Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ Du einen klei­nen Spa­zier­gang mit mir ma­chen, mein Kind?« frag­te er.

      »Gern, Papa« ant­wor­te­te sie be­wegt. Sie gin­gen hin­aus.

      Als sie vor die Türe nach der Mee­res­sei­te zu tra­ten, weh­te ih­nen ein tro­ckener Wind ent­ge­gen, ei­ner je­ner küh­len Som­mer­win­de, wel­che schon das Na­hen des Herbs­tes ver­kün­den.

      Wol­ken jag­ten am Him­mel vor­über und ver­deck­ten für ei­ni­ge Au­gen­bli­cke die Ster­ne.

      Der Baron nahm sei­ne Toch­ter un­term Arm und drück­te zärt­lich ihre Hand. So gin­gen sie ei­ni­ge Au­gen­bli­cke schweig­sam ne­ben ein­an­der. Er schi­en ver­le­gen und un­ent­schlos­sen.

      »Mein Kind«, be­gann er end­lich, »ich habe eine schwie­ri­ge Auf­ga­be über­nom­men, die ei­gent­lich Dei­ner Mut­ter zu­käme. Da sie sich aber nicht dazu im­stan­de fühlt, so muss ich sie ver­tre­ten. Es gibt Ge­heim­nis­se, die man Kin­dern, na­ment­lich Mäd­chen, sorg­fäl­tig ver­birgt. Denn ge­ra­de letz­te­re sol­len rei­nen, ab­so­lut rei­nen Geis­tes bis zu der Stun­de blei­ben, wo sie den Hän­den des­sen über­ge­ben wer­den, der von da an für ihr Glück Sor­ge zu tra­gen hat. Ihm kommt es zu, den Schlei­er zu lüf­ten, der über das süs­ses­te Ge­heim­nis des Le­bens ge­brei­tet ist. Die jun­gen Mäd­chen aber, je ah­nungs­lo­ser sie sind, schre­cken umso eher manch­mal vor der et­was rau­en Wirk­lich­keit zu­rück, wel­che die Er­fül­lung ih­rer Träu­me mit sich bringt. Sie füh­len sich geis­tig und kör­per­lich ver­letzt und ver­wei­gern ih­rem Gat­ten das, was mensch­li­ches und na­tür­li­ches Ge­setz ihm als ab­so­lu­tes Recht ein­räu­men. Mehr kann ich Dir nicht dar­über sa­gen; aber ver­giss das eine, nur das eine nicht: dass Du ganz und gar Dei­nem Man­ne an­ge­hörst.«

      Was wuss­te sie nun ei­gent­lich? Wie viel hat­te sie er­ra­ten? Sie be­gann zu zit­tern; eine düs­te­re schmerz­li­che Trau­rig­keit wie eine Art Vorah­nung hat­te sie er­grif­fen.

      Als sie ins Haus zu­rück­kehr­ten, blie­ben sie über­rascht un­ter der Türe des Sa­lons ste­hen. Ma­da­me Ade­laï­de hing an Ju­li­us Hal­se und schluchz­te herz­zer­bre­chend. Al­les an ihr schi­en Trä­nen aus­zu­strö­men, Nase, Mund und Au­gen; und der jun­ge Mann hat­te in sei­nem Er­stau­nen alle Mühe, die star­ke Dame zu stüt­zen, wel­che ihm in die Arme ge­sun­ken war, um ihm die Sor­ge für ihr Klein­od, ihr Herz­blatt, ihr an­ge­be­te­tes Kind, auf die See­le zu bin­den.

      »Ach, nur kei­ne Sze­ne!« sag­te der Baron rasch vor­tre­tend, »ich bit­te drum.« Er nahm sei­ne Gat­tin und führ­te sie zu ei­nem Ses­sel, wäh­rend sie sich das Ge­sicht ab­wisch­te.

      »Komm mein Kind«, wand­te er sich als­dann zu Jo­han­na, »gib Mama einen Kuss und geh’ zu Bett.«

      Jo­han­na hielt die gleich­falls dro­hen­den Trä­nen zu­rück, küss­te schnell ihre El­tern und ver­liess das Zim­mer.

      Tan­te Li­son hat­te sich schon auf ihr Zim­mer zu­rück­ge­zo­gen. Der Baron und die Baro­nin blie­ben mit Ju­li­us al­lein. Alle drei wa­ren so ver­le­gen, dass sie kein Wort spra­chen. Die Her­ren stan­den zer­streut da in ih­rer Di­ner-Toi­let­te, wäh­rend Ma­da­me Ade­laï­de ganz er­schöpft, noch die letz­ten Trä­nen auf den Wan­gen, in ih­rem Ses­sel lag.

      Um der Ver­le­gen­heit ein Ende zu ma­chen, be­gann der Baron von der Rei­se zu spre­chen, wel­che die jun­gen Leu­te nach ei­ni­gen Ta­gen un­ter­neh­men soll­ten.

