Название: Chefarzt Dr. Norden Staffel 6 – Arztroman
Автор: Helen Perkins
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Chefarzt Dr. Norden Staffel
isbn: 9783740976828
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Als Dr. Gruber nun sein Krankenzimmer betrat, schaute er ihr noch immer verstört entgegen.
»Wie fühlen Sie sich?«, fragte sie freundlich, griff sich einen Rollhocker und ließ sich neben dem Bett nieder.
»Mein Kopf tut höllisch weh. Außerdem ist mir übel.«
»Sie haben eine Gehirnerschütterung.«
»Und da ist dieser Druck, sehr unangenehm.«
»Ein Ödem. Es ist entstanden, weil Blut unter die Haut geflossen ist. Der Bereich ist entzündet und geschwollen. Es wird ein paar Tage dauern, bis der Körper es abtransportiert hat. Danach werden Sie sich besser fühlen.«
»Das würde ich jetzt schon, wenn ich wüsste, wer ich bin.«
»Auch das werden Sie bald wieder wissen. Sie müssen nur ein bisschen Geduld haben.«
»Sagen Sie das zu all Ihren Patienten?«
»Nur zu denen, die Geduld brauchen.«
»Was geschieht mit mir? Der Pfleger sagte, ich sei in München. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich hier lebe. Was tue ich also hier? Und wie bin ich hierher gekommen?«
»Mit dem Zug, soviel steht fest.«
»Mit welchem Zug?«
»Dafür kommen mehrere infrage. Die Polizei recherchiert.«
»Und was wissen Sie noch, Frau Doktor?«
»Nun, Sie sind mit einem späten Zug nach München gekommen und im Bahnhof überfallen worden. Man hat sie niedergeschlagen und ausgeraubt. Das ist schon so ziemlich alles. Diese Kerle haben Ihre Sachen gestohlen und nichts zurückgelassen, was einen Hinweis auf Ihre Identität ermöglichen würde. Sie werden also selbst darauf kommen müssen, wer Sie sind, woher Sie kommen und was Sie hier in München tun wollten.«
»Ich …« Mark schloss kurz die Augen, denn plötzlich flammte etwas davor auf, das wie ein Erinnerungssplitter wirkte, wie eine matte Reflexion eines Bildes in einer trüben Pfütze, nicht länger als einen Sekundenbruchteil, dann war es fort.
»Erinnern Sie sich an etwas?«, fragte Dr. Gruber nach.
»Ja, ich glaube. Ich habe etwas gesehen, ein Bild.«
»Können Sie es beschreiben?«
Mark überlegte kurz, dann sagte er: »Es war ein hohes Bauwerk, wie eine Brücke aus Stahl. Daneben Urwald. Und weiter hinten blau, vielleicht der Ozean …«
Die Ärztin machte sich eine Notiz. »Was könnte das gewesen sein? Haben Sie eine Ahnung?«
»Nein, keine. Vielleicht ein Kalenderbild. Denken Sie, dass es eine Erinnerung an etwas war, was ich erlebt habe? An einen Platz, an dem ich gewesen bin?«
»Möglich. Es ist eigentlich noch zu früh. Mehr können wir heute nicht erwarten. Versuchen Sie, sich zu entspannen. Ich sehe später wieder nach Ihnen.«
Mark nickte und schloss die Augen. Er war erschöpft, die Schmerzen in seinem Kopf setzten ihm zu. Noch mehr setzte ihm aber die Frage zu, wer er war und was er in München hatte tun wollen. Etwas wie eine Ahnung sagte ihm, dass es wichtig gewesen war. Und ein Gefühl der Unzulänglichkeit erfüllte ihn. Es war, als hätte er jemanden im Stich gelassen, der seine Hilfe dringend brauchte, jemanden, der ihm nahe stand und sich voll und ganz auf ihn verließ. Jemanden, den sein Versagen ebenso hart treffen konnte, auch wenn es nicht seine Schuld war. Er fühlte sich wie ein Verräter an einem geliebten Menschen. So als hätte er einem Ertrinkenden nicht die Hand gereicht. Obwohl er nicht wusste, was hinter dem dunklen Schleier in seinem Kopf lag, verstärkte sich dieses ungute, bohrende Gefühl immer weiter und sorgte dafür, dass Mark Hansen sich noch schlechter fühlte.
