Der Schreiberling. Patrick J. Grieser
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Название: Der Schreiberling

Автор: Patrick J. Grieser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der Primus

isbn: 9783947816040

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СКАЧАТЬ Pickett zu spielen. Der Flügel hatte einen kräftigen Klang. Die Musik hallte bis in den letzten Winkel des Foyers. Es war ein melancholisches Lied, das dieser kahlköpfige Mann spielte. Die Melodie so zart und gefühlvoll gespielt, dass sie sofort das Herz jedes Zuhörers berührte. Fast andächtig nahm Willard seinen Hut ab und setzte sich auf die Ledercouch.

      Die stählernen Gesichtszüge von Desmond Pickett entspannten sich schlagartig. Hier an seinem Flügel, da konnte er seinen inneren Frieden finden. Für einen Moment vergaß er die ständige Anspannung und seine Zwänge. Hier an diesem Flügel konnte er den Hass und die unbändige Wut hinter sich lassen. An diesem wunderbaren Instrument war er in der Lage, Gefühle zu spüren, die ihm sonst verschlossen blieben. Und so spielte er mit einem Engelsgesicht fast eine ganze Stunde. Willard saß auf der Couch, den Blick auf einen imaginären Punkt an der Wand gerichtet, versunken in seinen eigenen Erinnerungen.

      Es kamen mehrere von Desmonds Männern ins Foyer, doch niemand wagte es, den Boss in seinem Spiel zu unterbrechen. Einige verharrten und lauschten den gefühlvollen Klängen, ehe sie förmlich auf Zehenspitzen in den angrenzenden Räumen verschwanden.

      Die Melodien, die Desmond spielte, waren allesamt sehr melancholisch gefärbt. Aus ihnen sprach eine tiefe Sehnsucht nach etwas, was verloren gegangen war und niemals wiederkommen würde.

      Plötzlich verstummte der Flügel, die letzten Klänge waren nur noch eine schwache Erinnerung. Willard erwachte aus seinen Gedanken und blickte in Richtung Pickett, dessen Gesichtszüge wieder angespannt waren. Sein haarloser Kopf glich einmal mehr einem Totenkopf.

      »Die Männer haben Neuigkeiten von Jeremy Slater.«

      Pickett schwieg, aber sein Gesicht sprach Bände, denn es verfinsterte sich noch mehr.

      »Seine Maverickjäger haben am Yeoman-Canyon fast hundert Rinder gestohlen. Jetzt tragen sie das Brandzeichen der Blue-Lodge-Ranch.«

      Noch immer zeigte Pickett keine Reaktion.

      »Wir müssen diesem Bastard endlich zeigen, dass es in diesem Land nur ein Gesetz gibt. Und zwar unseres!«

      Doch Picketts Gesicht war weiterhin wie versteinert.

      »Desmond?«

      »Hundert Rinder sagst du?«, fragte Pickett plötzlich, als würde er aus einem tiefen Traum erwachen.

      »Yeah.«

      Jetzt endlich erhob sich Pickett von dem kleinen Lederschemel und trat hinter dem Flügel hervor. Seine Gelenke knackten beim Gehen. »Weißt du, wenn das so weitergeht, wird es hier bald keine Rinder mehr geben. Und du weißt, was das heißt?«

      »Die Siedler werden kommen!«, stellte Willard lakonisch fest.

      »Ganz recht. Sie werden dieses Land einnehmen und verseuchen. Sie werden ihre verfluchten Kirchen errichten und stinkende Fabriken eröffnen. Dies ist das Land meiner Väter. Sie haben ihr Leben dafür gegeben. Kein verdammter Siedler wird sich hier niederlassen!«

      »Mach das mal der Regierung klar!«

      »Ich ficke die Regierung in den Arsch, wenn es sein muss!«

      »Slater ist zu einem echten Problem geworden. Wir müssen handeln, Desmond.«

      »Ich habe so eine verdammte Wut im Bauch«, zischte Pickett und sein ganzer Körper verkrampfte. Willard bemerkte, dass Picketts Schläfe pochte. Das war kein gutes Zeichen! Der Boss würde sich gleich abreagieren. Er konnte die Spannung förmlich spüren, die ihm von seinem Gegenüber entgegenschlug.

