George Best. Dietrich Schulze-Marmeling
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Название: George Best

Автор: Dietrich Schulze-Marmeling

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

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isbn: 9783730701904

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СКАЧАТЬ gets the Blues

      Das mehrheitlich protestantische Belfast ist in den 1950ern und frühen 1960ern ein dröger Ort. Besonders an einem Sonntag. Der starke Einfluss der Evangelikalen sorgt dafür, dass sogar die Kinderspielplätze geschlossen bleiben. 1964 beschließt das Education Commitee zwar zunächst ihre Öffnung, aber die von Unionisten/Protestanten gestellte Stadtregierung verhindert dies. Selbst die nordirische Tourismusbehörde Northern Ireland Tourist Board (NITB) befürchtet nun, dass Belfasts evangelikal-fundamentalistisches Image potenzielle Besucher abschreckt. In East Belfast leidet die Freizeitgestaltung zudem unter der freudlosen Mentalität der Werft- und Hafenarbeiter, die eine exklusiv männliche, durch Härte gegenüber sich selbst geprägte Kultur geschaffen haben, in der für Vergnügen kaum Platz ist.

      Trotzdem bekommt auch Belfast etwas von den Swinging Sixties ab – zumindest Teile der Stadt. Während des Zweiten Weltkriegs waren über 100.000 GIs in Nordirland stationiert, und ungefähr 1.800 nordirische Frauen heirateten einen amerikanischen Soldaten. Mit den GIs kam auch der Blues nach Belfast. In Belfast und Umgebung waren viele US-Soldaten schwarze Marines, die ihre Blues-LPs zu den Pfandleihern trugen. Auch nach Kriegsende blieben einige von ihnen in Belfast stationiert. In den 1960ern konnte man auf dem Smithfield Market eine Fülle von Blues-Alben erwerben oder für einen Shilling ausleihen. Darunter auch solche, die in Großbritannien normalerweise nicht erhältlich waren.

      Anfang der 1960er entwickelt sich in Belfast eine starke Rhythm-and-Blues-Szene. Ihr Anführer war George Ivan Morrison, kurz: Van Morrison. Er stammt aus Ballymacarret im Osten Belfasts, gut einen Kilometer Luftlinie von Cregagh entfernt. Best erinnerte sich im Jahr 2001: „Unsere Familien kannten sich. Aber ich habe ihn erst viel später getroffen. Heute kenne ich ihn ganz gut. Ich versuche, alle seine Konzerte zu besuchen.“

      Van Morrisons erste Band heißt The Monarchs. Man spielt u.a. in katholischen Gemeindehäusern und Hallen des Oranier Ordens. Bei den Oraniern müssen die Musiker vertraglich zusichern, dass alle Bandmitglieder Protestanten sind. Bald schießen überall in der Stadt R&B-Klubs aus dem Boden. Gerry McAvoy, damals Bassist der Band Deep Joy: „Van Morrison löste in Belfast einen Run auf R&B aus, er hatte enormen Einfluss auf jeden, der ihm nachfolgte. Ich schätze, seine Wirkung für den R&B war dort die gleiche wie die der Beatles für den Mersey Sound in Liverpool.“

      Zentrum der lokalen R&B-Szene ist das Maritime Hotel am College Square North im Stadtzentrum Belfasts. Was für Liverpool der Cavern Club ist, das ist für Belfast das Maritime Hotel. Das ehemalige spartanische Seefahrer-Hostel wird vor allem durch die Auftritte Van Morrisons mit seiner 1964 gegründeten Gruppe Them berühmt.

      Auch Musiker aus der Republik zieht es nach Belfast. Denn musikalisch ist der Norden dem Süden weit voraus. McAvoy: „Im Süden konnte man nur spielen, wenn das Programm aus Top-40-Songs bestand, da man alles mit Argwohn betrachtete, was zu sehr nach Rock oder Blues klang. Denn darin ging es nach Meinung der Iren nur um Sex und Drogen.“ So dominieren zunächst die in braven Uniformen auftretenden Showbands oder Dancebands, in denen auch der junge Gitarrenvirtuose Rory Gallagher eine Weile spielt. Gallagher ist dann einer der Ersten, der musikalisch und kleidungsmäßig aus diesem Muster ausbricht.

      1966 gründet er im südirischen Cork die Band The Taste, die bald in ganz Irland bekannt ist. Gerry McAvoy, der 20 Jahre lang mit Gallagher zusammengearbeitet hat: „Dieser Erfolg und seine neu entdeckte Liebe zum Blues brachten Rory zu der Entscheidung, er sei in Belfast besser aufgehoben als in Cork, um von der hier blühenden R&B-Szene zu profitieren. Eine weitere Überlegung war, dass man von Belfast aus viel leichter als von Cork aus nach England kam.“

      Denn irgendwie orientierten sich alle nach England – ob Fußballer oder Musiker, ob Protestant aus dem Norden (wie Best) oder Katholik aus dem Süden (wie Gallagher). Die Jugend will aus den Zwangsjacken ausbrechen, die ihr der nordirische Protestantismus und der südirische Katholizismus angezogen haben.

