Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Читать онлайн книгу Guy de Maupassant – Gesammelte Werke - Guy de Maupassant страница 219

Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ sie wehr­te sich ver­zwei­felt, ball­te die Hän­de, um eine zu er­grei­fen, aber ihre Hän­de blie­ben stets leer.

      Ent­setzt woll­te sie flie­hen, sie schrie, und es schi­en ihr, als ob man sie fest­hielt, als ob kräf­ti­ge Arme sie um­schlos­sen hät­ten; aber sie sah Nie­man­den.

      Sie hat­te kei­ne Ah­nung von der Zeit. Es muss­te lan­ge, sehr lan­ge ge­dau­ert ha­ben.

      Dann end­lich hat­te sie ein Er­wa­chen, ein lang­sa­mes Er­wa­chen, wie aus ei­nem to­ten­ähn­li­chen Schla­fe; aber im­mer­hin ein süs­ses Er­wa­chen. Sie öff­ne­te die Au­gen und war durch­aus nicht er­staunt, ihr Müt­ter­chen im Zim­mer mit ei­nem di­cken Herrn sit­zen zu se­hen, den sie nicht kann­te.

      Wie alt war sie ei­gent­lich? Sie wuss­te es nicht und hielt sich noch für ein ganz klei­nes Mäd­chen. Sie hat­te jede Erin­ne­rung ver­lo­ren.

      »Se­hen Sie, das Be­wusst­sein kehrt zu­rück!« hör­te sie den di­cken Herrn sa­gen. Und Müt­ter­chen be­gann zu wei­nen.

      »Nur ru­hig, Ma­da­me!« be­gann der di­cke Herr wie­der. »Ich ste­he jetzt für al­les ein. Aber sa­gen Sie nichts; spre­chen Sie von nichts. Wenn sie nur schlie­fe!«

      Und es schi­en Jo­han­na, als ob sie noch lan­ge so re­gungs­los da­ge­le­gen hät­te, von ei­nem tie­fen Schlum­mer be­fan­gen. Sie such­te sich auch gar nicht die Ver­gan­gen­heit ins Ge­dächt­nis zu­rück­zu­ru­fen, wie in ei­ner un­be­stimm­ten Furcht, die Wirk­lich­keit vor sich auf­tau­chen zu se­hen.

      Da, ein­mal, als sie er­wach­te, be­merk­te sie Ju­li­us ganz al­lein bei ihr; und plötz­lich kam ihr al­les ins Ge­dächt­nis zu­rück, als wenn ein Schlei­er ge­lüf­tet wor­den sei, der bis da­hin die Ver­gan­gen­heit be­deckt hat­te.

      Ein schreck­li­cher Schmerz durch­zuck­te sie und sie woll­te flie­hen. Sie streif­te die De­cke ab und sprang zum Bett hin­aus. Aber ihre Füs­se tru­gen sie nicht und sie fiel hin, Ju­li­us sprang hin­zu und sie be­gann zu heu­len, dass er sie nicht an­rüh­ren sol­le. Sie wehr­te sich und wälz­te sich auf dem Bo­den hin und her. Da öff­ne­te sich die Tür und Tan­te Li­son stürz­te mit der Wit­we Den­tu her­ein, ge­folgt von dem Baron und end­lich auch von der Mama, die ganz be­stürzt und atem­los her­bei­keuch­te.

      Man brach­te sie wie­der ins Bett und sie schloss so­fort krampf­haft die Au­gen, um nicht spre­chen zu müs­sen und un­ge­stört nach­den­ken zu kön­nen.

      Mut­ter und Tan­te um­arm­ten und küss­ten sie.

      »Kennst Du uns jetzt wie­der, Jo­han­na, süs­se lie­be Jo­han­na?« frag­ten bei­de wie aus ei­nem Mun­de.

      Sie ant­wor­te­te nichts und stell­te sich geis­tes­ab­we­send. Da­bei wuss­te sie ganz ge­nau, dass der Tag bald zur Nei­ge ge­hen wür­de. Die Nacht brach her­ein. Die Wär­te­rin mach­te sich’s in ih­rer Nähe be­quem und ließ sie von Zeit zu Zeit trin­ken.

      Sie nahm was man ihr reich­te, ohne ein Wort zu spre­chen; aber sie schlief nicht. Sie be­müh­te sich ängst­lich nach­zu­den­ken und such­te in ih­rer Erin­ne­rung nach Din­gen, die ihr ent­gan­gen wa­ren. Es war, als ob ihr Ge­dächt­nis durch­lö­chert sei, als ob es große lee­re Stel­len ent­hal­te, auf de­nen die Er­eig­nis­se kei­nen Ein­druck hin­ter­las­sen hät­ten.

