Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ sind viele Evangelische aber auch außerhalb der Kirche engagiert; sie sind „überdurchschnittlich oft bereit, sich sozial zu engagieren.“17 Offen bleibt, mit welcher MotivationMotivation dieses Engagement geschieht.18 Anhand der Ergebnisse wird hingegen deutlich, dass mit dem Engagement offensichtlich ein starkes Vertrauen in Institutionen, soziale Gefüge und Menschen verbunden ist, das sich positiv auf das soziale Gefüge innerhalb der Gesellschaft auswirkt. Dieses Vertrauen könnte sich unter anderem aus „religiös-normativen Motive[n] christlicher NächstenliebeNächstenliebe“19 speisen. Oder auch aus dem aktiven Engagement, das vielfältige Begegnungsmöglichkeiten schafft.

      2.3 Kritische Würdigung

      Die empirischen Annäherungen haben gezeigt, dass in Bezug auf die Evaluation der MotivationMotivation und des Selbstverständnisses von Mitarbeitenden in der Diakonie ein erheblicher Forschungsbedarf besteht. Die in Kapitel II.2.1 angeregte Studie könnte dazu beitragen, PräambelnPräambel und Leitbilder zu entwickeln, die auch orientiert sind am Verständnis derjenigen Personen, für die sie eine maßgebliche Relevanz innerhalb ihres alltäglichen Diensts besitzen. Zugleich könnte eine solche Studie ermessen, ob theologisch-theoretische Begründungszusammenhänge eine Relevanz für das Personal der Diakonie haben.

      Die V. KMU zeigte, dass von der Kirche ein soziales Engagement erwartet und auch wahrgenommen wird. Dabei wird dieses Engagement nicht nur von Seiten der Institution Kirche mit Leben gefüllt, sondern auch von ihren MitgliedernMitglied – Evangelische Christen zeigten laut der Studie meist ein großes soziales Engagement. Auch an dieser Stelle sollte weiterführend gefragt werden, welche Motivationslagen zu diesem Engagement führen. Ferner erhält das soziale Handeln der Kirche hohe Zustimmungswerte und lässt diesen Bereich kirchlichen Lebens noch vor dem vermeintlichen kirchlichen Kerngeschäft, der VerkündigungVerkündigung des Evangeliums, rangieren. Ist somit – im Hinblick auf das Engagement Evangelischer und die allgemeine Anerkennung des sozialen Handelns der evangelischen Kirche – eine entsprechende theoretisch-theologische Grundlegung überhaupt notwendig? Prägnant formuliert: Benötigt eine selbstverständliche Handlung, ein selbstverständliches und gesellschaftlich anerkanntes Verhaltensmuster eine (neue) theoretische Begründung bzw. Reflexion? Und weiterführend, soweit diese Frage zu bejahen ist: Was können bereits existierende und im Entstehen begriffene Studien zu dieser Reflexion beitragen? Weiter zu untersuchen wäre die dargestellte Diskrepanz zwischen dem großen Vertrauen in die Diakonie bei gleichzeitigem geringem Vertrauen in die Möglichkeiten der Kirche, zur Lösung sozialer Probleme beizutragen.

      Zweifelsohne wären aus der V. KMU noch vielfältige andere Erkenntnisse und Frageperspektiven zu extrahieren. Für den vorliegenden empirischen Annäherungsversuch sollen die vorgestellten Einsichten zunächst genügen. Es ist deutlich geworden, dass der „Diakonie“ eine große Bedeutung von den Befragten zugesprochen wird und sie eine Präsenz im Alltag vieler Menschen besitzt.

      3. Exegetische Wissenschaft und „Diakonie“

      Im Folgenden werden forschungsgeschichtliche Stationen in den Blick genommen, die die wissenschaftlich-theologische Arbeit am DiakoniebegriffDiakoniebegriff im 20. Jahrhundert illustrieren. Dabei sind drei Arbeiten besonders aufschlussreich. Zunächst werden die Ausführungen Hermann Wolfgang Beyers aus den 1930er Jahren dargestellt. Als zweite Station sei eine Monographie John N. Collins’ dargestellt, der seine Ausführungen unter dem Titel „Diakonia: Re-Interpreting the Ancient Sources“ vorgetragen und 1990 veröffentlicht hat. Letztlich soll Anni Hentschel mit ihrer Studie „Diakonie im Neuen Testament. Studien zur Semantik unter besonderer Berücksichtigung der Rolle von Frauen“ (2007) Beachtung finden.