      Jo­han­na ließ sich in ih­rem Zim­mer durch Ro­sa­lie aus­klei­den, die wie ein Was­ser­fall wein­te. Ihre Hän­de wa­ren un­ge­schickt; sie fand sich mit Schnü­ren und Hef­teln nicht zu­recht und schi­en noch in viel grös­se­rer Ge­müts­be­we­gung wie ihre Her­rin. Aber Jo­han­na ach­te­te nicht auf die Trä­nen ih­rer Kam­mer­jung­fer; sie war wie auf ei­ner an­de­ren Welt, in ei­nem frem­den Land, ge­trennt von al­lem, was ihr bis da­hin lieb und teu­er ge­we­sen war. In ih­rem Den­ken und Füh­len schi­en al­les so durch­ein­an­der zu sein, dass sie sich so­gar frag­te, ob sie ei­gent­lich ih­ren Gat­ten lie­be. Er schi­en ihr jetzt plötz­lich ein Frem­der zu sein, den sie kaum vor­her ge­kannt hat­te. Vor drei Mo­na­ten wuss­te sie noch nichts von sei­ner Exis­tenz und jetzt war sie schon sei­ne Frau. Wie kam das ei­gent­lich? Wa­rum so schnell in die Ehe stür­zen, wie in ein Loch, das sich plötz­lich zu un­sern Füs­sen öff­net?

      Als sie ihre Nacht­toi­let­te be­en­det hat­te, schlüpf­te sie ins Bett. Die frisch über­zo­ge­nen Lein­tü­cher ver­ur­sach­ten ihr einen leich­ten Schau­er und ver­mehr­ten das Ge­fühl der Käl­te, der Ein­sam­keit und Trau­rig­keit, wel­ches seit zwei Stun­den auf ih­rer See­le las­te­te.

      Ro­sa­lie ent­fern­te sich, noch ganz in Trä­nen ge­ba­det. Ängst­lich und mit krampf­haf­tem See­len­schmerz er­war­te­te sie das, was sie halb und halb aus den dunklen An­deu­tun­gen ih­res Va­ters er­ra­ten hat­te, die Ent­hül­lung des­sen, was man das große Ge­heim­nis der Lie­be nennt.

      Drei leich­te Schlä­ge er­tön­ten an der Türe, ohne dass sie je­mand hat­te die Trep­pe her­auf­kom­men hö­ren. Sie fing hef­tig an zu zit­tern und wag­te nicht zu ant­wor­ten. Es klopf­te aber­mals und dann wur­de die Tür ge­öff­net. Sie steck­te den Kopf un­ter die De­cke, wie wenn ein Dieb in ihr Zim­mer ge­schli­chen käme. Leich­te Schrit­te tön­ten auf dem Fuss­bo­den, und dann stand je­mand plötz­lich an ih­rem Bett.

      Sie stiess vor Er­re­gung einen klei­nen Schrei aus, und als sie den Kopf her­vor­streck­te, sah sie Ju­li­us ne­ben sich ste­hen. Er schau­te sie lä­chelnd an.

      »Ach, wie Sie mich ge­ängs­tigt ha­ben!« sag­te sie.

      »Ha­ben Sie mich denn nicht er­war­tet?« frag­te er.

      Sie ant­wor­te­te nicht. Er war noch voll­stän­dig in sei­ner Fest­toi­let­te; als sie in sein hüb­sches Ge­sicht schau­te, fühl­te sie plötz­lich eine große Scham dar­über, vor die­sem ganz an­ge­zo­ge­nen Man­ne so leicht be­klei­det da­zu­lie­gen.

      Sie wuss­ten bei­de nicht, was sie sa­gen oder tuen soll­ten; sie wag­ten nicht ein­mal, sich an­zu­se­hen. So sehr fühl­ten bei­de in­stink­tiv den Ernst die­ser ent­schei­den­den Stun­de, von der ja so oft das Glück ei­nes gan­zen Le­bens ab­hängt.

      Er hat­te so eine un­be­stimm­te Ah­nung, wel­che Ge­fahr für ihn dar­in­lag, wenn er sei­ne Selbst­be­herr­schung ver­lor. Er wür­de sei­ne gan­ze wohl­er­wo­ge­ne Zärt­lich­keit auf­bie­ten müs­sen, um nicht das pein­li­che Zart­ge­fühl und die keu­sche Scham­haf­tig­keit ei­nes nur von idea­len Träu­men er­füll­ten jung­fräu­li­chen Ge­mü­tes zu ver­let­zen.

      Sanft nahm er ihre Hand und küss­te sie; dann knie­te er vor ih­rem Bett wie vor ei­nem Al­tar nie­der und flüs­ter­te mit lei­ser zärt­li­cher Stim­me:

      »Wer­den Sie mir Ihre Lie­be schen­ken?«

      Sie ge­wann ihre Si­cher­heit lang­sam wie­der, hob das Köpf­chen aus СКАЧАТЬ