      Erst ganz all­mäh­lich mit un­ge­heu­rer An­stren­gung fand sie den Fa­den wie­der.

      Und nun ver­folg­te sie ihn mit zä­her Hart­nä­ckig­keit.

      Müt­ter­chen, Tan­te Li­son und der Baron wa­ren her­über­ge­kom­men; sie muss­te also sehr krank ge­we­sen sein. Und Ju­li­us? Was moch­te er wohl ge­sagt ha­ben? Wuss­ten ihre El­tern al­les? Und Ro­sa­lie? Wo war sie? Was soll­te nun wer­den … ja was soll­te wer­den? Da durch­blitz­te sie ein Ge­dan­ke – mit Papa und Mama nach Rou­en heim­keh­ren und zu le­ben wie frü­her. Sie wür­de Wit­we sein; das wäre al­les.

      Dann gab sie ge­nau auf al­les Acht, was um sie her­um vor­ging und was ge­spro­chen wur­de; sie ver­stand jetzt al­les, ohne es sich mer­ken zu las­sen. Ru­hig und mit ei­ner ge­wis­sen List freu­te sie sich des wie­der­keh­ren­den Be­wusst­seins.

      Ei­nes Abends end­lich fand sie sich al­lein mit der Baro­nin. »Mama!« rief sie lei­se. Sie war er­staunt beim Klan­ge ih­rer Stim­me, die ihr ganz ver­än­dert vor­kam.

      »Mein Kind, mei­ne lie­be Jo­han­na!« sag­te die Baro­nin, ihre Hän­de er­grei­fend. »Kennst Du mich denn wie­der, mein Töch­ter­chen?«

      »Ja, Mama, aber Du darfst nicht wei­nen. Wir ha­ben viel zu be­spre­chen. Hat Dir Ju­li­us ge­sagt, warum ich da­mals in den Schnee her­aus­ge­lau­fen bin?«

      »Ja, mein Kind; Du hat­test ein sehr ge­fähr­li­ches hef­ti­ges Fie­ber.«

      »Das ist et­was an­de­res, Mama; das Fie­ber habe ich erst nach­her be­kom­men. Ich mei­ne, ob er Dir ge­sagt hat, warum ich die­ses Fie­ber be­kam und wes­halb ich in den Schnee her­aus­lief?«

      »Nein, Herz­chen.«

      »Weil ich Ro­sa­lie in sei­nem Bet­te fand.«

      Die Baro­nin glaub­te, Jo­han­na fan­ta­sie­re wie­der.

      »Schla­fe lie­ber, Kind­chen«, sag­te sie schmei­chelnd. »Be­ru­hi­ge Dich und ver­su­che zu schla­fen.«

      »Aber ich bin jetzt ganz bei kla­rem Ver­stan­de«, wehr­te Jo­han­na ab, »ich rede kei­nen Un­sinn, Müt­ter­chen, wie viel­leicht in der letz­ten Zeit. Ich fühl­te mich ei­nes Abends sehr un­wohl und ging her­un­ter, um Ju­li­us zu ru­fen. Ro­sa­lie lag bei ihm im Bet­te. Ich ver­lor vor Schreck und Kum­mer den Ver­stand und bin in den Schnee hin­aus ge­lau­fen, um mich von der Küs­te ins Meer zu stür­zen.«

      »Ja, Herz­chen, Du bist krank ge­we­sen, sehr krank so­gar«, sag­te die Baro­nin aber­mals be­sänf­ti­gend.

      »Da­rum han­delt es sich nicht, Mama. Ich fand Ro­sa­lie bei Ju­li­us im Bett und will nicht län­ger bei ihm blei­ben. Wir wol­len zu­sam­men nach Rou­en zu­rück­keh­ren und dort le­ben wie frü­her.«

      »Nun ja, wie Du willst, mein Kind«, sag­te die Baro­nin, der der Arzt ans Herz ge­legt hat­te, Jo­han­na nicht zu wi­der­spre­chen.

      Aber die Kran­ke wur­de un­ge­dul­dig.

      »Ich mer­ke ganz gut, dass Du mir nicht glaubst. Ruf mir, bit­te, mal den Papa her­ein. Er wird mich schliess­lich schon ver­ste­hen.«

      Ma­ma­chen er­hob sich schwer­fäl­lig, nahm ihre bei­den Krück­stö­cke und ging schlep­pen­den Schrit­tes hin­aus. Nach ei­ni­gen Mi­nu­ten kehr­te sie mit dem Baron zu­rück, der sie stütz­te.

      Sie setz­ten sich bei­de ans Bett und als­bald be­gann Jo­han­na СКАЧАТЬ