Название: Das letzte Mahl
Автор: Harald Schneider
Издательство: Автор
Жанр: Триллеры
isbn: 9783839267844
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»Das stimmt«, entgegnete ich, »bei Kartoffel-Kuhn in Frankenthal. Die vertreiben die Grumbeeren aber selbst. Ist das so etwas wie ein Konkurrent zum Pfalzmarkt?«
Die Dame legte ihr zorniges Gesicht ab und lächelte. »Sie haben nicht wirklich viel Ahnung von der Branche, stimmt’s? Kartoffeln und Zwiebeln werden schon immer getrennt vermarktet. Im Pfalzmarkt gibt es sonst alles, nur eben keine Grumbeeren und keine Zwiebeln. Das hat irgendwelche historischen Gründe, so genau weiß ich das auch nicht. Ich bin schließlich Landwirtin und keine Historikerin.«
»Und warum waren wir verabredet?« Ich war inzwischen sehr neugierig geworden, außerdem war ich heiß auf ein Bier und eine Bratwurst.
»Sagen Sie mal, haben Sie mein E-Mail tatsächlich nicht gelesen? Kann bei einer so wichtigen Behörde wie bei Ihnen so etwas untergehen?« Sie sah mich zweifelnd an.
Ich tat erschrocken. »E-Mail? Das muss bestimmt mein Kollege verpennt haben. Sie müssen wissen, dass wir gerade unsere EDV neu aufsetzen, was wegen der Datenschutzbestimmungen alles andere als einfach ist. Außerdem sind wir arbeitsmäßig zurzeit sehr überlastet. Manchmal weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht. Und zu allem Überdruss verlangte mein Chef heute von mir, dass ich ihn auf diese Veranstaltung begleite. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich hier soll.«
»EDV.« Sie schüttelte den Kopf. »Genauso stelle ich mir eine Beamtenstube vor. EDV, diesen Begriff habe ich das letzte Mal in meiner Jugend gehört.«
»Die IT meinte ich«, verbesserte ich und fragte zwecks Ablenkungsmanöver: »Wer sind Sie eigentlich? Sollte ich Sie kennen?«
»Wir sind uns bisher noch nicht begegnet, Herr Palzki. Mein Name ist Heidelinde Rustik. Ich bin Landwirtin und eines der Genossenschaftsmitglieder des Pfalzmarkts. Mir haben Sie es zu verdanken, dass Sie Herr Diefenbach zu der Eröffnungsfeier mitgenommen hat.«
»Ihnen?«, fragte ich erstaunt. »Kennen Sie KPD, äh, Herrn Diefenbach?«
»Ich habe ihn noch nie gesehen. Im Vorstandsbüro von Herrn Friedrich habe ich zufällig mitbekommen, dass der Dienststellenleiter der Schifferstadter Polizei eingeladen wurde. Zu Hause berichtete ich meiner Tochter Sonja davon, und die hatte die entscheidende Idee. Sie liest in ihrer Freizeit gerne Kriminalromane, insbesondere die, die in unserer Region spielen. Daher machte sie den Vorschlag, Sie einzuladen, Herr Palzki.«
»Und warum das Ganze?«
»Weil Sie mir ein fähiger Beamter zu sein scheinen. Anders als Ihr Chef. Ich weiß das natürlich nur von meiner Tochter. Da die Einladungen zu der Feier bereits verschickt waren, suchte ich im Internet die Kontaktdaten von Herrn Diefenbach heraus und ersuchte ihn möglichst förmlich, Sie mitzubringen. Kann sein, dass ich mich dabei ein wenig zu weit aus dem Fenster gelehnt habe, aber der Vorstand des Pfalzmarkts muss ja nicht alles wissen. Ich hoffe, dass Sie mich nicht verraten, Herr Palzki.«
Nun wusste ich zwar, warum mich KPD mitgeschleppt hatte, der eigentliche Grund war immer noch rätselhaft. Ich vermutete, dass es mal wieder war wie so häufig: Ein Leser, in diesem Fall eine Leserin, konnte Fiktion und Realität nicht auseinanderhalten. Zugegeben, seit Dietmar Becker in seinen Pseudokrimis immer mehr lebende reale Personen auftreten ließ und die Handlungsorte überaus realistisch beschrieb, war die Unterscheidung nicht immer ganz einfach. »Sie wollen mich in meiner Eigenschaft als Polizeibeamter sprechen? Warum haben Sie sich nicht einfach direkt gemeldet? Wir haben unsere Dienststelle täglich geöffnet, für dringende Fälle auch am Wochenende.«
Sie druckste ein wenig herum. »Ich will nicht, dass das an die Öffentlichkeit kommt. Vielleicht ist ja nichts an der Geschichte dran, und ich mache mir umsonst diese schrecklichen Gedanken. Ich will ja niemandem unrecht tun.«
»Sie können sich auch jederzeit vertraulich an die Polizei wenden.«
»Das möchte ich aber im Moment nicht. Es ist eine Art Interessenskonflikt, verstehen Sie?«
»Hat es mit dem Pfalzmarkt zu tun?«
Sie hob kurz die Schultern. »Ich weiß nicht, es könnte schon sein.«
»Einen kleinen Moment bitte.« Hinter ihr sah ich, dass niemand am benachbarten Bierstand wartete. Da ich sowieso über die Lage nachdenken musste, nutzte ich die kurze Auszeit, um mir ein Bier zu besorgen.
