Diakonie zwischen Vereinslokal und Herrenmahl. Jan Quenstedt
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СКАЧАТЬ (Lk 10,25–37Lk 10,25–37) sowie die WeltgerichtsredeWeltgerichtsrede in Mt 25Mt 25. Ferner wird Joh 5,5f.Joh 5,5f. als Beispiel für diakonisches Handeln herangezogen. Das Magnificat in Lk 1,46–55Lk 1,46–55 preise Gott als denjenigen, der sich der Armen annimmt. Das Summarium in Apg 2Apg 2 wird als Beleg für die „Diakonie“ der frühen Jerusalemer Gemeinde angeführt, die Wahl der ArmenpflegerArmenpfleger in Apg 6Apg 6 sei als Ersterwähnung des DiakonenamtsDiakon zu verstehen. Interessant mutet der alleinstehende Satz zum Diakonie-Verständnis bei PaulusPaulus an: „Paulus schließlich bezeichnet die Diakonie – das gegenseitige Lastentragen – als Erfüllung des Gesetzes Christi (Gal 6,2Gal 6,1–5).“ Obgleich das Umfeld von Gal 6,2 keinen Beleg aus dem διακον-Stamm bietet, wird hier eine inhaltliche Füllung des Lexems gesehen.

      Es bedarf keines besonderen Hinweises, dass die deutschsprachige Wikipedia nicht als belastbare Grundlage für eine wissenschaftliche Studie herangezogen werden kann. Jedoch darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass Wikipedia zum Informationsstandard für eine breite Öffentlichkeit geworden ist, die die Möglichkeit einer niederschwelligen Information zu dem Begriff und seiner Füllung ermöglicht.3 Für die vorliegende Studie ist dieser Eintrag deshalb interessant, weil er einen Einblick in das populäre Verständnis von Diakonie zu bieten vermag. Zugleich ist vor dem Hintergrund der Aufrufstatistik anzunehmen, dass der Eintrag im Vergleich mit den Leitbildern, PräambelnPräambel, SatzungenSatzung etc. die größte Reichweite und deswegen einen größeren Einfluss auf die öffentliche Meinungsbildung besitzt als die genannten Verlautbarungen.

      1.7 Zusammenfassung

      Der erste Annäherungsversuch hat ein vielschichtiges Bild von „Diakonie“ ergeben. Primär wird der Begriff auf soziale bzw. fürsorgliche Tätigkeiten bezogen und repräsentiert in dieser Hinsicht eine Art „Corporate Identity“, die diesen Bereich kirchlichen Lebens für eine breite Öffentlichkeit erkennbar macht. Darüber hinaus zeigt der Annäherungsversuch aber auch, dass der biblische Befund für den semantischen Ursprung des Begriffs „Diakonie“ eine Bandbreite an Tätigkeiten und Handlungen mit dem Lexem διακονέω κτλ. verbindet. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Fokussierung des deutschen Begriffs der „Diakonie“ auf den Bereich des sozialen Handelns, wie sie u.a. im Duden durchgeführt wird, als Engführung.1 Allerdings ist diese Fokussierung als ein Resultat von historischen Entwicklungen und Gegebenheiten, also als ein Abbild einer gewachsenen Realität zu verstehen. Damit stellt sich aber die Frage nach dem innovativen Potenzial der Diakonie, wie sie gleich noch auszuführen ist.

      Wahrzunehmen war ein weitgehender Verzicht auf explizite biblische Bezüge und Belege in den Verlautbarungen diakonischer WerkeDiakonische Werke und Verbände. Dieser Verzicht bedeutet aus exegetischer Perspektive in letzter Konsequenz eine permanente hermeneutische Aufgabe, durch die jeweils neu von den Adressatinnen und Adressaten der jeweiligen Verlautbarung der biblische Befund zu erinnern und in praktische Vollzüge einfließen zu lassen ist. Diese Aufgabe besteht in der Beantwortung der Frage: In welchem Verhältnis steht die allgemeine Rede von der Orientierung des Handelns an der Bibel zur konkreten Betrachtung der sog. diakonischen GroßtexteGroßtexte, diakonische? Welcher hemeneutische Schlüssel qualifiziert eine biblische Perikope vor einer anderen einen Beitrag zum Verständnis von „Diakonie“ zu leisten? Mit diesen Fragen korreliert die Feststellung, dass zwischen der diakoniewissenschaftlichen Forschung und den Verlautbarungen diakonischer WerkeDiakonische Werke und Verbände so gut wie keine expliziten Verbindungen erkennbar sind. Die Formulierung von LeitbildernLeitbild u.ä. vollzieht sich in dieser Hinsicht weitgehend ohne Bezug zum gegenwärtigen Forschungsstand.2 Damit stellt sich aber auch die Frage, ob sich die Diakonie als eine innovative Organisation versteht, die ihre eigenen hermeneutischen Grundlagen reflektiert und aufzeigt.

