Das Anthropozän lernen und lehren. Группа авторов
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СКАЧАТЬ zum Modell des Wasserkreislaufs im Unterricht können folgende Überlegungen hilfreich sein:

      • In unteren Jahrgangstufen kann das Modell des Wasserkreislaufs zur Erklärung der prinzipiellen Annahmen über Wasser genutzt werden. Bereits hier kann auf die lokalen Erfahrungen zurückgegriffen werden, z.B. die zunehmenden Dürrejahre in unseren Breiten, flankiert mit Starkregenereignissen und anderen extremen Wetterlagen, um zu verdeutlichen, dass es sich um ein „Modell“ handelt, das einer regionalen Anpassung bedarf.

      • In höheren Jahrgangstufen kann das Modell des Wasserkreislaufs dazu dienen in Gruppen zu erarbeiten,

      • wie Wissen (z.B. in Form von Modellen) kontextgebunden entsteht und somit auch eine beschränkte Gültigkeit hat (zeitlich, örtlich).

      • welche Aspekte in dem Modell berücksichtigt und welche Erfahrungen im Umgang mit Wasser ausgeblendet werden.

      • welche sozialen Konsequenzen mit dieser Form des Wissens einhergehen, inwiefern durch Modelle und Theorien soziale Wirklichkeit geschaffen wird und z.B. soziale Ungleichheit, Machtunterschiede usw. manifestiert/verstärkt/abgebaut/... werden.

      • welche Alternativen es geben könnte, Wasser und unseren Umgang damit in einem Modell darzustellen.

      • ...

      Ein kleines Gedankenexperiment mag helfen, sowohl die zeitliche Dimension geologischer Zeiträume, als auch das Wunder frischen Trinkwassers sowie die Verbundenheit von uns Menschen mit der Welt spürbar zu machen: Wir haben oben gelernt, dass der globale Wasserkörper seit Anbeginn der Erde nahezu unverändert ist und ca. 3.200 Jahre benötigt, um einmal vollständig durch den Wasserkreislauf zu gehen. Wassermoleküle scheinen extrem persistent zu sein, d.h. es ist wahrscheinlich, dass ein großer Teil der Wassermoleküle von heute die gleichen Wassermoleküle sind wie bereits seit Anbeginn des Wassers auf unserer Erde. Zieht man den Aspekt mit ein, dass Wasser der Hauptbestandteil der Flüssigkeiten der meisten lebenden Organismen ist, kann man ferner davon ausgehen, dass jeder Wassertropfen Teil von Lebewesen gewesen ist (vgl. Fishman 2011, Maxwell & Yates 2012). Nehmen wir zum Beispiel die Dinosaurier: In den mehr als 180 Millionen Jahren ihres Bestehens als dominierende Tiergruppe auf der Erde hat der globale Wasserkörper den Wasserkreislauf mehr als 60.000 Mal durchlaufen. Damit können wir sicher sein, dass das gesamte Wasser auf der Erde im Laufe der Zeit durch mindestens ein Paar Dinosaurier-Nieren und selbstverständlich auch durch viele andere Verdauungssysteme geflossen ist. Vor dem Hintergrund dieses Gedankenexperiments könnten Sie als Lehrende mit Ihren Schüler*innen gemeinsam einen Schluck Wasser trinken, und damit reines, farbloses, durchsichtiges, geschmackloses, geruchloses recyceltes Dinosaurierpipi zu sich nehmen. Was macht das mit Ihnen? Das Zulassen des Gefühls von verschränkter Wasser-Materie und Wasser-Bedeutung könnte eine andere Art und Weise ermöglichen, unserem Sein in dieser Welt einen Sinn zu geben: nämlich Teil der Weltprozesse zu sein, anstatt sich getrennt von ihnen zu empfinden. Prosit!

      Literatur

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      Bailer-Jones, Daniela M. (2004): Realist-Sein im Blick auf naturwissenschaftliche Modelle. In: Halbig, Christoph & Christian Suhm (Hg.): Was ist wirklich? Neuere Beiträge zu philosophischen Realismusdebatten. Frankfurt/M.: ontos, 139–161.

      Barad, Karen (2007): Meeting the universe halfway. Quantum Physics and the entanglement of matter and meaning. Durham and London: Duke UP.

      Barad, Karen (2012): Agentieller Realismus. Frankfurt/M.: Suhrkamp.

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      Egner, Heike (2010): Theoretische Geographie. Darmstadt: WBG.

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      ESA European Space Agency (2011): Did Earths’s oceans come from comets? Online unter: www.esa.int/Science_Exploration/Space_Science/Herschel/Did_Earth_s_oceans_come_from_comets (abgerufen am 15.03.2020).

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      Fishman, Charles (2011): The big thirst. The secret life and turbulent future of water. New York: Free Press.

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