Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Einer derselben näherte sich ihnen und bot Fische zum Verkauf an. Johanna nahm eine Goldbutte, welche sie selbst nach Peuples zurückbringen wollte.
Der Mann bot ihnen dann noch seine Dienste für etwaige Bootsfahrten an, indem er wiederholt seinen Namen nannte, damit sie ihn ja nicht vergessen möchten:
»Lastique, Josephin Lastique.«
Der Baron versprach, an ihn zu denken.
Dann schlugen sie wieder den Weg zum Schlosse ein.
Da das Tragen des starken Fisches Johanna ermüdete, so schoben sie den Stock ihres Vaters durch seine Kiemen und fassten jeder ein Ende desselben an. Vergnügt und heiter plaudernd wie zwei Kinder stiegen sie den Weg nach Etouvent hinan. Der leichte Seewind umspielte ihre Stirnen, während der Fisch, an dem sie gehörig zu tragen hatten, mit seinem fetten Schwanze hin und her schwankte.
*
II.
Ein herrliches freies Leben hatte jetzt für Johanna begonnen. Sie las, träumte und trieb sich ganz allein in der Umgegend herum. Bald wandelte sie langsamen Schrittes traumverloren längs der Strasse, bald hüpfte sie wie ein junges Reh durch die zahlreichen kleinen wildromantischen Täler. Der starke würzige Duft, den die Blumen im Grase ausströmten, war ihr der liebste Parfum, und stundenlang lauschte sie, von denselben umgeben, dem einschläfernden Geräusch der in der Ferne rollenden Brandung.
Zuweilen, wenn sie bei der Biegung eines Tales plötzlich am Rande des grünen Rasenstreifens den bläulichen Schimmer des Meeres bemerkte, über welches sich ein leichter Dunstschleier lagerte, kam es über sie wie die Hoffnung auf das Nahen irgend eines geheimnisvollen Glückes.
Sie liebte die Einsamkeit in dieser süssen erquickenden Frische der Landluft mit ihrer majestätischen Ruhe. Oft sass sie so lange auf dem Gipfel eines Hügels, dass die Kaninchen ihre Furcht vergassen und sich lustig zu ihren Füssen tummelten.
Dann eilte sie wieder wie von einem leichtbeschwingten Lüftchen getragen an die Küste. Gleich den Fischen im Wasser und den Schwalben in der Luft genoss sie in vollen Zügen die Freude der freien Bewegung.
Überall brachte sie kleine Erinnerungszeichen an, jener Art von Erinnerungen, die bis zum Tode festwurzeln. Es war ihr, als versteckte sie ein Teilchen ihres eigenen Herzens an all’ den verborgenen Plätzchen dieser stillen Täler.
Mit Leidenschaft badete sie in der See; kräftig und mutig wie sie war, dachte sie an keine Furcht und tauchte häufig tief unter. Das klare blaue Wasser, welches sie schaukelnd auf seinem Rücken trug, tat ihr mit seiner erquickenden Frische unendlich wohl. War sie weit genug vom Ufer, so legte sie sich auf den Rücken, kreuzte die Arme über der Brust und starrte traumverloren zum azurfarbenen Himmel empor, an dem pfeilschnell die Schwalben oder weiße Möven vorüberschossen. Nur von Weitem hörte sie das Murmeln der Wellen am Strande und das unbestimmte Geräusch des vom Wasser gestreiften Kieses. Dann drehte sie sich oft rasch um und teilte jauchzend mit kräftigen Armen die Flut.
Hin und wieder, wenn sie sich allzu weit vorgewagt hatte, fuhr wohl ein Fischer mit seiner Barke heraus, sie zurückzuholen.
Bleich vor Hunger, aber erleichtert und gekräftigt, ein Lächeln auf den Lippen und mit einem Strahl des Glückes in den Augen kehrte sie dann ins Schloss zurück.
Der Baron seinerseits war mit großen landwirtschaftlichen Unternehmungen beschäftigt. Er wollte neue Versuche anstellen, Verbesserungen einführen, neue Maschinen anschaffen, seinen Viehbestand durch fremde Rassen vervollkommnen. Einen Teil des Tages brachte er in Gesprächen hierüber mit seinen Pächtern und Nachbarn zu, welche meistens ungläubig zu seinen Plänen mit den Achseln zuckten.
Zuweilen fuhr er auch mit den Fischern von Yport auf die See. Nachdem er die Grotten, Quellen und Hügel der Umgebung hinreichend kennen gelernt hatte, wollte er auch ’mal wie ein einfacher Fischer richtig fischen.
Wenn eine günstige Brise wehte, wenn die Barke mit geblähtem Segel über die Wogen dahin zog und auf jeder Seite über den Meeresgrunde die große Leine schleppte, der die Scharen von Makrelen folgen, dann hielt er mit aufgeregt zitternder Hand die kleine Schnur, deren Zucken sofort anzeigt, dass ein gefangener Fisch zappelt.
Im Mondschein fuhr er aus, um die Netze aufzunehmen, die man tags zuvor ausgeworfen hatte. Er ergötzte sich an dem Knarren des Mastes und erquickte sich an dem frischen kühlenden Hauche des Nachtwindes. Wenn er dann lange gekreuzt hatte, um die Bojen wieder aufzufinden, indem er sich nach einer Felsspitze, nach dem Dache eines Kirchturms und dem Leuchtturm von Fecamp einrichtete, machte es ihm ein Hauptvergnügen, das erste Aufleuchten der Sonne zu betrachten, deren Strahlen den schleimigen Rücken der Rochen und den fetten Bauch der Seezungen auf dem Boden der Barke vergoldeten.
Bei jeder Rückkehr erzählte er aufs Neue mit Begeisterung von seinen Ausfahrten. Mütterchen ihrerseits schilderte dann, wie vielmal sie die lange Pappel-Allee auf- und abgegangen sei. Sie hatte die zur Rechten nach dem Pachthof der Couillards zu gewählt, weil die andere links nicht sonnig genug war.
Weil man ihr empfohlen hatte, einen »richtigen Spaziergang« zu machen, war sie ganz erpicht darauf. Sobald die frische Morgenluft etwas nachgelassen hatte, stieg sie, auf Rosaliens Arm gestützt, die Treppe hinab, in einen Mantel und zwei Shawls gehüllt, auf dem Kopfe einen dichten Hut, über den sie noch ein rotes Tuch geschlagen hatte. Dann begann sie eine endlose Reise auf gerader Linie immer zwischen der Umzäunung des Schlosshofes und den ersten Sträuchern des Bosquets. Den linken Fuss, der etwas angeschwollener war, schleppte sie hierbei nach, und es hatten sich in Folge dessen auf der ganzen Strecke des Weges zwei Streifen gebildet, der eine vom Hin- und der andere vom Zurückgehen, auf denen das Gras völlig abgestorben war. An jedem Ende dieser Promenade hatte sie eine Bank anbringen lassen, und alle fünf Minuten machte sie Halt, indem sie zu ihrer guten geduldigen Begleiterin sagte: »Wir wollen uns setzen, liebes Kind, ich bin etwas müde.«
Und СКАЧАТЬ