Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Er bedeckte immer wieder ihre Hand mit Küssen und, indem er langsam aufstand, suchte er sich ihrem Antlitz zu nähern, das sie aufs Neue zu verbergen strebte.
Dann streckte er plötzlich einen Arm aus, umschlang seine Frau mitsamt der Bettdecke und schob den anderen Arm unter das Kopfkissen. So zog er sie langsam an sich und flüsterte ihr leise, ganz leise zu:
»Würden Sie mir dann auch ein kleines Plätzchen in Ihrem Bette gönnen?«
Sie empfand Furcht, eine instinktive Furcht:
»Ach, jetzt noch nicht, ich bitte Sie«, stammelte sie.
Er war sichtlich überrascht, ein wenig verletzt sogar; und wenn er den bittenden Ton auch beibehielt, so klang es doch etwas rauer, als er jetzt sagte:
»Warum etwas verschieben, was wir doch schliesslich alle Tage so machen werden?«
Sie ärgerte sich über diese Worte; aber schliesslich sagte sie doch zum zweiten Male sanft und ergeben:
»Ich gehöre Ihnen ja, lieber Freund!«
Da verschwand er schnell im Ankleidezimmer. Sie hörte deutlich und mit ängstlichen Schauern das Geräusch abgelegter Kleider, das Klingen von Geld, das er aus der Tasche nahm, das Fallen der ausgezogenen Schuhe.
Und plötzlich kam er in Unterkleidern und Pantoffeln rasch durch das Zimmer gegangen, um seine Uhr auf den Kamin zu legen. Dann kehrte er hastig ins Nebengemach zurück, verweilte noch einige Augenblicke und … Johanna wandte sich rasch auf die Seite und schloss die Augen, als sie sein Nahen bemerkte.
Sie fühlte eine Regung aus dem Bett zu springen, als er jetzt rasch unter die Decke schlüpfte und sie die Berührung eines fremden, kalten und haarigen Körpers an dem ihrigen spürte. Entsetzt, das Gesicht mit den Händen bedeckend, hätte sie am Liebsten laut schreien mögen und sie zog sich ganz an das Ende des Bettes zurück.
Obschon sie ihm den Rücken drehte, schloss er sie doch in seine Arme und küsste sie heftig auf den Nacken, wobei er die Bänder ihrer Nachthaube und den Spitzenbesatz ihres Hemdes zurückschob.
Selbst als sie bemerkte, wie seine Hand begierig nach ihrem Busen tastete, regte sie sich nicht, von einer entsetzlichen Furcht gelähmt. Sie atmete schwer unter dieser ungewohnten Berührung, bei der sie am liebsten aus dem Zimmer geflüchtet wäre, um sich irgendwo, fern von diesem Manne, einzuschliessen.
Er aber wich nicht von der Stelle. Sie fühlte die Wärme seines Körpers, sie bemerkte, wie er seine Zärtlichkeiten verdoppelte und schliesslich merkte sie, dass ihr doch nichts übrig bleiben würde, als sich umzuwenden und ihn wieder zu küssen.
Denn er begann bereits ungeduldig zu werden und sagte mit traurigem Tone:
»Sie wollen also nicht meine kleine liebe Frau sein?«
»Bin ich das denn nicht schon?« murmelte sie kaum hörbar.
»Nein, durchaus nicht,« antwortete er mit einem Anflug von Herbheit, »ich glaube, Sie halten mich zum Besten.«
Ganz ergriffen vom Ton seiner Stimme wandte sie sich plötzlich zu ihm um und bat ihn um Verzeihung.
Er nahm sie nun vollends in seine Arme und begann wie ein Rasender sie mit Küssen zu bedecken. Keine Stelle an ihrem ganzen Gesicht blieb von diesen heisshungrigen, verzehrenden, wütenden Küssen unberührt. Sie hatte die Hände zurückgezogen und ergab sich widerstandslos, ohne selbst zu wissen, was sie tat, seinen stürmischen Liebkosungen. Ein tiefer Schmerz durchdrang ihren Körper, sie begann zu seufzen und erwiderte lebhaft die Küsse, vor denen sie vorhin noch so sehr zurückgeschreckt war. Jetzt war sie Julius seine Frau.
Was dann noch geschah, entzog sich ihrem Gedächtnisse, ihr Bewusstsein war ziemlich geschwunden; nur dunkel erinnerte sie sich noch, wie ihr Julius einen langen innigen dankbaren Kuss auf die Lippen drückte.
Dann sprach er mit ihr und sie musste ihm antworten. Nach einiger Zeit begann er seine Zärtlichkeiten aufs Neue; aber sie sträubte sich voll Scham, und während sie seine Umarmung abwehrte, fühlte sie auf seiner Brust die dichten Haare, die sie schon vorhin an seinen Beinen gespürt hatte. Entsetzt drehte sie sich um.
Er schien es schliesslich leid zu sein, sich vergeblich mit ihr zu bemühen und blieb ruhig liegen.
Dann dachte sie nach. »Das also heisst seine Frau sein; das also, nur das!« und die tiefste Verzweiflung ergriff ihr Herz, als sie ihre Träume von innigster Zärtlichkeit so zerstört, ihre teuersten Erwartungen enttäuscht, ihr Glück vernichtet sah.
Lange lag sie so mit ihrem Schmerze da, während ihre Augen über die Stickereien an der Wand flogen, über die alte Liebesgeschichte, mit der das ganze Zimmer sozusagen bedeckt war.
Aber als Julius nichts mehr sprach und ganz regungslos dalag, wandte sie langsam ihren Blick zu ihm und bemerkte, dass er schlief. Er schlief mit halboffenem Munde, sein Antlitz zeigte einen ruhigen, zufriedenen Ausdruck. Er schlief also!
Sie konnte es kaum glauben; sie fühlte sich verletzt. Dieser Schlaf befremdete sie noch mehr als sein Ungestüm, sie fühlte sich rücksichtslos behandelt. Konnte er denn wirklich in dieser Nacht schlafen? Für ihn hatte also das, was zwischen ihnen vorgefallen war, nichts Aussergewöhnliches? Ach, sie hätte sich lieber noch schlagen lassen, so fühlte sie sich verletzt und entrüstet über die sonderbaren Zärtlichkeiten; und er schlief ganz ruhig danach.
Auf einen Ellenbogen gestützt schaute sie unbeweglich zu ihm herüber und horchte auf die tiefen Atemzüge, welche über seine Lippen kamen und schliesslich in ein ziemlich lautes Schnarchen übergingen.
Der Tag brach an, anfangs unbestimmt dämmernd, dann lichter, rosiger und endlich hellstrahlend. Julius öffnete die Augen, gähnte, streckte die Arme, sah seine Frau an und fragte lächelnd: »Hast Du gut geschlafen, mein Herz?«
Sie bemerkte, dass er jetzt СКАЧАТЬ