Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ der Plausibilitäten implizit in folgender Reihenfolge:

      1 Temporäre Plausibilität

      2 Geographische Plausibilität

      3 Situative Plausibilität

      4 Soziologische Plausibilität

      Die Durchführung dieser Untersuchung anhand ausgewählter Quellentexte ermöglicht eine Antwort auf die Frage, ob Wechselwirkungen zwischen antikem VereinigungswesenVereinigungswesen und christlichen Gemeinden nachweisbar sind. Fokussiert ist die Untersuchung in der vorliegenden Studie aber nur auf die paganen Einflüsse auf christliche Kontexte und Denkhorizonte. Weiterführend könnte die Frageperspektive auch wechselseitige Einflüsse untersuchen. Die Betrachtung der skizzierten Plausibilitäten ist als Zwischenschritt zu verstehen, der zunächst ein grundlegendes Verständnis für die konkreten Quellen eröffnen soll. Die genannten Plausibilitätskriterien helfen bei der Einschätzung der vermeintlichen Bedeutung der Quellen für die vorliegende Forschungsfrage.

      1.3 Das Konzept diakonischen Handelns – Semantisch-inhaltliche Hinweise

      Anhand von Kapitel I.3 wurde bereits deutlich, dass eine Orientierung lediglich am Lexem διακον- und seiner Derivate zu keinem umfassenden Bild dessen führt, was als „Diakonie“ verstanden werden kann, weswegen auch die Frage nach einer biblischen Begründung und MotivationMotivation christlicher „Diakonie“ erschwert wird. Die im vorangehenden Abschnitt beschriebenen vier formalen Kriterien ermöglichen eine sinnvolle Auswahl von Quellentexten, die für den Vergleich zwischen antiken Vereinigungen und frühen christlichen Gemeinden im Blick auf diakonisches Handeln gewinnbringend sind. Für die Frage nach Wechselwirkungen zwischen dem frühen Christentum und seiner Umwelt ist nun ergänzend eine heuristische Bestimmung des Konzepts diakonischen Handelns zu entfalten. Diese ermöglicht es, die Quellentexte auf Aussagen hinsichtlich ihres Bezugs auf sozial-fürsorgliches HandelnHandeln, sozial-fürsorglich – d.h. auf ein Handel, das sich in der FürsorgeFürsorge für Menschen in einem gesellschaftlichen Kontext vollzieht – hin zu untersuchen, ohne dieses Handeln zuvor auf einen bestimmten Begriff bzw. bestimmte HandlungsvollzügeHandlungsvollzüge einzugrenzen. Somit ist die Lektüre nicht allein auf eine semantische Ebene festgelegt, sondern vielmehr auf eine inhaltliche Analyse bedacht. Diese Betrachtung inhaltlicher und semantischer Aspekte trägt dem Umstand Rechnung, dass die vorliegende Studie fernerhin „Diakonie“ nicht als einen Begriff, sondern als ein Konzept versteht, dem vielfältige Handlungsbezüge zugehörig sein können.

      Für die Quellenstudie soll folgende heuristische Bestimmung des Konzepts diakonischen Handelns vorgeschlagen werden:

      Das Konzept diakonischen Handelns ist als zwischenmenschliches Geschehen zu verstehen, das im besten Falle eine wechselseitige AnteilgabeAnteilgabe und -nahmeAnteilnahme an der Nächsten bzw. am Nächsten beinhaltet.1 „Diakonie“ ist demnach primär ein Konzept, das ein sozial-fürsorgliches HandelnHandeln, sozial-fürsorglich beschreibt, dessen Movens nicht in der Erlangung eines finanziellen Vorteils besteht, der über die Kompensation der aufgewendeten Mittel hinausgeht. Es ist daher im weitesten Sinne als altruistischAltruismus in Bezug auf materielle GüterGüter bzw. finanziellen Vorteil zu bezeichnen. Diakonisches Handeln vollzieht sich jeweils im Rahmen persönlicher Möglichkeiten und ist zunächst auf kein bestimmtes Handlungsfeld begrenzt. Damit ist es unterschieden von sozialen Dienstleistungen, die auf die Erlangung eines materiellen Gewinns abzielen oder durch bestimmte Gesetzmäßigkeiten motiviert oder geboten sind.

      Heuristisch ist diese Definition aus mehreren Gründen zu nennen: Unklar bleiben konkrete Begründungs- und Motivationszusammenhänge für das Konzept diakonischen Handelns. Dieses Desiderat wird im Gespräch mit den Quellen eine Klärung erfahren und daran anschließend in Korrelation mit dem Neuen Testament für die vorliegende Fragestellung fruchtbar gemacht werden. In dieser Form jedoch kann das dargestellte Konzept ein breites Spektrum an HandlungsvollzügenHandlungsvollzüge abdecken.2 Inwieweit sich diese Spannbreite als vorteilhaft erweist, wird im weiteren Verlauf zu prüfen sein.