      1966 treten Gallagher und Taste erstmals in Belfast auf. Die Band wird nun zum festen Bestandteil des Angebots im Maritime Hotel. Im Vorprogramm spielt Gerry McAvoys Deep Joy, die auch bei Konzerten von John Mayall und Jethro Tull einheizt. McAvoy: „Es war die ganze Atmosphäre rund um die Belfaster Blues-Szene, die den jungen Rory Gallagher aus seiner Heimatstadt Cork tief im Süden nach Nordirland lockte.“ Gallagher widmet später dem Maritime Hotel ein eigenes Stück („Maritime“); die rein instrumentale Nummer ist u.a. auf seinem legendären Live-Album „Irish Tour“ zu hören.

      Spaß nur bei den Katholiken

      In Belfast findet die Party vornehmlich in den katholischen Gegenden statt. Der spätere IRA-Pressesprecher (und heutige Journalist) Gerry O’Hare gehörte einer Céili-Gruppe an, die einmal den Background für ein Van-Morrison-Konzert in der Queen’s University liefert.1 O’Hare war begeistert von Morrisons Album „Astral Weeks“, eine bis dahin unbekannte Mischung von Folk, Blues und Jazz, die 1968 erscheint und 2009 in einer vom Musikmagazin „Hot Press“ unter Fachjournalisten veranstalteten Umfrage zum besten Werk eines irischen Musikers gewählt wird. O’Hare: „Wir hatten niemals zuvor derartige Musik gehört, gespielt von jemandem, der aus East Belfast kam, und mit einem kompletten Orchester hinter sich. In Belfast interessierten sich Republikaner meiner Generation für jede Form von Musik. Wenn Tanzmusik gespielt wurde, waren wir da, während Protestanten nicht einmal zum Céili gingen, das für sie ein katholisches Ding war. Uns störte das nicht. Ich denke, wir waren ihnen stets einen Schritt voraus. Wir hatten mehr Spaß.“

      Eamonn McCann, der prominente Sozialist und Journalist aus Derry, hat ähnliche Erinnerungen: „Als ich ein Teenager war, schienen mir junge Katholiken mehr auf Rock ’n’ Roll zu stehen. Sie waren weltoffener. Protestanten mögen auf Katholiken sozial, politisch und wirtschaftlich heruntergeschaut haben. Ich glaube, dass Katholiken kulturell auf sie herunterschauten. Es ist eine Verallgemeinerung und klingt etwas unfair, aber Katholiken hatten mit Sicherheit den Eindruck, dass Protestanten ein bisschen tonlos waren und keine Melodie besaßen.“

      Im protestantischen Belfast finden die Swinging Sixties kaum statt, auch wenn es Musiker wie Van Morrison stellt, der allerdings zum Zeitpunkt von „Astral Weeks“ bereits in den USA lebt. Vielleicht typisch für Belfast, das zu dieser Zeit noch so stark protestantisch geprägt ist, dass es in einer Chronik der nordirischen Metropole über die Swinging Sixties heißt: „Belfasts symbolischster Beitrag zu dieser hedonistischen Dekade war George Best, der aber das Etikett ‚der fünfte Beatle‘ erst erwarb, nachdem er die Siedlung in Cregagh für die Nachtklubs und Fußballfelder von Manchester verlassen hatte.“

      Eine Generation und ihre (individualistische) Kultur

      In Manchester korrespondiert Bests Fußballkarriere mit einem gesellschaftlichen Aufbruch auf der britischen Insel. Rückblickend spricht man von Großbritanniens „goldenem Zeitalter“. Viele europäische Gesellschaften werden in den 1960ern und frühen 1970ern von Um­brüchen erfasst, aber auf der britischen Insel beginnen sie schon Ende der 1950er und somit fünf bis zehn Jahre früher. Es ist zunächst eine kulturelle Bewegung, die dann aber auch sozialgeschichtliche Veränderungen bewirkt.

      Im Nachkriegs-Großbritannien boomt die Wirtschaft, es werden Arbeitskräfte benötigt, und die soziale Mobilität ist so groß wie nie zuvor. Zum ersten Mal öffnen sich die Tore der höheren akademischen Institutionen auch jungen Menschen aus der Arbeiterschaft. Dies füttert den Glauben, dass man mit Talent und Entschlossenheit die Klassengrenzen durchbrechen kann. George Best wird nicht nur der Enge der Arbeiterklasse, sondern auch des religiösen Sektierertums seiner Heimat entkommen. Hierfür gibt es kaum einen besseren Platz als Manchester, das sich immer schon durch ein hohes Maß an religiöser Toleranz und einen gewissen Hang zur Rebellion auszeichnete.

      Der zunehmende Wohlstand äußert sich in einer Konsumkultur, die, so der Großbritannien-Experte Thomas Mergel, „erstmals bis weit in die Arbeiterklasse reichte und nun auch СКАЧАТЬ