Ausgewählte philosophische Werke von Moses Mendelssohn. Moses Mendelssohn
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СКАЧАТЬ sind also auch Wahrsager, die uns den Willen und die Absichten der Gottheit weit richtiger verkündigen, als die Eingeweide der Schlachtopfer; denn das ist unstreitig ein Rathschluß des Allerhöchsten, wohin die von ihm erschaffene Kräfte abzielen. Nicht?

      Wer kann dieses leugnen?

      So lange uns also diese Wahrsager andeuten, daß die Erhaltung unsers Lebens zu den Absichten Gottes gehöre, sind wir verpflichtet, unsere freyen Handlungen denselben gemäß einzurichten, und haben weder Fug noch Recht den Erhaltungskräften unserer Natur Gewalt anzuthun, und die Diener der obersten Weisheit in ihrer Verrichtung zu stören. Diese Schuldigkeit liegt uns so lange ob, bis Gott uns durch eben dieselben Wahrsager, den ausdrücklichen Befehl zuschickt, dieses Leben zu verlassen, so wie er ihn heute mir zugeschickt hat. Ich bin völlig überzeugt, sprach Cebes. Allein nunmehr begreife ich um soviel weniger, mein lieber Sokrates, wie du vorhin hast sagen können, ein jeder Weltweiser müsse einem Sterbenden gerne folgen wollen. Ist dieses wahr, was du itzt behauptest, daß wir ein Eigenthum Gottes sind, und daß derselbe unser Bestes besorge: so scheinet jener Satz ungereimt. Wie? soll ein vernünftiger Mann sich nicht betrüben, wenn er die Dienste eines Oberherrn verlassen muß, der sein bester und gütigster Versorger ist? Und wenn er auch hoffen könnte, durch den Tod frey, und sein eigener Herr zu werden: wie kann der unverständige Mündel sich schmeicheln, unter seiner eigenen Anführung besser zu stehen, als unter der Anführung des allerweisesten Vormundes? Ich sollte meynen, es sey vielmehr ein großer Unverstand, wenn man sich durchaus in Freyheit setzen, und auch den besten Oberherrn nicht über sich leiden will. Wer Vernunft besitzet, wird sich allezeit mit Vergnügen der Aufsicht eines andern unterwerfen, dem er bessere Einsichten zutrauet, als sich selbst. Ich würde also gerade das Gegentheil von deiner Meynung herausbringen. Der Weise, würde ich sagen, müsse sich betrüben, der Thor aber freuen, wenn er sterben soll.

      Sokrates hörete ihm aufmerksam zu, und schien sich an seiner Scharfsinnigkeit zu ergetzen. Sodann kehrete er sich zu uns, und sprach: Cebes kann schon einem zu schaffen machen, der wider ihn etwas behaupten will. Er hat beständig Ausflüchte.

      Allein diesesmal, sprach Simmias, scheinet Cebes nicht Unrecht zu haben, mein lieber Sokrates!

      In der That, wodurch kann ein Weiser bewogen werden, sich ohne Mißvergnügen der gütigen Vorsorge des allerweisesten Aufsehers zu entziehen? – Und wo mir recht ist, Sokrates, so zielet Cebes mit seinen Einwürfen eigentlich wider deine itzige Aufführung, der du so gelassen, so willig, nicht nur uns alle verlässest, denen dein Tod so schmerzlich fällt, sondern dich auch der Aufsicht und Vorsorge eines solchen Beherrschers entäußerst, den du uns als das weiseste und gütigste Wesen zu verehren gelehret hast.

      So? sprach Sokrates, man hat mich angeklaget, wie ich höre? Ich werde mich also wohl förmlich vertheidigen müssen?

      Allerdings, sprach Simmias.

      Gut! versetzte Sokrates: Ich will mich bemühen, meine jetzige Schutzrede besser einzurichten, als die, welche ich vor meinen Richtern gehalten habe.

      Höre, Simmias und du, Cebes! Hätte ich nicht Hoffnung, da, wo ich hinkomme, erstlich immer noch unter demselben gütigsten Versorger zu stehen, und zweytens, die Seelen der Verstorbenen anzutreffen, deren Umgang aller Freundschaft hienieden vorzuziehen ist: so wäre es freylich eine Thorheit den Tod so wenig zu achten, und ihm willig in die Arme zu rennen.