      Das umschriebene Konzept diakonischen Handelns ergibt sich nicht zuletzt aus den dargestellten Annäherungsversuchen an die Thematik und die Begrifflichkeit. Darin wurde durch die Darstellung der Ausführungen von Beyer, Collins und Hentschel deutlich, dass keine Konvergenz zwischen dem griechischen Lexem διακονέω und seinen Derivaten und dem vorherrschenden Verständnis des deutschen Terminus „Diakonie“ besteht. Sowohl das griechische als auch das deutsche Lexem haben unterschiedliche Zielrichtungen und inhaltliche Füllungen. Dieser Umstand problematisiert bzw. verhindert eine biblische Begründung dessen, was gemeinhin unter dem Begriff der „Diakonie“ bzw. des diakonischen Handelns verstanden wird. Insofern ist nach anderen BegründungszusammenhängenBegründungszusammenhang zu fragen, die sich nicht in einem singulären Ausdruck erschöpfen, sondern stattdessen den Konzeptcharakter diakonischen Handelns betonen. Die heuristische Begriffsbestimmung nimmt außerdem wahr, dass das Konzept diakonischen Handelns ein konsequent zwischenmenschliches Geschehen beschreibt. Sowohl in Bezug auf das griechische Lexem, das beispielsweise nach Hentschel u.a. als „BeauftragungBeauftragung“ verstanden werden kann, als auch in der Perspektive des deutschen Terminus, der damit ein sozial-fürsorgliches HandelnHandeln, sozial-fürsorglich beschrieben wissen möchte. Insoweit trägt das vorgestellte Konzept beiden Perspektiven Rechnung, ohne eine davon zu verabsolutieren, und nimmt zugleich die etymologische Bedeutung des Begriffs auf, die mit den Bedeutungsspektren „sich beeilen“, „beschäftigt sein“ und „besorgen“ einen weiten Verständnishorizont eröffnet.3

      Das Verständnis von „Diakonie“ als ein Konzept von Handlungen, das auf keinen finanziellen Vorteil bedacht ist, erfordert eine genauere Erläuterung. In drastischer Weise hatte Beyer diakonisches Handeln im Anschluss an Mk 10,45Mk 10,45 als „Vollzug eines ganzen OpfersOpfer, als Hingabe des LebensLebenshingabe“4 charakterisiert. In dieser Perspektive ist für diakonisches Handeln nicht nur kein Lohn zu erwarten, sondern vielmehr ist „Diakonie“ als ein Handeln beschrieben, das zur SelbstaufgabeSelbstaufgabe, zu einem die eigenen Kräfte übersteigenden Unterfangen wird und gleichsam einen LebenswandelLebenswandel bzw. -stil beschreibt, der mit einem niedrigen sozialen Status verbunden ist. Demgegenüber stehen die Beiträge von Collins und Hentschel, die unter der Beschreibung des griechischen Lexems mit „go-between“ und „BeauftragungBeauftragung“ einen Aspekt herausgearbeitet haben, der sich sowohl mit der Erlangung eines Gehaltes als auch mit einem höheren Status verbinden lässt und der streng genommen ebenso mit AutoritätAutorität verbunden sein könnte.

      Die hier vorgetragene Definition bewegt sich vor dem Hintergrund der drei Forschungsperspektiven in einem Zwischenraum. Allgemein plausibel ist, dass eine dauerhafte bzw. wiederholte Hinwendung zum Nächsten nur gelingen kann, wenn die eigenen Bedürfnisse bzw. der eigene Lebensunterhalt gesichert sind. Demgemäß spricht das Konzept diakonischen Handelns nicht von der Erlangung eines finanziellen Vorteils in der Ausführung einer Handlung, die diesem Konzept zuzuordnen ist, schließt aber ebenso die Erstattung der eingesetzten (finanziellen) Mittel nicht aus.5 Keine Relevanz für die Definition besitzen Leistungen, die im Anschluss an die erbrachte bzw. in Anspruch genommene „Diakonie“ zwischen den beteiligten Personen ausgetauscht werden. Durch diese Grenzziehung wird deutlich, dass sich das Konzept diakonischen Handelns zunächst nur im Rahmen persönlicher Möglichkeiten vollziehen kann, da es keinen Gewinn an Finanz- bzw. Sachmitteln verspricht. Es ist insofern auch nicht auf materielle ReziprozitätReziprozität ausgelegt. Damit ist auch die oben angesprochene Wechselseitigkeit nicht im Sinne einer ReziprozitätReziprozität zu verstehen, sondern liegt in der basalen Annahme begründet, dass sich die Hinwendung zur Nächsten bzw. zum Nächsten nur vollziehen kann, sofern ein Einverständnis zwischen der Hilfeempfängerin bzw. dem Hilfeempfänger und der Helferin bzw. dem Helfer besteht. Anders ausgedrückt muss die Hilfeempfängerin bzw. der Hilfeempfänger die Helferin bzw. den Helfer Anteil haben lassen an ihrer bzw. seiner Situation unter der Perspektive einer möglichen Veränderung dieser Situation aus der AnteilnahmeAnteilnahme ihres bzw. seines Helfenden heraus. Ein dem Konzept diakonischen СКАЧАТЬ