      Folgende Fragen sollen die drei Darstellungen begleiten und vergleichbar machen: Zunächst verdient Beachtung, welche biblischen Perikopen zur Begründung diakonischen Handelns herangezogen werden. Deswegen ist zu fragen, ob sich die Studien nur auf eine Auswertung der Belegstellen für die neutestamentliche διακ-Wortgruppe stützen, oder ob weitere Perikopen zum Erkenntnisgewinn herangezogen werden. Sodann stellt sich die Frage, wie diakonisches Handeln nach Meinung der vorgestellten Studien zu verstehen sei. Damit verbunden ist die Frage, was das Surplus christlicher „Diakonie“ gegenüber anderweitig motiviertem Hilfehandeln ist – sofern „Diakonie“ von den Studien überhaupt als „soziales Handeln“ verstanden wird. Ist Letzteres nicht der Fall, wird darzustellen sein, was darüber hinaus bzw. dem gegenüber den Inhalt des DiakoniebegriffsDiakoniebegriff ausmacht. Neben diesen inhaltlichen Fragen werden freilich auch die leitenden Interessen und Fragen der Autorin bzw. der Autoren sowie ihr Vorgehen zu deren Klärung Beachtung finden. Alle Erkenntnisse sind je für sich kritisch zu würdigen und so für die Weiterarbeit fruchtbar zu machen.

      3.1 Hermann Wolfgang Beyer

      Bereits mehrfach wurde auf Hermann Wolfgang Beyer hingewiesen, der im Theologischen Wörterbuch zum Neuen Testament die Artikel zu διακονέω, διακονία und διάκονοςδιάκονος verfasst hat.1 Der Darstellung sei der Hinweis von Beyer vorangestellt, dass es in der griechischen Sprache wohl keinen einheitlichen DienstbegriffDienstbegriff gebe, sondern vielmehr der Dienst durch mehrere Vokabeln ausgedrückt werde, die z. T. nicht trennscharf voneinander zu unterscheiden seien, jedoch verschiedene Grundausrichtungen besitzen.2 Im Einzelnen führt Beyer folgende Beispiele an: δουλευώ, θεραπεύω, λατρεύω, λειτουργέω und ὑπηρετέω. Gegenüber allen diesen Begriffen liege der Fokus bei διακονέω auf der „ganz persönlich einem anderen erwiesenen Dienstleistung.“3 Insofern könne nach Beyer bei diesem Begriff von einer Annäherung an das Verständnis als „LiebesdienstLiebestätigkeit“ gesprochen werden.

      3.1.1 Darstellung

      3.1.1.1 Zu „διακονέω“

      Bevor Beyer auf das Neue Testament Bezug nimmt, bietet er einen Überblick über den Gebrauch des Begriffs außerhalb der biblischen Literatur. Dieser Überblick ermögliche einen Einblick in das Verständnis des Dienstbegriffs innerhalb der griechischen Kultur und des Judentums und damit in den kulturellen Horizont, innerhalb dessen sich der neutestamentliche Begriff zu verorten habe.

      Als grundlegende Erkenntnis für das Verständnis des Begriffs, der zuerst bei Herodot zu finden sei, sei die Tatsache anzusehen, dass ihm eine dezidierte inhaltliche Füllung innerhalb der Profangräzität vorausgehe, nämlich die Aufwartung bei Tisch (vgl. Aristophanes, Ach 1015ff.; Diodorus, V 28,4; Euphron, AthenAthen IX 21; Plutarch, Virtutem Doceri Posse 3 II 440c), das Kredenzen (vgl. Pseudo-Lukian, Asin 53) bzw. das Herrichten des Hochzeitsmahles (vgl. Euphron, AthenAthen IX 20; Euphron, AthenAthen VI 46; Dion Chrysostomos, Or 7, 65).1 Darüber hinaus diene er auch zur Bezeichnung für das Sorgen um den Lebensunterhalt (vgl. Sophokles, Phil. 285ff.; als Tätigkeit der Frauen in: Platon, Leg VII 805e; Plutarch, Adulat 22, II 63 d).

      Zunächst sei das Dienen, wie Beyer mit Rekurs auf Platon (vgl. Gorg 491e.492b.521a-b) festhält, in den Augen eines Griechen eine minderwertige Tätigkeit, die einem Mann unwürdig sei. Lediglich das Dienen für den Staat erfahre eine Hochachtung.2 Grundsätzlich sehe „der Grieche […] das Ziel des Menschenlebens in der vollkommenen Entfaltung der einzelnen Persönlichkeit. Von daher ist ihm der Sinn eines Diensts am Anderen verschlossen.“3 Auch der Dienst eines Staatsmannes, der ein διάκονοςδιάκονος τῆς πόλεως sei, führe nicht zu einem Dienst am Anderen, der mit Selbstaufopferung verbunden sei: „[Dieser Dienst, JQ] ist vom SelbstverständnisSelbstverständnis des Ichs als Mikrokosmos bestimmt und führt, auch wenn er gewisse Entsagungen auferlegt, nicht zu einer wirklichen Selbstentäußerung um des Anderen willen. Der Dienst wird nicht zur Hingabe, wie er nicht zu den Kräften gehört, die Himmel und Erde zusammenhalten.“4 Diese Auffassung bleibe auch bei Aristoteles und im HellenismusHellenismus bestehen (vgl. Epiktet, Diatr. III 22,69.24,65), fokussiere sich aber auf den Gedanken, dass der Weise ein Diener СКАЧАТЬ