      Insgesamt ist deutlich geworden, dass es sich bei „Diakonie“ um ein komplexes Phänomen handelt, dass die Fachwissenschaft ebenso beschäftigt wie gesellschaftliche und kulturelle Diskurse. Vor diesem Hintergrund bietet sich für das Phänomen eine multiperspektivische Annäherung an, wie sie hier exemplarisch durchgeführt wird. Diese Exemplarizität verweist darauf, dass nicht alle mit dem Phänomen verbundenen Aspekte abschließend benannt sind – zu denken wäre u.a. an die ökonomische Dimension des Begriffes3, die historische Entwicklung diakonischer WerkeDiakonische Werke und Verbände oder an den Einfluss einer christlichen Kultur des Helfens auf sozialstaatliche Gesetzgebungen.4 Jedoch bieten die hier aufgeführten Aspekte die notwendige Grundlage für die weiterführende Auseinandersetzung mit einem Konzept diakonischen Handelns, wie sie in Abschnitt II durchgeführt wird.

      2. Empirische Wissenschaft und „Diakonie“

      Als ein weiterer Versuch der Annäherung an das Verständnis und die Gestalt von „Diakonie“ erscheint eine Darstellung empirischer Studien gewinnbringend, die einen Einblick in das SelbstverständnisSelbstverständnis von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern diakonischer Einrichtungen bieten.1 Möglich ist eine solche empirische Annäherung an das Themenfeld anhand der aktuellen V. KirchenmitgliedschaftsuntersuchungKirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD (V. KMU), die in einem allgemeineren Fragezusammenhang das sozial-fürsorgliche Handeln von Kirche thematisiert. Zugleich bietet sie eine Außenperspektive, da es sich bei den Befragten nicht um Mitarbeitende der Diakonie handelt.

      2.1 Problemanzeige: Das Selbstverständnis „diakonisch“ Handelnder

      Die bisherigen Darstellungen haben gezeigt, dass die Verwendung des DiakoniebegriffsDiakoniebegriff nicht einheitlich ist und empirisch zuweilen sogar eine gewisse Sprachlosigkeit hinsichtlich des Verständnisses von „Diakonie“ festzustellen ist.1 Leitbilder und PräambelnPräambel diakonischer WerkeDiakonische Werke und Verbände versuchen Abhilfe zu schaffen und Verstehenshilfen und Zielvorgaben in Bezug auf die Begrifflichkeit zu formulieren, deren Umsetzung und Erfolg jedoch nur schwer zu evaluieren ist. So wäre für den diakoniewissenschaftlichen Diskurs eine Studie sinnvoll, die die Motivationslagen und das SelbstverständnisSelbstverständnis von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern reflektiert und hinterfragt.2 Mit dieser Studie wäre die Möglichkeit gegeben, den Begriff und das Geschehen der „Diakonie“ einer multiperspektivischen Betrachtung zu unterziehen: Einmal aus Sicht der Leitungsebene, die konkrete Vorgaben und Maßstäbe ausarbeitet (in der vorliegenden Studie durchgeführt anhand von LeitbildernLeitbild und PräambelnPräambel). Sodann kann die Sicht der Mitarbeitenden in den Blick kommen, die sich in ihrer täglichen Praxis idealerweise an den Vorgaben der Leitbilder und PräambelnPräambel orientieren. Und letztlich kann „Diakonie“ aus der Sicht der Personen beleuchtet werden, die mit einer bestimmten ErwartungshaltungErwartungshaltung „Diakonie“ in Anspruch nehmen.3 Die Notwendigkeit einer solchen Studie wurde neuerdings auch im Anschluss an das Forschungsprojekt „Merkmale diakonischer Unternehmenskultur in einer pluralen Gesellschaft“4 formuliert.5 Bei einer solchen Studie „wäre es interessant, den Zusammenhang von LeitbildernLeitbild und anderen verschriftlichten Normen in den Einrichtungen mit der wahrgenommenen Unternehmenskultur zu untersuchen. Also das Wechselspiel von Präskription und Deskription.“6 Im Anschluss an dieses Desiderat zeigt der folgende Fragenkatalog auf, welche Perspektiven die Studie aufgreifen könnte:

       Was verstehen die Mitarbeitenden der Diakonie unter dem Begriff der „Diakonie“?

       Welche Bedeutung besitzen die Ansprüche aus Vorgaben und LeitbildernLeitbild für das SelbstverständnisSelbstverständnis der Mitarbeitenden und ihrer täglichen Arbeit?

       Zu welchem Grad identifizieren sich die Mitarbeitenden mit den Zielen, Ansprüchen und Grundlagen der Leitbilder und PräambelnPräambel?

       Welche MotivationslageMotivationslage führt zu einer Tätigkeit im sozialen Sektor? Könnten z.B. die Ausführungen Beyers die Bedeutung des Aspekts der LebenshingabeLebenshingabe bzw. der Ausführung eines ganzen OpfersOpfer hervorheben?7 Oder ist der Gegenpol plausibler: Ist die Tätigkeit im sozialen Sektor mit einer extrinsischen MotivationMotivation zu verbinden, durch die sich СКАЧАТЬ