Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ eben­so wirkt wie ein Un­glücks­fall, und wel­ches eben­so leicht vor Freu­de und Glück wie vor Schmerz zu wei­nen ge­neigt ist.

      Die­se Trä­nen ka­men ihm lä­cher­lich vor; und ganz mit dem schlech­ten Zu­stan­de des We­ges be­schäf­tigt sag­te er:

      »Du tä­test bes­ser, auf Dein Pferd acht zu ge­ben.«

      Sie konn­ten nur mit Mühe auf dem fast un­gang­ba­ren Weg zu dem Grun­de die­ses Gol­fes ge­lan­gen; dann wand­ten sie sich rechts, um das fins­te­re Ota-Tal zu pas­sie­ren.

      Aber der Pfad wur­de jetzt wirk­lich ent­setz­lich.

      »Wol­len wir nicht lie­ber zu Fuss her­auf ge­hen?« schlug Ju­li­us vor.

      Sie konn­te sich nichts bes­se­res wün­schen; es war ihr ge­ra­de recht, jetzt zu ge­hen, al­lein zu sein mit ihm nach die­ser hef­ti­gen Ge­müts­be­we­gung.

      Der Füh­rer ritt mit dem Maulesel und den Pfer­den vor­aus, und sie folg­ten ihm lang­sam.

      Das Ge­bir­ge schi­en hier von oben bis un­ten ge­bors­ten und der Pfad führ­te in die­se von der Na­tur ge­bil­de­te Spal­te. Zu bei­den Sei­ten er­ho­ben sich die Fels­wän­de wie zwei hohe Mau­ern, wäh­rend ein reis­sen­der Bach sich ne­ben dem Pfa­de sei­nen Weg durch die Enge bahn­te. Die Luft war ei­sig, der Gra­nit er­schi­en hier schwarz, und ganz hoch dar­über lach­te der blaue Him­mel.

      Ein plötz­li­ches Geräusch ließ Jo­han­na er­zit­tern. Sie blick­te auf und sah, wie ein rie­si­ger Vo­gel sich aus ei­ner Fels­s­pal­te schwang; es war ein Ad­ler. Sei­ne aus­ge­spann­ten Flü­gel schie­nen bis an bei­de Wän­de der Schlucht zu rei­chen; im­mer hö­her stieg er em­por, bis er im azur­blau­en Äther ver­schwand.

      Wei­ter vorn teil­te sich der Spalt in zwei Hälf­ten; der Pfad führ­te in gro­tes­ken Win­dun­gen durch die bei­den Schluch­ten. Jo­han­na ging lus­tig und leicht­füs­sig vor­an; die Kie­sel roll­ten un­ter ih­ren Füs­sen, aber sie beug­te sich furcht­los über den Rand der Ab­grün­de. Er folg­te ihr, et­was aus­ser Atem, das Auge, aus Furcht vor Schwin­del, stets zu Bo­den ge­senkt.

      Plötz­lich er­reich­ten die Son­nen­strah­len sie wie­der; sie glaub­ten aus der Un­ter­welt her­vor­zu­kom­men. Da sie Durst ver­spür­ten, so folg­ten sie den feuch­ten Spu­ren, die durch wild auf­ein­an­der ge­türm­tes Ge­stein führ­ten und stan­den bald vor ei­ner Quel­le, die zum Ge­brauch für die Zie­gen in eine höl­zer­ne Rin­ne ge­lei­tet war. Rings­um­her war der Bo­den mit ei­nem Moos­tep­pich be­deckt. Jo­han­na knie­te nie­der um zu trin­ken, wor­auf Ju­li­us ih­rem Bei­spie­le folg­te.

      Wäh­rend sie das küh­le Nass schlürf­te, fass­te er sie um die Tail­le und such­te ihr ih­ren Platz am Ende der Rin­ne zu rau­ben. Sie wehr­te sich und ihre Lip­pen sties­sen an­ein­an­der, sie scho­ben sich ge­gen­sei­tig zu­rück und ka­men dann wie­der zu­sam­men. Bei die­sem scherz­haf­ten Kamp­fe fass­ten sie ab­wech­selnd das schma­le Ende der Rin­ne mit den Zäh­nen, um sich fest­zu­hal­ten, wäh­rend das fri­sche Quell­was­ser bald zu­rück­ge­drängt, bald auf­spru­delnd, ihre Ge­sich­ter, ihre Na­cken, ihre Klei­der und Hän­de be­spritz­te. Auf ih­ren Haa­ren schim­mer­ten Was­ser­tröpf­chen wie klei­ne Per­len. Zwi­schen das ab­lau­fen­de Nass misch­ten sich ihre heis­sen Küs­se.

      Jo­han­na wur­de plötz­lich von ei­nem voll­stän­di­gen Lie­bes­tau­mel er­grif­fen. Sie nahm einen Mund voll kla­ren Was­sers und mit auf­ge­bla­se­nen Ba­cken teil­te sie es, Lip­pe an Lip­pe ge­presst, Ju­li­us mit, um sei­nen Durst zu lö­schen.

