Название: Lago Maggiore Reiseführer Michael Müller Verlag
Автор: Marcus X. Schmid
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги о Путешествиях
Серия: MM-Reiseführer
isbn: 9783956548611
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umzuwandeln. Die Politiker hatten wohl eingesehen, dass das Parkproblem auch mit Parkplätzen auf dem berühmten Platz nicht zu lösen ist.
In der ersten Augusthälfte zeigt die Piazza zehn Tage lang ein ganz anderes Gesicht. Tausende von schwarzen und gelbe Plastikstühlen stehen auf dem Pflaster, die Cafés sind noch voller, die Parkprobleme noch größer - das international berühmte „Locarno Film Festival“ geht über die Bühne (→ Kastentext).
Roy Lichtenstein in der Ghisla Art Collection
Palazzo del Pretorio: An der Via della Pace, die beim Casino südlich wegführt, steht eine stattliche Gründerzeitvilla mit ein paar Palmen davor. Heute sind im Palast, der 1925 im Brennpunkt der Europapolitik stand (→ Kastentext „Als ganz Europa nach Locarno blickte“), die Polizei, das Gesundheits- und das Finanzamt der Stadt untergebracht. Einzig eine Tafel mit Foto erinnert an die hier ausgehandelten Verträge, die als Locarnopakt in die Geschichte eingingen - und der Name der Straße: Via della Pace. Wer mehr über den Locarnopakt erfahren will, muss sich ins Castello Visconteo begeben. Dort ist eine ebenso ausführliche wie interessante Dokumentation über die Konferenz zu sehen.
Castello Visconteo: Das einstige Schloss der Visconti, Herzöge von Mailand, beherbergt heute in erster Linie das wenig aufregende archäologische Museum der Stadt. Interessanter sind der „Saal des Pakts von Locarno“, eine ausführliche Dokumentation (auf Italienisch) zum Locarnopakt, und der Spaziergang durch die historischen Gemäuer mit den mittelalterlichen Torbögen, aristokratischen Wappen, Freskenresten und Graffiti von Gefangenen.
Schon die Aufgangstreppe mit ihrem Anbetungsfresko versetzt den Besucher in andere Zeiten. Der darauf folgenden kleinen Loggia haben die Deutschschweizer Herrscher ihren Stempel aufgedrückt, von der Veranda der Landvögte („lanvocti“) blickt man dann unversehens auf das Parkhaus des modernen Locarno. Ganz oben, im mittelalterlichen Turm, der noch bis ins 19. Jahrhundert als Gefängnis genutzt wurde. schwört grimmig ein ehemaliger Häftling in deutscher Sprache: „Rache“.
Andere, viel ältere Graffiti sind im sogenannten „Alphabet von Lugano“ geschrieben, das sich an der etruskischen Schrift orientiert, die entsprechende gesprochene Sprache „Leponzia“ ist keltischen Ursprungs.
Locarno
Im „Saal des Pakts von Locarno“ sind nicht nur Tintenfass und Stempel für die historischen Unterschriften zu sehen, sondern auch die täglichen Bulletins der Konferenz, die vom 5. bis 16. Oktober 1925 dauerte: Am 11. Oktober begaben sich die Politiker auf eine Vergnügungsfahrt auf dem Lago, am 15. Oktober hatte der deutsche Außenminister Stresemann das letzte Wort, der Protokollant hält auf Französisch, der Sprache der Diplomaten, fest: „Les Allemands sont des gens terriblement difficultueux; ils veulent toujours avoir le dernier mot“ (Die Deutschen sind fürchterlich kompliziert, sie wollen immer das letzte Wort haben).
♦ April-Okt. Di-So 10-12 und 14-17 Uhr. Eintritt 10 CHF.
Ghisla Art Collection: Der zur Straße hin fensterlose Kubus, mit einem feinmaschigen, roten Drahtnetz verkleidet und rundum von einem Wassergraben umgeben, ist ein Meisterwerk des Architekturbüros Moro & Moro. Dass es sich um ein umgebautes Dreifamilienhaus handelt, mag der Betrachter kaum glauben. In diesem auffälligen Würfel machen seit 2014 Martine und Pierino Ghisla ihre private Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich. Das Museum besitzt rund 200 Kunstwerke der Moderne: Unter anderem sind Miró, Magritte Picasso, Dubuffet, Appel und Vasarely vertreten. Ein Teil der permanenten Ausstellung ist gänzlich den Amerikanern, insbesondere der Pop- und Graffiti-Art (Roy Lichtenstein, Keith Haring, James Rosenquist u. a.) vorbehalten. Eine jährlich wechselnde Sonderausstellung ergänzt das Angebot. Das kunstsinnige Gründerpaar schließt mit seiner privaten Initiative eindeutig eine Lücke im Kulturangebot der Stadt.