»Dürfen Sie im Dienst Alkohol trinken?«, fragte Heidelinde Rustik, als ich wieder zu ihr zurückkam.
»Ich hoffe, Sie verraten mich nicht«, entgegnete ich. »Aber jetzt sagen Sie endlich, was Sie konkret von mir wollen.«
»Sie könnten meiner Vermutung nachgehen. Inkognito, meine ich. Ohne dass es Ihr Chef oder sonst wer erfährt.«
»Liebe Frau Rustik, ich bin Polizeibeamter, kein Privatdetektiv.«
Sie ließ nicht locker. »Meine Tochter sagte mir, dass Sie regelmäßig mit dem Autor Dietmar Becker zusammenarbeiten.«
Damit war mein Verdacht endgültig bestätigt. Ich seufzte theatralisch, bevor ich antwortete. »Die Bücher von diesem Becker sind erfunden, gute Frau! Roman, Fiktion, Belletristik oder was weiß ich.«
»Aber Sie spielen doch selbst mit, Herr Palzki. Sonja hat mir ein paar Passagen vorgelesen, das klingt für mich absolut realistisch.«
»Ist es aber nicht«, unterbrach ich sie barsch. »Ich darf behördliche Ermittlungen nur aufnehmen, wenn Sie Ihren Verdacht offiziell zu Protokoll geben. Alles andere sind üble Fantasien eines Möchtegernschriftstellers.«
Sie sah mich herausfordernd an. »Eine andere Möglichkeit gibt es nicht? Ich kann Ihnen als kleines Dankeschön ein paar Kisten unseres leckeren Gemüses anbieten. Oder wie wäre es ein Jahr lang mit einer wöchentlichen Lieferung der saisonalen Kostbarkeiten unserer Felder frei Haus? Bei solch einem Angebot kann niemand widerstehen.«
Während sich meine Stimmbänder schockartig verkrampften und ich nach Luft schnappte, kam unerwartete Rettung.
»Da sind Sie ja, Palzki!«, dröhnte es basslastig von hinten. KPD hatte mich gefunden. »Der Pfalzmarkt ist bei mir unten durch, hier herrscht eine völlig chaotische Organisation. Stellen Sie sich einmal vor, die haben glatt vergessen, mir einen Ehrenplatz in vorderster Reihe zu reservieren. Und dann haben sie mich sogar von der Bühne herunterkomplimentiert. Auf übelste Art und Weise!« KPD steigerte sich in seinen Wahn hinein.
Ich hatte einen Einfall. Mit einer Hand winkte ich Frau Rustik näher, mit der anderen wischte ich vor KPDs Gesicht herum, sodass dieser sichtlich irritiert verstummte.
»Was soll das, Palzki? Sind Sie noch bei Sinnen? Ich werde …«
»Halt!«, schrie ich, bevor er sich weiter hineinsteigern konnte. »Ich habe eine wichtige Information für Sie als wichtige Person.«
So einfach konnte man meinen Chef neugierig machen. Er war ja so berechenbar.
»Eine wichtige Info?« KPD schaute mich scharf an. »Da bin ich aber mal sehr gespannt. Hat Ihnen der Aufsichtsratsvorsitzende informelle Geschäftsgeheimnisse anvertraut? Mich hat er ja abblitzen lassen. Das empfinde ich als Kampfansage, jetzt geht es um die Wurst!«
»Jetzt spielen Sie mal nicht die beleidigte Leberwurst, Herr Diefenbach. Wir befinden СКАЧАТЬ