Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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»Ob der Herr Pfarrer wohl zu Hause ist?« fragte sie.
»Ich glaube wohl;« antwortete er, »er speist immer nach dem Angelus.«
Mit zitternder Hand öffnete sie die Türe des Pfarrhauses.
Der Pfarrer war gerade beim Essen und hiess sie sich setzen.
»Ja, ja«, sagte er, »Euer Mann hat mir schon von dem gesprochen, was Euch zu mir führt.«
Die arme Frau knickte zusammen.
»Was gibt es also, mein Kind?« fuhr der Priester fort, und ass schnell einige Löffel Suppe, wobei ihm verschiedene Tropfen auf seine etwas fleckige, abgenutzte Soutane fielen.
Rose wagte nicht zu sprechen; sie vermochte es nicht, ihr Leid zu klagen und ihn um Hilfe zu bitten. Stumm erhob sie sich.
»Mut! meine Tochter …« wollte der Pfarrer fortfahren, aber schon wankte sie hinaus.
Sie kam zum Hof zurück, ohne recht zu wissen, wie sie dahin gelangte. Ihr Mann wartete auf sie; die Arbeitsleute waren schon fortgegangen. Da sank sie von Schmerz überwältigt vor ihm auf die Knie und fragte mit tränenerstickter Stimme:
»Was hast Du doch nur gegen mich?«
»Was ich habe?« schrie er tobend auf, »dass ich keine Kinder habe, bei Gott! Wenn man heiratet, so will man doch das ganze Leben hindurch nicht zu Zweien bleiben. Das ist’s, was ich habe. Wenn eine Kuh keine Kälber hat, so taugt sie nichts. Hat eine Frau keine Kinder, so ist sie gleichfalls nichts wert.«
»Es ist doch nicht meine Schuld«, stammelte sie weinend. »Was kann ich denn dafür?«
»Das sage ich auch nicht«, entgegnete er etwas milder gestimmt. »Aber es ist doch gar zu ärgerlich.«
V.
Von diesem Tage an hatte sie nur noch den einen Wunsch, ein Kind zu haben, ein zweites Kind; und sie vertraute aller Welt ihren Wunsch an.
Eine Nachbarin gab ihr ein Mittel an: Sie sollte ihrem Manne jeden Abend ein Glas Wasser mit einer Messerspitze voll Asche zu trinken geben. Der Pächter erklärte sich dazu bereit, aber das Mittel half nichts.
»Vielleicht gibt es dafür irgend ein Geheimmittel«, sagten sie sich und zogen Erkundigungen ein. Man bezeichnete ihnen einen Schäfer, welcher sechs Meilen von dort wohnte; und eines Tages spannte Meister Vallin sein Tilbury ein und fuhr dorthin. Der Schäfer stellte ihm ein Brot zu, auf welchem er gewisse Zeichen gemacht hatte, ein mit besonderen Kräutern durchknetetes Brot, von dem sie beide, so oft sie zusammen schliefen, vorher und nachher essen sollten.
Bald war das ganze Brot aufgezehrt, ohne das ein Erfolg eingetreten wäre.
Der Pfarrer riet zu einer Wallfahrt zum heil. Blut von Fecamp. Rose beeilte sich, diesem Rate zu folgen, und pilgerte mit einer großen Schar von Gläubigen zur Wallfahrtskirche; inständig flehte sie den Himmel an, sie noch einmal zu segnen. Es war umsonst.
Da war sie überzeugt, dass der Himmel sie für ihren ersten Fehltritt bestrafen wolle, und ein ungeheurer Schmerz bemächtigte sich ihrer.
Sie verging vor Kummer; auch ihr Mann alterte sichtlich; er »verzehrte sich selbst« vor innerem Gram, wie man so zu sagen pflegte, hatte aber dabei fast jeden Monat einmal wieder eine neue Hoffnung.
Das Verhältnis zwischen beiden wurde immer unerträglicher; er beleidigte sie auf alle mögliche Weise und schlug sie schliesslich sogar. Er quälte sie den ganzen Tag und die ganze Nacht mit seinen Vorwürfen und rücksichtslosen Grobheiten.
Eines Nachts, als er schon nicht mehr wusste, welche neue Qual er für sie ersinnen sollte, befahl er ihr aufzustehen und bei dem heftigsten Regen draussen im Hofe auf den Anbruch des Tages zu warten. Als sie nicht folgen wollte, ergriff er sie am Halse und traktierte sie mit Faustschlägen ins Gesicht. Sie sagte nichts und rührte sich nicht. Ausser sich vor Wut kniete er auf ihr; er knirschte mit den Zähnen und hätte sie am liebsten ums Leben gebracht. Da bäumte sich ihr ganzes Innere auf, und mit einer heftigen Bewegung schleuderte sie ihn gegen die Wand, setzte sich auf und rief ihm mit völlig veränderter gellender Stimme zu:
»Ich habe ein Kind, ja, ich habe eins; ich habe es von Jacques, Du weißt schon, von Jacques. Er hätte mich heiraten sollen; aber er hat sich davon gemacht.«
Wie versteinert blieb der Mann an der Wand liegen, er war ebenso ausser sich, wie sie selbst.
»Was sagst Du«, stotterte er; »was sagst Du da?«
Sie konnte nun endlich wieder weinen und stammelte unter heftigem Schluchzen:
»Deshalb wollte ich Dich ja nicht heiraten, bloß deshalb. Ich konnte es Dir ja nicht sagen; Du hättest mich mit samt meinem Kinde brotlos gemacht. Du hast ja von so etwas keine Ahnung; Du weißt es nicht, Du fühlst das nicht.«
»Du hast ein Kind? Wirklich, Du hast ein Kind?« wiederholte er immer wieder maschinenmässig, mit stets wachsendem Erstaunen.
»Du hast mich mit Gewalt zur Deinen gemacht«, sagte sie unter heftigem Schluchzen. »Du weißt es doch noch? Ich wollte Dich ja gar nicht heiraten.«
Da stand er auf, zündete Licht an und begann, die Hände auf dem Rücken, im Zimmer auf und ab zu gehen. Sie weinte fortwährend, sich in die Kissen vergrabend. Plötzlich blieb er vor ihr stehen:
»Also an mir liegt der Fehler?« sagte er. Sie antwortete nicht. Er ging wieder weiter, dann blieb er wieder stehen und fragte:
»Wie alt ist denn Dein Kleines?«
»Sechs Jahre ist es geworden«, murmelte sie.
»Aber warum hast Du es mir denn nicht gesagt?« fragte er wieder.
»Konnte ich das denn?« seufzte sie.
»Vorwärts!« sagte er, immer noch auf seinem Platze bleibend, »steh auf!«
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