*
»Mama, wann fahren wir heim? Mir ist langweilig.« Torben schaute missmutig zu seiner Mutter herüber, die den ganzen Tag nur am Fenster stand und hinaus starrte. »Gehen wir mal raus?«
Lisa reagierte nicht, sie hörte die Worte ihres Sohnes zwar, aber ohne sie wirklich wahr zu nehmen. Ihre schlanken Hände waren so fest ineinander geschlungen, dass die Knöchel weiß hervortraten. Blicklos starrte sie auf die Straße, während es in ihrem Kopf unablässig arbeitete und die Frage »Was soll ich tun?« sie quälte. Vorgestern hatte sie sich mit Mark hier treffen wollen. Er war nicht gekommen. Seine Reservierung war nicht storniert worden. Lisa hatte in Ulm bei seiner Firma angerufen, dort aber nur erfahren, dass er nach dem Kenia-Projekt wie immer eine Woche Urlaub genommen hatte.
Ihm ist etwas zugestoßen, dachte sie nicht zum ersten Mal.
Was, wenn sie sich durch einen dummen Zufall verpasst hatten? Was, wenn Mark zur Villa gefahren war, sich auf einen Streit mit Kai eingelassen hatte. Was …
Unablässig drehte sich dieses sinnlose Gedankenkarusell in ihrem Kopf, ohne dass sie zu einem Ergebnis gekommen wäre. Allein, völlig auf sich gestellt, konnte sie das auch nicht. Doch an wen sollte sie sich in ihrer Lage wenden? Der einzige Mensch, der ihr einfiel, war Elfriede Kramer. Wenn zwischen Kai und Mark tatsächlich etwas vorgefallen war, dann wusste sie sicher darüber Bescheid. Aber es bedeutete ein hohes Risiko, die Haushälterin ihres Mannes anzurufen.
Lisa stöhnte gequält auf. Was sollte sie nur tun? Sie fand keine Antwort auf diese immer drängendere Frage. »Mama!« Torben zupfte Lisa am Ärmel. »Sag doch was!«
Da wandte sie endlich den Blick vom Fenster ab, schaute ihn eine Weile ratlos an, bückte sich schließlich und umarmte ihn so fest, dass er zurückschreckte.
»Mama, was hast du? Warum kommt Onkel Mark nicht?«
»Ich weiß es nicht.« Lisa atmete tief durch und straffte sich. »Aber ich werde es herausfinden!« Entschlossen griff sie nach ihrem Handy, das die ganze Zeit ausgeschaltet gewesen war. Lisa war entsetzt, als sie die vielen Sprachnachrichten entdeckte, die darauf hinterlassen worden waren. Sie sah gleich, dass diese nicht von ihrem Bruder, sondern von Kai stammten. Und sie konnte sich denken, dass es nur böse Drohungen waren. Mit zitternden Fingern löschte sie alles, ohne es anzuhören. Dann rief sie Elfriede Kramer an. Die Haushälterin erschrak, als sie Lisas Stimme hörte.
»Sie sind doch in Ulm, bei Ihrem Bruder, nicht wahr?«, fragte sie sofort. »Hier ist die Hölle los. Ihr Mann versucht alles, um Sie zu finden!«
»Ich bin noch in München«, flüsterte Lisa mehr, als sie sprach. Sie wagte es nicht einmal, in normaler Lautstärke zu sprechen, aus Angst, Kai könnte sie hören.
»Lisa, das ist nicht Ihr Ernst … Was ist denn um Himmels willen geschehen?«, entsetzte die Haushälterin sich.
Noch ehe sie antworten konnte, hörte СКАЧАТЬ