Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Acht Tage später traten sie die Rückreise nach Peuples an.
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1 Eine speziell auf Corsika gebräuchliche Bezeichnung für unkultivierte wilde, mit dichtem Gestrüpp bedeckte Strecken. (Anm. d. Übers.) <<<
VI.
Bei dem weißen Tor, welches zwischen den Ständern aus Backstein hing, wurden sie von der Familie und der Dienerschaft empfangen. Der Postwagen hielt an und es erfolgten lange herzliche Umarmungen. Mütterchen weinte, und auch Johanna wischte sich einige Tränen; der Papa ging aufgeregt hin und her.
Dann erfolgte im Salon vor dem Kaminfeuer die Aufzählung der Reiseerlebnisse, während draussen das Gepäck abgeladen wurde. Unaufhörlich flossen die Worte von Johannas Lippen und alles wurde erzählt, die ganze Reise, in einer halben Stunde. Einige Kleinigkeiten vielleicht wurden übergangen.
Dann ging die junge Frau daran, ihre Pakete und Paketchen auszukramen, wobei Rosalie voll tiefer Bewegung mithalf. Als dies zu Ende war, als das Leinenzeug, die Kleider und alle möglichen Toilettegegenstände an ihrem Platze lagen, verliess die Kammerjungfer ihre Herrin, und Johanna, allein gelassen, setzte sich nieder.
Sie fragte sich, was sie jetzt machen sollte, indem sie sich ebenso nach geistiger wie nach körperlicher Beschäftigung umschaute. In den Salon zu ihrer schlafenden Mutter zurückzukehren, dazu hatte sie keine Lust; sie hätte lieber einen Spaziergang gemacht. Aber draussen schien es so öde zu sein, dass sie schon beim Betrachten der Umgebung vom Fenster aus eine Zentnerlast von Melancholie auf sich herabsinken fühlte.
Da kam ihr denn so recht zum Bewusstsein, dass es für sie nichts mehr, auch niemals mehr zu tun gab. Ihre ganze Jugendzeit über im Kloster hatte sie sich mit der Zukunft beschäftigt und Pläne geschmiedet. Unter dieser fortgesetzten Träumerei war ihr damals die Zeit vergangen, ohne dass sie es merkte. Dann kaum den engen Schranken des Klosters entwachsen, in dem ihre Jugendträume entsprungen waren, fühlte sie schon gar bald Herz und Sinn durch die Regungen der Liebe in Anspruch genommen. Den erhofften Mann sehen, ihn lieben, in kurzer Zeit heiraten, wie es bei solchen schnellen Entschliessungen üblich, in seinen Armen ruhen, ohne erst recht zur Besinnung zu kommen, das alles hatte sich wie im Fluge vollzogen.
Aber nun trat statt der sanften Gewohnheit der ersten Tage die raue Wirklichkeit des alltäglichen Lebens in ihre Rechte ein, welche allen undefinierbaren Hoffnungen, jener angenehmen aufregenden Erwartung des Unbekannten für immer die Tür schloss. Ja, jetzt war es aus mit allen Erwartungen.
Also weiter nichts mehr zu tun! heute nicht, morgen nicht und übermorgen nicht. Sie empfand das alles wie eine bittere Enttäuschung, eine langsame Vernichtung ihrer Hoffnungen.
Dann sprang sie auf und lehnte die Stirn an die kühlen Fensterscheiben. Nachdem sie eine Weile den Himmel betrachtet, an welchem düstere Wolken dahinzogen, entschloss sie sich, auszugehen.
War das dieselbe Flur, dasselbe Gras, dieselben Bäume wie im Mai? Wo war das sonnige Leuchten auf den Blättern, wo das poetische Grün des Rasens geblieben, auf dem der Löwenzahn emporflammte, die Klatschrose ihr blutrotes Haupt erhob, die Margheriten sprossten und die großen gelben Schmetterlinge zierlich von Blüte zu Blüte gaukelten? Auch dieses freudige Leben der Natur mit ihrem würzigen Duft, mit ihrer wohltuenden Fruchtbarkeit war dahin.
Da lagen die von anhaltenden Herbststürmen zerzausten Alleen vor ihr; die Pappeln streckten ihre nackten Zweige zum Himmel empor, während fahles gelbes Laub den Boden unter ihnen wie ein Teppich bedeckte. Ihre dünnen Äste zitterten im Winde, der die letzten dürren Blätter abriss und im wilden Tanze durch die Luft wirbelte. Unaufhörlich wie ein anhaltender trostloser Regen fielen die Blätter nieder, gelb wie große Goldstücke, bald hierhin, bald dorthin, fuhren vom Winde wieder aufgestöbert, nochmals empor, schleppten sich über den Boden hin, um endlich ihr letztes Ruheplätzchen zu finden.
Sie ging zum Bosquet; es machte einen traurigen Eindruck, wie ein Sterbezimmer. Die grüne Mauer, welche die lieblichen gewundenen Pfade voneinander trennte und ihnen etwas geheimnisvolles verlieh, war entblättert. Hier und dort streckten die Ziersträucher, welche sonst das Gehölz belebt hatten, ihre mageren Zweige empor. Das Geräusch fallender Blätter, welche der Wind schüttelte, abriss und in Haufen auf die Erde streute, klang wie das schmerzhafte Stöhnen eines langsam Dahinsterbenden.
Die kleinen Vögelchen hüpften mit schrillem Gezirp von Zweig zu Zweig, um irgendwo Schutz zu finden.
Durch den dichten Vorhang der Ulmen geschützt, welche dem Seewinde Abbruch taten, hatten die Linde und die Platane noch ihr Sommerkleid behalten; von den ersten Frösten getroffen, schienen sie jedoch die Farbe gewechselt zu haben, sodass die eine wie mit rotem Samt, die andere mit orangefarbener Seide bekleidet schien.
Johanna ging langsam in »Mütterchens Allee« längs dem Pachthof der Couillards auf und ab. Es lag wie eine drückende Vorahnung der endlosen Langeweile ihres zukünftigen einförmigen Lebens auf ihrer Seele.
Dann setzte sie sich auf die Rasenbank, wo Julius ihr zum ersten Mal von Liebe gesprochen hatte. Dort blieb sie träumend, kaum eines Gedankens fähig, sitzen; sie fühlte sich müde bis ans Herz hinan und hätte sich am liebsten niedergelegt, um diesen traurigen Tag zu verschlafen.
Plötzlich bemerkte sie eine Möve, welche vom Winde durch die Lüfte getragen wurde, und da fiel ihr der Adler ein, den sie da unten in Korsika im finstern Ota-Tale gesehen hatte. Ihr Herz empfand die lebhafte Erregung, welche der Gedanke an etwas Schönes, das weit hinter uns liegt, hervorruft. Mit einem Male sah sie die herrliche Insel mit ihrem eigenartigen Aroma wieder vor sich, ihrem Sonnenglanz, in dem die Orangen und Citronen reiften, mit den rosigen Gipfeln ihrer Berge, dem Azurblau ihrer Buchten und ihren Tälern, durch welche die Bächlein rieselten.
Da erweckten das feuchte raue Klima der Heimat, der melancholische Fall der Blätter und die vom Wind gejagten grauen СКАЧАТЬ