorragende Reflexe unter Beweis und entwickelte sein Stellungsspiel weiter. Er war Teil der Dynamo-Mannschaft, die 1953 den sowjetischen Pokal holte, und wurde 1954 für das WM-Team der UdSSR nominiert. Diese Einladung schlug Jaschin jedoch aus. Seiner Meinung nach konnte man unmöglich zwei Sportarten gleichzeitig auf höchstem Niveau betreiben.

      Chomitsch, mittlerweile vermutlich zu alt, verließ 1953 den Verein und ging zunächst zu Spartak Minsk. Danach betätigte er sich als Sportfotograf und fuhr mit zu den Weltmeisterschaften 1970, 1974 und 1978. Auf einmal bekam Jaschin eine neue Chance. Dieses Mal nutzte er sie. Er absolvierte im Laufe der Saison 13 Ligaspiele und verhalf Dynamo zum Pokalsieg, auch wenn er im Finale wegen einer Verletzung in der zweiten Halbzeit nicht bis zum Ende auf dem Platz stand. Vor die Wahl zwischen Fußball und Eishockey gestellt, entschied er sich für den Fußball. Wäre Chomitsch noch ein Jahr länger geblieben, hätte die Entscheidung allerdings auch gut andersrum ausfallen können.

      Obwohl auch Chomitsch immerhin zwei Meisterschaften gewonnen hatte, fielen die goldenen Jahre von Dynamo in Jaschins erste glorreiche Phase. Zwischen 1954 und 1959 holte man viermal den sowjetischen Titel und wurde zweimal Vizemeister. Trotzdem blieb Jaschin zunächst noch umstritten. Auch wenn er später zu einem Musterbeispiel von Redlichkeit werden sollte, flog er im sowjetischen Pokalfinale 1955 nach einem Faustschlag gegen ZSKA-Stürmer Wladimir Agapow noch vom Platz. Jaschins Temperament köchelte jederzeit dicht unter der Oberfläche. Dynamo verlor mit 1:2, und für viele war Jaschin der Schuldige. Die Vereinszeitung von Dynamo druckte einen Cartoon, der den Torwart mit Boxhandschuhen zeigte, und untertitelte diesen mit: „Der Pokal hätte ganz sicher uns gehört … wäre Genosse Jaschin nicht gewesen.“

      Dennoch war Jaschin da bereits ein großer Star, der 1954 zu seinem ersten Länderspiel berufen worden war. Die Nationalmannschaft hatte damals zwei Jahre lang gar nicht gespielt. Nach einer politisch peinlichen Niederlage СКАЧАТЬ