♦ März-Dez. Mi-So 14-19 Uhr; Nov. bis Jan. Fr-So 13.30-18 Uhr. Eintritt 15 CHF.
Chiesa Sant’Antonio Abate: Die Hauptkirche der Stadt zeigt eine wuchtige Architektur und eine klassizistische Fassade, so recht überzeugen mag das nicht. Im Innern ist einzig die barocke Kreuzabnahme in der rechten Seitenkapelle vor dem Chor sehenswert, ein Werk des einheimischen Künstlers Giuseppe Antonio Felice Orelli, Mitglied einer lokalen Künstlerfamilie, die im Tessin hier und dort ihre Spuren hinterlassen hat.
Bis vor wenigen Jahren noch nisteten Fahlsegler im alten Gemäuer von Sant’Antonio Abate, rare Vögel, mit den Mauerseglern verwandt und Flugakrobaten wie diese. Doch heute sind die Nistlöcher vergittert, mit den Tauben hat man auch die Fahlsegler vertrieben.
Casa Rusca: Das alte Patrizierhaus an der Piazza vor der Kirche ist heute Sitz der städtischen Kunstsammlung. Allein mit dem Nachlass des Dadaisten Hans (Jean) Arp - neben eigenen Werken auch seine Privatsammlung, zu der u. a. Chagall, Picasso, Braque und Calder gehörten - könnte sich die Pinakothek sehen lassen. Doch will sie dies nicht und beschränkt sich auf wechselnde Sonderausstellungen.
Als ganz Europa nach Locarno blickte
Großer Bahnhof in Locarno! Im Oktober 1925 kommen in der Stadt am See die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Belgiens, Großbritanniens, Italiens, Polens und der Tschechoslowakei zum Gipfeltreffen zusammen. Zwölf Tage lang brüten die Spitzenpolitiker über einem Vertragswerk, das Europa sicherer machen sollte. Wichtigstes Resultat: Deutschland, als Verlierer des Ersten Weltkriegs international isoliert, anerkennt die im Versailler Vertrag festgelegte Westgrenze und stimmt der Entmilitarisierung des Rheinlands zu. Im folgenden Jahr wird Deutschland in den Völkerbund aufgenommen, und die beiden Hauptarchitekten des „Locarnopakts“, die Außenminister Gustav Stresemann (Deutschland) und Aristide Briand (Frankreich), erhalten den Friedensnobelpreis.
Gerade noch rechtzeitig zur Verabschiedung des Pakts tauchte Mussolini, damals gerade frischgebackener Diktator, in Locarno auf. Ein Schnellboot führte ihn bis Brissago, wo er in einen Alfa Romeo umstieg. Die Schweizer Regierung, die ihn vier Jahre zuvor mit einem Einreiseverbot belegt hatte, hieß ihn ausdrücklich willkommen.
Chiesa San Francesco: Die dreischiffige Franziskanerkirche, Zentrum der deutschsprachigen Katholiken des Locarnese, wurde im Wesentlichen von Mitgliedern der lokalen Künstlerfamilie Orelli ausgestattet.
Chiesa Nuova (Santa Maria Assunta): Das schöne Kirchlein steht versteckt an der Via Citadella und wird leicht übersehen. Die schmucke Fassade wird von einer großen Christophorus-Skulptur bewacht, in den Nischen stehen die Heiligen Rochus und Sebastian (unten), Viktor und Michael (oben). Im Kircheninneren überrascht vor allem die prächtige Stuckdecke. Links führt eine Tür (oft verschlossen) zum Innenhof der Casa dei Canonici (Domherrenhaus) mit doppelter Loggia und einem verträumten Garten - ein idealer Ort, um die Fischgerichte des Restaurants „Citadella“, das hier einige Tische hingestellt СКАЧАТЬ