Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ das jeweils durch eine Geldstrafe geahndet wird (vgl. Pag. II, Z. 26–28). Vor dem Hintergrund des teilweise unklaren Rechtsstatus von Vereinigungen sind diese Regelungen auch im Sinne einer Vermeidung negativ-öffentlicher Aufmerksamkeit zu verstehen.

      Letztlich ist noch einmal dezidiert auf eine deutliche Trennung zwischen dem geselligen und dem ideellen VereinigungszweckVereinigungszweck hinzuweisen, der in besonderer Weise in den Regelungen der Finanzen der Vereinigung zum Tragen kommt. Innerhalb dieser Regelungen wird die Ausrichtung und Finanzierung der gemeinsamen MahlzeitenMahlzeiten der Vereinigung von den finanziellen Mitteln und der Ausrichtung der BestattungenBestattung unterschieden: Immer vier MitgliederMitglied sorgen für die Finanzierung und Ausstattung der sechs festgelegten Mahlzeiten (vgl. Pag. II, Z. 14–16), die Kasse der Vereinigung bleibt unangetastet. Demgegenüber werden der VereinigungskasseVereinigungskasse aber die Strafgelder zugeführt, die bei ungebührlichem Verhalten (vgl. Pag. II, Z. 25–28) bzw. beim Vernachlässigen der Sorge für die Mahlzeiten erhoben werden (vgl. Pag. II, Z. 8–10). Im weiteren Sinne tragen diese Regelungen dem Beschluss des römischen Senats Rechnung, der eine Zusammenkunft nur zur Zahlung der Beiträge zur Bestattungsvorsorge erlaubt und weiterführende Aktivitäten verbietet (vgl. Z. 10–13). Somit erfüllt der ideelle Zweck der Vereinigung die Vorschriften des Senatsbeschlusses, soweit die eingezahlten Beiträge lediglich zur Bestreitung der BestattungskostenBestattungskosten gebraucht werden. Zugleich wird dieser VereinigungszweckVereinigungszweck aber von darüber hinaus gehenden, nicht zur Zahlung des Beitrages notwendigen Treffen und Regelungen flankiert. So bleibt offen, in welcher Form das Vermögen, das der PatronPatron der Vereinigung zur Verfügung stellte, einen Einfluss auf das tägliche Leben der Vereinigung nimmt. Es kann angenommen werden, dass es zur Finanzierung der BestattungskostenBestattungskosten dient, jedoch nicht zur Ausstattung gemeinsamer Mahlzeiten herangezogen wird, da deren finanzieller Rahmen explizit im Statut geregelt ist.

      2.2.3 Soziologie der Vereinigung

      Durch die Lektüre der Inschrift ist deutlich geworden, dass die Zielgruppe der Vereinigung primär in einem Bereich zu suchen ist, der über begrenzte finanzielle Möglichkeiten verfügte, jedoch nicht als absolut arm zu beschreiben ist. Personen und Gruppen, die über ausreichende finanzielle Möglichkeiten zur Bestreitung ihres BegräbnissesBegräbnis verfügten, dürfte der Zweck der Vereinigung nur wenig bzw. gar nicht angesprochen haben.1 Grundsätzlich formuliert das Statut aber keine expliziten Eintrittsbeschränkungen, lediglich durch das geforderte EintrittsgeldEintrittsgeld und den obligatorischen monatlichen MitgliedsbeitragMitgliedsbeitrag wird die Teilhabe limitiert. Nutznießer des genuinen VereinigungszwecksVereinigungszweck sind sodann – bei regelmäßiger Entrichtung des MitgliedsbeitragesMitgliedsbeitrag – lediglich die MitgliederMitglied der Vereinigung, bzw. deren Hinterbliebenen. Der Kreis der Empfänger finanzieller Beihilfen im Todesfall ist also begrenzt und durch die Mitgliedschaft in der Vereinigung markiert. Die gebotene Hilfe ist also nicht jeder Person frei zugänglich, sondern orientiert sich an den zuvor geleisteten finanziellen Beiträgen und kann selbst im begründeten Fall verwehrt werden, wenn das Mitglied seinen Verpflichtungen eine gewisse Zeit nicht nachgekommen ist (vgl. Z. 21–23). In der Zusammenschau der Einzelaussagen wird eindrücklich deutlich, dass die Vereinigung zwar eine soziale Ausrichtung besaß und mit ihrem ideellen VereinigungszweckVereinigungszweck auf die FürsorgeFürsorge für ihre MitgliederMitglied ausgerichtet war, dass jedoch diese Form der sozialen Hilfe und Sicherung auf der Grundlage einer finanziellen Eigenleistung beruhte, die beim Ausbleiben zur Versagung jener Hilfeleistung führte. Zwar könnten auch die regelmäßigen MahlzeitenMahlzeiten als eine Art sozialer Hilfe verstanden werden, jedoch sind auch diese sekundär mit finanziellen Verpflichtungen verbunden, die eine Teilhabe absolut mittelloser Personen ausschließt und zudem aufgrund ihrer zeitlichen Anlage (sechs Mahlzeiten pro Jahr, vgl. Pag. II, Z. 11–13) auch nicht zu einer temporären Existenzsicherung dienen konnten.2

