Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 220

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

isbn:

СКАЧАТЬ wuss­te, wenn er ihr eine Ge­schich­te er­zähl­te.

      »Höre mich, Kind; man muss mit Klug­heit han­deln. Man darf nichts über­stür­zen. Such mit Dei­nem Man­ne aus­zu­kom­men, bis wir einen Ent­schluss ge­fasst ha­ben … Willst Du mir das ver­spre­chen?«

      »Ich ver­spre­che es Dir«, mur­mel­te sie, »aber wenn ich ge­sund bin, blei­be ich nicht län­ger hier. Wo ist Ro­sa­lie jetzt?« füg­te sie dann lei­ser hin­zu.

      »Du wirst sie nicht wie­der­se­hen«, ant­wor­te­te der Baron. Aber sie gab nicht nach.

      »Wo ist sie; ich will es wis­sen?«

      Da teil­te er ihr mit, dass sie zwar das Haus noch nicht ver­las­sen habe, dass dies aber in al­ler­nächs­ter Zeit ge­sche­hen wür­de.

      Nach­dem der Baron das Zim­mer ver­las­sen hat­te, such­te er, noch glü­hend vor Zorn und in sei­nem Va­ter­her­zen aufs tiefs­te ge­kränkt, so­fort Ju­li­us auf.

      »Ich kom­me, mein Herr«, sag­te er schroff, »um Re­chen­schaft we­gen Ihres Ver­hal­tens ge­gen­über mei­ner Toch­ter zu ver­lan­gen. Sie ha­ben sie mit ih­rer Kam­mer­zo­fe hin­ter­gan­gen. Das ist dop­pelt un­wür­dig.«

      Aber Ju­li­us spiel­te den Ge­kränk­ten. Er leug­ne­te al­les hef­tig ab, be­teu­er­te sei­ne Un­schuld und rief Gott zum Zeu­gen an. Was hat­te man denn für Be­wei­se? War Jo­han­na wirk­lich ganz bei Sin­nen? Hat­te sie nicht so­eben eine Ge­hirn-Ent­zün­dung hin­ter sich? War sie nicht beim Be­ginn ih­rer Krank­heit da­mals nachts in ei­nem Fie­ber­an­fall in den Schnee her­aus­ge­lau­fen? Und war es nicht in die­sem An­fall ge­ra­de, als sie halb­nackt durchs Haus lief und da­bei ihre Zofe im Bet­te ih­res Gat­ten ge­se­hen ha­ben woll­te?

      Er wur­de im­mer hef­ti­ger und droh­te mit ei­ner Kla­ge. Er re­de­te sich voll­stän­dig in den Zorn hin­ein. Und der Baron wur­de ganz ver­wirrt; er fing an sich zu ent­schul­di­gen, bat um Ver­zei­hung und bot schliess­lich Ju­li­us die Hand zur Ver­söh­nung, die Je­ner aber aus­schlug.

      Als Jo­han­na die Ant­wort ih­res Gat­ten er­fuhr, reg­te sie sich kei­nes­wegs auf.

      »Er lügt, Papa«, sag­te sie ein­fach, »aber wir wer­den ihn schliess­lich doch über­füh­ren.«

      Zwei Tage lang war sie schweig­sam und dach­te meis­tens still vor sich hin.

      Dann am drit­ten Tage ver­lang­te sie Ro­sa­lie zu se­hen. Der Baron woll­te das Mäd­chen nicht her­auf­ho­len las­sen; sie sei ab­ge­reist, be­haup­te­te er. Aber Jo­han­na gab nicht nach:

      »Man soll sie von zu Hau­se ho­len«, ver­lang­te sie stets aufs Neue.

      Und als der Dok­tor ein­trat, war sie be­reits sehr auf­ge­regt. Man sag­te ihm, worum es sich hand­le. Jo­han­na, an der Gren­ze ih­rer Fas­sungs­kraft an­ge­langt, fing plötz­lich hef­tig zu wei­nen an und rief im­mer wie­der: »Ro­sa­lie soll kom­men; ich will Ro­sa­lie se­hen.«

      Da nahm der Arzt sie bei der Hand und sag­te lei­se:

      »Be­ru­hi­gen Sie sich, Ma­da­me; jede Ge­müts­be­we­gung könn­te von ernst­li­chen Fol­gen sein. Sie tra­gen ein Kind un­term Her­zen.«

      Sie war sprach­los, wie vom Schla­ge ge­trof­fen; es schi­en ihr, als spü­re sie, dass sich et­was un­ter ih­rem Her­zen rege. So blieb sie schweig­sam, in Ge­dan­ken ver­sun­ken, ohne dar­auf zu hö­ren was die an­de­ren sag­ten. Sie konn­te die gan­ze Nacht nicht schla­fen, fort­wäh­rend von der neu­en Vor­stel­lung wach ge­hal­ten, dass un­ter ih­rem Her­zen ein Kind lebe. Es be­rühr­te sie pein­lich, dass es ein Kind von Ju­li­us sei; sie war be­un­ru­higt bei dem Ge­dan­ken, dass es ihm glei­chen möch­te. Am nächs­ten Tage ließ sie den Baron ru­fen.