      Lä­chelnd, den Kopf hin­ten­über ge­beugt, hielt die­ser sei­nen Mund hin und trank mit ei­nem tie­fen Zuge aus die­ser le­ben­den Quel­le die küh­len­de La­bung. Aber in sei­nem In­ne­ren ent­zün­de­te sie eine heis­se Glut.

      Jo­han­na beug­te sich mit un­ge­wöhn­li­cher Zärt­lich­keit über ihn; ihr Herz poch­te, ihre Brust wog­te, ihre Au­gen schim­mer­ten feucht.

      »Ach, Ju­li­us … wie lieb ich Dich habe!« mur­mel­te sie lei­se; und in­dem sie sich ih­rer­seits zu­rück­lehn­te, zog sie ihn an sich her­an, wäh­rend sie zu­gleich be­schämt mit ei­ner Hand ihr Ant­litz be­deck­te.

      Ju­li­us konn­te die­ser Lie­bes­sehn­sucht nicht wi­der­ste­hen. Er press­te sie hef­tig an sich; und sie seufz­te in lei­den­schaft­li­cher Er­war­tung. Plötz­lich stiess sie, wie vom Schla­ge ge­trof­fen, einen lau­ten Schrei aus. Jetzt war sie wirk­lich Ju­li­us’ Frau …

      Es dau­er­te lan­ge, bis sie den Gip­fel des Ber­ges er­klom­men hat­ten; denn ihr Herz poch­te noch lan­ge und ihr Atem ging schwer. Erst ge­gen Abend ka­men sie in Evi­sa, bei ei­nem Ver­wand­ten ih­res Füh­rers Na­mens Pao­li Pala­bret­ti, an.

      Es war dies ein gut­mü­tig aus­se­hen­der großer Mann; er ging et­was vorn­über ge­beugt und hat­te den fins­te­ren Aus­druck ei­nes Schwind­süch­ti­gen. Er führ­te sie in ihr Zim­mer; frei­lich ein ödes Ge­mach mit nack­ten Wän­den, aber lu­xu­ri­ös für die­ses Land, wo jede Ele­ganz un­be­kannt ist. Gera­de drück­te er in sei­nem kor­si­schen Platt mit fran­zö­si­schen und ita­lie­ni­schen Wor­ten ver­mischt, sei­ne leb­haf­te Freu­de aus, sie bei sich zu se­hen, als er von ei­ner hel­len Stim­me un­ter­bro­chen wur­de, und eine klei­ne leb­haf­te Frau mit großen dunklen Au­gen, son­nen­ge­bräun­tem Ge­sicht, von schlan­ker Tail­le und mit ei­nem ewi­gen Lä­cheln zwi­schen den sicht­ba­ren wei­ßen Zäh­nen sich vor­schob, Jo­han­na um­arm­te und Ju­li­us die Hand drück­te, wäh­rend sie wie­der­holt »Gu­ten Tag, Ma­da­me, gu­ten Tag Mon­sieur; wie geht’s?« rief.

      Sie nahm Hüte und Shawls ab, wo­bei sie sich nur ei­nes Ar­mes be­dien­te, weil sie den an­de­ren in der Bin­de trug; hier­auf nö­tig­te sie alle, das Zim­mer zu ver­las­sen, in­dem sie zu ih­rem Man­ne sag­te: »Füh­re die Herr­schaf­ten bis zum Di­ner et­was her­um, Pao­li.«

      Herr Pala­bret­ti ge­horch­te ohne Zö­gern, nahm sei­nen Platz zwi­schen dem jun­gen Paa­re ein und zeig­te ih­nen das Dorf. Sein Schritt war schlep­pend wie sei­ne Spra­che; alle fünf Mi­nu­ten hat­te er einen Hus­ten-An­fall, wo­bei er je­des Mal sag­te:

      »Das kommt von der fri­schen Luft un­ten im Tale; sie ist mir auf die Brust ge­schla­gen.«

      Er führ­te sie jetzt auf ei­nem ver­lo­re­nen Pfa­de un­ter rie­si­gen Kas­ta­ni­en­bäu­men. Plötz­lich blieb er ste­hen und sag­te mit sei­ner ein­för­mi­gen Stim­me:

      »Hier wur­de mein Vet­ter Gio­van­ni Rinal­di durch Mat­teo Lori er­mor­det. Den­ken Sie, ich war auch da­bei; ganz nahe bei Gio­van­ni, als Mat­teo plötz­lich auf zehn Schritt vor uns stand.

      ›Gio­van­ni‹, rief er, ›geh nicht nach Al­ber­tac­co; geh nicht hin, oder ich brin­ge Dich um; das sage ich Dir.‹ – ›Geh nicht hin, Gio­van­ni!‹ rief ich, ihn am Arme fas­send. СКАЧАТЬ