      Hastig ging Desmond Pickett an dem Revolverheld vorbei, riss die Tür auf und trat auf die Veranda. Im Hof herrschte emsiges Treiben. Ein Leiterwagen wurde von mehreren Männern mit nacktem Oberkörper ausgeladen. Einige Köpfe blickten erwartungsvoll hoch, als sie Pickett sahen.

      Desmond sah aus dem Augenwinkel den jungen Mann mit den indianischen Wurzeln, der gerade dabei war, eine Winchesterbüchse zu reinigen. Als ob das Halbblut Picketts wutentbrannten Blick spüren würde, blickte es von seiner Arbeit auf. Das Mündungsfeuer war das Letzte, was dessen Gehirn registrierte, bevor es in tausend Stücke geblasen wurde.

      Pickett blies die Rauchfahne von seinem Colt und ließ die Waffe wieder in seinem Halfter verschwinden. Niemand sagte etwas. Die Männer starrten nur gebannt auf den zuckenden Körper des jungen Mannes, dessen Beine über den Boden schabten, als wollten sie nicht wahrhaben, dass sämtliches Leben aus dem Körper gewichen war. Die blaue Hose verfärbte sich dunkel, als sich die Blase zu entleeren begann. Auf dem Boden lag ein Teil seines Hirns.

      »Glotzt nicht so blöd! Geht an die Arbeit!«, schrie Pickett seine Männer an. Und diesmal machte er sich nicht die Mühe zu schauen, ob sie seinem Befehl nachkamen. Wie ein Irrer wirbelte er herum und verschwand wieder im Haupthaus der Three-Pearls-Ranch.

      »Geht's dir jetzt besser?«, fragte Willard.

      »Um dieses dreckige Halbblut ist es nicht schade!«, erwiderte Pickett gereizt.

      »Irgendwann wirst du noch den Nigger erschießen und das wäre verdammt schade. Keiner kann so gut kochen wie Earl.«

      »Können wir jetzt essen?«

      »Seit einer halben Stunde!«

      »Warum hast du nichts gesagt?«

      »Niemand stört den Boss beim Klavierspielen! Ist schlecht für die Gesundheit«, antwortete Willard und klopfte Desmond auf die Schultern. »Selbst für einen Mann meines Kalibers!«, ergänzte er trocken.

      »Geh schon mal vor, ich komme gleich nach. Ich möchte noch nach meiner kleinen Raubkatze sehen!«

      »Ich werde Earl sagen, dass er das Essen warm halten soll. Wenn du zu deiner Raubkatze gehst, dann wirst du dich so schnell nicht mehr hier oben blicken lassen!«, meinte Willard mit einem fetten Grinsen im Gesicht.

      »Nein, nein … ich komme gleich! Für heute habe ich mein Pulver schon verschossen!«

      »Aye!«

      Desmond Pickett winkte seinem besten Mann zu und verließ das Foyer durch eine kleine Tür in der Ecke des Raumes. Eine Treppe führte hinunter in den Keller. Das Haupthaus war das einzige Gebäude auf der Three-Pearls-Ranch, das unterkellert war. Der Keller beherbergte mehrere kostbare Weine aus der Alten Welt, für die Desmond Pickett ein halbes Vermögen bezahlt hatte. Die Flaschen waren mit Schiffen aus dem französischen Seehafen Saint Nazaire nach New York gekommen.

      Der Boss der Three-Pearls-Ranch schritt an den Regalen vorbei, blieb hier und da kurz stehen, um eine besonders wertvolle Flasche in die Hand zu nehmen. Die Flaschen waren mit einer dicken Staubschicht überzogen; Desmond Pickett gönnte sich nämlich nur selten ein Glas Wein, denn dafür waren sie ihm zu kostbar. Für ihn war es mehr eine Sammlung an außergewöhnlichen Raritäten, mit denen er wichtige Gäste zu beeindrucken versuchte. Hinter den Regalen gab es eine geräumige Kammer, die durch ein rostiges Gitter verschlossen war. Desmond Pickett fischte einen kleinen Schüssel aus seiner Brusttasche. Im Nu hatte er das Gitter geöffnet und betrat das fensterlose Gewölbe. In früheren Zeiten hatte Pickett senior den Kellerraum als Waffenlager genutzt, doch jetzt befanden sich sämtliche Waffen und Munition in einem angrenzenden Gebäude der Three-Pearls-Ranch.

      Der Geruch von Exkrementen wehte Pickett entgegen. Es dauerte einige Augenblicke, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt СКАЧАТЬ