      »Pa­pa­chen, mein Ent­schluss ist ge­fasst; ich will al­les wis­sen, jetzt ge­ra­de erst recht. Ich will, hörst Du? Du weißt, dass man mir in mei­nem jet­zi­gen Zu­stan­de nicht wi­der­spre­chen darf. Höre also. Du musst zum Pfar­rer ge­hen. Ich brau­che ihn, da­mit er Ro­sa­lie vom Lü­gen ab­hält. Dann, so­bald er hier ist, lässt Du sie her­auf­kom­men und bleibst mit Mama zu­ge­gen. Sor­ge nur vor al­lem, dass Ju­li­us kei­nen Ver­dacht schöpft.«

      Eine Stun­de spä­ter trat der Pries­ter ein; er war noch stär­ker wie frü­her ge­wor­den und keuch­te eben­so wie die Baro­nin. Sein Leib hing noch tiefer her­un­ter.

      »Nun, Frau Baro­nin,« be­gann er scher­zend, wäh­rend er sich ge­wohn­heits­mäs­sig mit dem bunt­kar­rier­ten Ta­schen­tu­che wisch­te, »ich glau­be, wir sind bei­de nicht ma­ge­rer ge­wor­den. Wir wür­den ein hüb­sches Paar ab­ge­ben.« Dann wand­te er sich dem Kran­ken­bet­te zu. »Nun, was höre ich, mei­ne jun­ge Dame? Wir wer­den bald wie­der tau­fen? Ha, ha, ha! aber dies­mal kei­ne Bar­ke. Es wird ein Va­ter­lands­ver­tei­di­ger wer­den,« füg­te er erns­ter hin­zu, »wenn es nicht eine gute Haus­frau wird, wie Sie, Ma­da­me« sag­te er mit ei­ner Ver­beu­gung ge­gen die Baro­nin.

      In die­sem Au­gen­blick wur­de die Tür auf­ge­ris­sen und Ro­sa­lie er­schi­en auf der Schwel­le. Sie war ganz aus­ser sich, schluchz­te, wei­ger­te sich ein­zu­tre­ten und klam­mer­te sich krampf­haft an die Klin­ke fest. Der Baron ver­lor die Ge­duld und stiess sie mit ei­nem kräf­ti­gen Ruck ins Zim­mer. Sie be­deck­te das Ge­sicht mit den Hän­den und blieb heu­lend ste­hen.

      So­bald Jo­han­na sie be­merk­te, rich­te­te sie sich auf und sass da, blei­cher als die Kis­sen, in de­nen sie ruh­te. Ihr Herz klopf­te so hef­tig, dass die Spit­zen ih­res Hem­des auf- und ab­wog­ten. Sie konn­te kaum at­men und rang krampf­haft nach Luft. End­lich sprach sie mit hal­b­er­stick­ter Stim­me: »Ich … ich … hät­te nicht … nö­tig … Dich zu fra­gen. Es … war für mich … ge­nug …, Dei­ne … Dei­ne Schmach … mit ei­ge­nen Au­gen … zu se­hen.«

      Nach ei­ner Pau­se, in der sie wie­der Atem schöpf­te, be­gann sie aber­mals: »Aber ich will al­les wis­sen … Al­les … ganz ge­nau, Ich habe den Herrn Pfar­rer ge­be­ten; es soll eine Art Beich­te sein, ver­stehst Du.«

      Ro­sa­lie stand re­gungs­los da und stiess nur hin und wie­der eine Art Schrei zwi­schen den krampf­haft ge­schlos­se­nen Hän­den her­vor.

      Der Baron, von Zorn über­mannt, fass­te sie bei den Ar­men, riss ihr die Hän­de vom Ge­sicht und zwäng­te sie vor dem Bett auf die Knie.

      »Sprich jetzt …« schrie er, »ant­wor­te!« Sie blieb am Bo­den mit der Hal­tung ei­ner Mag­da­le­ne, ihre Müt­ze war ganz schief ge­rückt, die Schür­ze be­deck­te den Bo­den. Mit den Hän­den ver­barg sie aber­mals das Ge­sicht.

      »Nun, mei­ne Toch­ter,« be­gann jetzt der Pries­ter, »höre, was man Dir sagt und gib Ant­wort. Wir wol­len Dir nichts Übles zu­fü­gen, aber wir wol­len wis­sen, was sich zu­ge­tra­gen hat.«

      Jo­han­na СКАЧАТЬ