      Nur wenige Aussagen trifft das Statut über das Miteinander der MitgliederMitglied im täglichen Kontext, lediglich einige wenige spezielle Aussagen betreffs Ruhestörungen und Beleidigungen werden formuliert (vgl. Pag. II, Z. 25–28). Das Fehlen weiterer Aussagen zum Vereinigungsleben lässt sich gleichermaßen plausibilisieren wie auch problematisieren: Plausibel erscheint die Vermeidung vor dem Hintergrund, dass das Statut allgemeine Regelungen trifft und mit ihnen den organisatorischen Rahmen der Vereinigung beschreibt. Regelungen, die die sozialen Gepflogenheiten betreffen, gehören nicht in diesen Rahmen und werden auch nicht formuliert. Außerdem könnte eine große Bandbreite an Regelungen bezüglich des Sozialverhaltens der MitgliederMitglied den Umkehrschluss nahelegen, dass ihre Einführung zwangsläufig notwendig ist, um ein geordnetes Miteinander zu ermöglichen, das ohne diese Regelungen nicht möglich wäre. Eine interne Unruhe wäre der Existenz der Vereinigung wiederum nicht zuträglich, da sie dadurch als potentieller Unruheherd wahrgenommen werden könnte. Eine Problematisierung ist in Bezug auf den Selbstanspruch der Inschrift (vgl. Z. 17–19) vorzunehmen: Zwar stehen dem an der Vereinigung bzw. an einer Mitgliedschaft interessierten Leser die organisatorischen Rahmenbedingungen vor Augen, jedoch fehlt ihm ein Einblick in die gesellschaftlich-sozialen HandlungsvollzügeHandlungsvollzüge der Vereinigung, die ebenfalls zum Beitritt anregen könnten bzw. vice versa von einem Beitritt abhalten könnten. Eine Einführung in diese sowie eine Auseinandersetzung damit erfolgt also erst im Rahmen eines Beitritts.

      In Verbindung mit der heuristischen Definition3 des Konzepts diakonischen Handelns ist festzuhalten, dass sich die genannten sozial-fürsorglichen HandlungsvollzügeHandlungsvollzüge lediglich durch erbrachte Vorleistungen und nicht aufgrund einer bestimmten handlungsleitenden MotivationMotivation, die auf – im weitesten Sinne – altruistischeAltruismus Motive zurückzuführen ist, ergeben. Zugleich ist aber ein derartiges Handeln und Verhalten nicht ausgeschlossen, unterliegt aber – per definitionem und per Statut – keiner Regulierung. Für die Vereinigung in ihrer Gesamtheit legt sich aber der Schluss nahe, dass sie eher im Sinne einer Dienstleistungsvereinigung mit geselligen Momenten zu verstehen ist, die zugleich auch kultische Anteile in sich vereint. Deutlich wird dies insbesondere an den Ausführungen zum Umgang mit Schuldnern des MitgliedsbeitragesMitgliedsbeitrag (vgl. Z. 22–23): Sie haben nach sechs Monaten weder ein Anrecht auf die BestattungskostenBestattungskosten, noch auf ihre eingezahlten Beiträge. Auch eine sonstige FürsorgeFürsorge für diese Personen ist nicht vorgesehen.

      Es ist ferner anzunehmen, dass sich für MitgliederMitglied der Vereinigung auch soziale Verbindungen ergaben und persönliche Netzwerke eröffneten, die sich positiv auf die gesellschaftliche Stellung des jeweiligen Mitglieds auswirken konnten. Wie weit diese Auswirkungen reichten, entzieht sich jedoch einer Überprüfung bzw. selbst einer abgesicherten Vermutung, da keine entsprechenden Quellen verfügbar sind. Sicher ist aber Wilken zuzustimmen, der in Bezug auf die vorliegende Inschrift formuliert: „Die regelmäßigen Treffen gaben Gelegenheit zum Essen und Trinken, zur Unterhaltung und Erholung. Diese Zusammenkünfte ermöglichten nicht nur Entspannung nach der Tagesarbeit; sie verschafften auch Freunde und Genossen für gegenseitige Hilfe, eine Gelegenheit zur Anerkennung und EhreEhre; sie vermittelten gewöhnlichen Menschen ein Gefühl des eigene Wertes.“4 So kann vermutet werden, dass die Vereinigung durch ihre Ausrichtung auf eine finanzielle Absicherung im Todesfall einen Raum eröffnete, in dem die VereinigungsmitgliederVereinigungsmitglied im Leben ihrerseits sozial-fürsorglich handelten und zumindest innerhalb der Vereinigung wechselseitige AnteilnahmeAnteilnahme geübt haben. Via negationis ist der Inschrift zu entnehmen, dass es keinerlei Regelungen gab, die einem sozial-fürsorglichen Handeln zwischen den einzelnen MitgliedernMitglied entgegenstanden.5 Besonders das weitgehende Fehlen einer hierarchischen Organisation ist in diesem Zusammenhang zu würdigen. Lediglich zwei Aussagen des StatutsVereinigungsstatut weisen auf begrenzte hierarchische Strukturen hin: Einerseits das AmtAmt des QuinquennalisQuinquennalis, das in besonderer Weise gegen Verunglimpfungen geschützt ist (vgl. Pag. II, Z. 27–28). Andererseits die Regelungen für MitgliederMitglied, die ihren Platz wechseln und damit die Ordnung der VersammlungVersammlung stören (vgl. Pag II, Z. 25–26). Verbunden sind beide Regelungen mit Aussagen zu Sanktionen bei Verunglimpfungen zwischen den MitgliedernMitglied (vgl. Pag. II, Z. 26–27). Die letztgenannte Regelung ist als egalitäres Element anzusehen, das alle MitgliederMitglied wechselseitig absichert. Darüber hinaus wird СКАЧАТЬ