      So aber habe ich die allertröstlichsten Hoffnungen, daß mir beides nicht entstehen wird. Das letztere zwar getraue ich mir nicht mit aller Gewißheit zu behaupten; aber daß die Vorsehung Gottes auch da noch über mich walten werde, dieses, Freunde! behaupte ich so zuversichtlich, so gewiß, als ich in meinem Leben etwas behauptet habe. Darum betrübt es mich auch nicht, daß ich verscheiden soll; denn ich weiß, daß mit dem Tode noch nicht alles für uns aus ist. Es folgt ein anderes Leben, und zwar ein solches, das, wie die alte Sage versichert, für Tugendhafte weit glückseliger seyn wird, als für Lasterhafte.

      Wie da? sprach Simmias, mein lieber Sokrates! Willst du diese heilsame Versicherung im Innersten deiner Seele verschlossen mitnehmen? oder auch uns eine Lehre gönnen, die so viel tröstliches hat? Es ist billig, seinen Freunden ein so herzliches Gut mitzutheilen, und wenn du uns von deiner Meynung überzeugest, so ist auch deine Schutzrede fertig. Ich will es versuchen, versetzte er. Doch laß uns erst den Kriton hören, der schon lange etwas sagen zu wollen scheinet. Ich? nichts, mein Lieber, erwiederte Kriton. –

      Der Mann hier, der dir den Gift bringen soll, läßt mir keine Ruhe: ich soll dich bitten, nicht so viel zu reden. Man erhitzt sich so sehr, spricht er, und dann wirkt der Trank so gut nicht. Er hätte schon öfters einen zweyten oder dritten Gifttrunk bereiten müssen, für Leute, die sich das Reden nicht hätten verwehren lassen.

      Laß ihn, im Namen der Götter! sprach Sokrates, hingehen und sein Amt versehen. Er halte den zweyten Gifttrunk bereit, oder den dritten, wenn er meynet. –

      Diese Antwort hatte ich mir vermuthet, sprach Kriton; allein der Mensch will nicht ablassen. –

      O laß ihn! versetzte Sokrates. Ich habe hier meinen Richtern Rechenschaft zu geben, warum ein Mensch, der in der Liebe zur Weisheit grau geworden, in den letzten Stunden fröhliches Muths seyn müsse, indem er sich nach dem Tode die größte Seligkeit zu versprechen hat. Mit welchem Grunde, Simmias und Cebes! ich dieses behaupte, will ich zu erklären suchen. –

      Das wissen vielleicht die wenigsten, meine Freunde! daß, wer sich der Liebe zur Weisheit wahrhaftig ergeben, seine ganze Lebenszeit dazu anwendet, mit dem Tode vertrauter zu werden, sterben zu lernen. Ist aber dieses: welch eine Ungereimtheit wäre es nicht, in seinem ganzen Leben, alle Wünsche, alle Bemühungen nach einem einzigen Ziele zu lenken, und sich doch zu betrüben, wenn das längst erwünschte Ziel endlich erreicht wird?

      Simmias lachte: Beym Jupiter! sprach er, Sokrates! ich muß lachen, so wenig ich auch dazu aufgelegt bin. Was du hier sagst, dürfte das Volk nicht so sehr befremden, als du meynest. Die Athenienser insbesondre könnten dir sagen: wie es ihnen sehr wohl bekannt sey, daß die Weltweisen gelernet hätten, gerne zu sterben; und sie ließen sie darum auch wirklich sterben, weil sie wohl wüßten, wornach sie sich sehneten.

      Ich würde ihnen alles einräumen Simmias! nur das nicht, daß sie es einsehen. Sie wissen nicht, was der Tod ist, davon ich rede, und in wie weit ihn die Weltweisen verdienen. Doch was gehen uns jene an? Ich rede itzt mit meinen Freunden.

      Ist der Tod nicht etwas, das sich beschreiben und erklären läßt?

      Freylich! versetzte Simmias.

      Ist er aber etwas anders, als eine Trennung des Leibes und der Seele? – Sterben nehmlich heißt dieß nicht, wenn die Seele den Leib, und der Leib die Seele dergestalt verläßt, daß sie keine Gemeinschaft untereinander mehr haben, und jeder für sich bleibet? Oder weißt du deutlicher anzuzeigen, was der Tod sey?

      Nein! mein lieber.

      Ueberlege einmal, Freund, ob es dir auch so vorkömmt, wie mir. Was meynest du? Wird der wahre Liebhaber der Weisheit den so genannten Wollüsten nachhängen, und nach köstlichen Speisen und Getränken so sonderlich streben?

      Nichts weniger, antwortete Simmias.

      Wird er der Liebe ergeben seyn?

      Eben so wenig!

      Und in Ansehung der übrigen Leibesbequemlichkeiten? Wird er in seinen СКАЧАТЬ