Название: David Copperfield
Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Жанр: Книги для детей: прочее
Серия: Klassiker bei Null Papier
isbn: 9783954183500
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»Kannst du wirklich nicht, David?« fragte er. »Wir wollens mal versuchen.«
Er hielt meinen Kopf fest wie in einem Schraubstock. Aber ich entwand mich doch noch, und es gelang mir, ihn einen Augenblick aufzuhalten. Nur einen Augenblick, denn gleich darauf versetzte er mir einen heftigen Schlag. In demselben Augenblick erhaschte ich seine Hand mit meinem Mund und biss sie durch und durch. Es zuckt mir jetzt noch in den Zähnen, wenn ich daran denke.
Er schlug mich dann, als ob er mich totpeitschen wollte. Durch all den Lärm, den wir machten, hörte ich die anderen die Treppe heraufrennen und aufschreien – ich hörte meine Mutter aufschreien – und Peggotty. Dann war er fort, und die Tür war von außen verschlossen. Und ich lag fieberheiß und zerrissen und wund auf dem Boden und raste in ohnmächtiger Wut.
Ich weiß mich gut zu erinnern, welch unnatürliche Stille im ganzen Haus herrschte, als ich wieder ruhig wurde. Ich kann mich gut entsinnen, als Schmerz und Leidenschaft sich legten, wie schlecht ich mir vorkam.
Ich saß lange Zeit lauschend da, aber es war kein Laut zu vernehmen. Ich raffte mich vom Boden auf und sah mein Gesicht im Spiegel so verschwollen und entstellt, dass ich mich entsetzte. Die Striemen waren wund und hart, und ich musste aufschreien, wenn ich mich rührte. Aber sie waren nichts gegen mein Schuldbewusstsein. Es lastete schwer auf meiner Brust, wie wenn ich der schlimmste Verbrecher gewesen wäre.
Es fing an zu dunkeln, und ich machte das Fenster zu, – ich hatte die ganze Zeit über mit dem Kopf auf dem Fensterbrett gelegen und abwechselnd geweint, halb geschlafen oder gedankenlos hinausgesehen, – als sich der Schlüssel herumdrehte und Miss Murdstone mit Brot, Fleisch und Milch hereintrat. Ohne ein Wort zu sprechen, setzte sie es auf den Tisch und starrte mich währenddessen ununterbrochen mit größter Festigkeit an, entfernte sich dann und schloss die Türe hinter sich zu.
Noch lange saß ich im Dunkeln da und grübelte, ob sonst noch jemand kommen werde. Als das für diesen Abend unwahrscheinlich wurde, zog ich mich aus und ging zu Bett und fing an, mich furchtsam zu fragen, was jetzt wohl mit mir geschehen würde. War es ein Verbrechen, das ich begangen hatte? Würde man mich verhaften und ins Gefängnis stecken, mich am Ende gar hängen?!
Ich werde nie das Erwachen am nächsten Morgen vergessen: Im ersten Augenblick froh und heiter, war ich plötzlich durch die erwachende Erinnerung wie niedergeschmettert. Miss Murdstone erschien wieder, ehe ich mich erhob, sagte mir mit kurzen Worten, dass ich eine halbe Stunde, aber nicht länger, spazierengehen dürfte, und verschwand. Sie ließ diesmal die Türe offen, damit ich von der Erlaubnis Gebrauch machen könnte.
Ich tat es und jeden folgenden Morgen meiner Gefangenschaft, die fünf Tage dauerte. Wenn ich meine Mutter allein hätte sehen können, wäre ich vor ihr auf die Knie gefallen und hätte sie um Verzeihung gebeten, aber ich bekam niemand zu Gesicht, außer Miss Murdstone. Eine Ausnahme bildete nur die Zeit des Abendgebetes in der Wohnstube; dorthin führte mich Miss Murdstone, und ich musste wie ein junger Sträfling an der Tür stehen bleiben, während alle ihre Plätze einnahmen; und ehe sie sich erhoben, führte mich meine Kerkermeisterin mit großer Feierlichkeit wieder ins Gefängnis. Ich bemerkte, dass meine Mutter, am allerweitesten von mir entfernt, ihr Gesicht von mir abgewandt hielt, und dass Mr. Murdstones Hand mit einem großen leinenen Tuch verbunden war.
Wie entsetzlich lang mir diese fünf Tage wurden, kann ich nicht beschreiben. Sie nehmen in meiner Erinnerung den Raum von Jahren ein. Die Spannung, mit der ich allen Vorkommnissen im Hause lauschte, das Klingeln, das Öffnen und Schließen von Türen, das Murmeln von Stimmen, die Schritte auf den Treppen, das Lachen, Pfeifen und Singen draußen, das mir in meiner Einsamkeit und Verstoßenheit furchtbarer erschien, als alles andere, das ungewisse Schleichen der Stunden, besonders des Nachts, wenn ich in dem Glauben aufwachte, es sei schon Morgen, während die Familie noch nicht zu Bett gegangen war und ich noch die ganze lange Nacht vor mir hatte, – die quälenden Träume mit ihrem Alpdrücken, – die Wiederkehr von Morgen, Mittag, Nachmittag und Abend, wo die Jungen draußen auf dem Kirchhof spielten, und ich sie vom Hintergrund des Zimmers aus beobachtete, weil ich mich schämte, mich wie ein Gefangener am Fenster zu zeigen, – das fremdartige Gefühl, dass ich mich nie sprechen hörte, – die flüchtigen Pausen schnell entschwindender Erleichterung, die mit dem Essen und Trinken kam und wieder ging, der Regen eines Abends mit seinem frischen Duft, wie er immer dichter und dichter wurde zwischen mir und der Kirche, bis er und die hereinbrechende Nacht mich in einer Finsternis von Furcht und Reue zu ersticken drohten, – alles das scheint Jahre statt Tage gedauert zu haben, so lebendig und tief hat es sich mir eingeprägt.
In der letzten Nacht meiner Haft wachte ich auf und hörte meinen Namen flüstern. Ich richtete mich im Bett auf, breitete meine Arme im Dunkeln aus und fragte:
»Bist dus, Peggotty?«
Es kam nicht sogleich eine Antwort. Aber nicht lange darauf hörte ich wieder meinen Namen in einem so geheimnisvollen und schaurigen Ton, dass ich vor Schrecken wahrscheinlich ohnmächtig geworden wäre, hätte ich nicht plötzlich begriffen, dass er durch das Schlüsselloch kommen müsse. Ich tappte mich zur Tür, legte den Mund an das Schlüsselloch und flüsterte:
»Bist dus, liebe Peggotty?«
»Ja, mein einziger lieber Davy. Sei so leise wie eine Maus, sonst hört uns die Katze.«
Ich verstand sogleich, dass Miss Murdstone gemeint war, und fühlte die Notwendigkeit der Vorsicht, denn ihr Zimmer stieß dicht an meines.
»Was macht Mama, liebe Peggotty? Ist sie sehr böse auf mich?«
Ich konnte hören, dass Peggotty leise vor der Tür weinte, – wie ich, ehe sie antworten konnte:
»Nein, nicht sehr.«
»Was wird mit mir geschehen, liebe Peggotty? Weißt du es?«
»Schule. Bei London«, war Peggottys Antwort. Sie musste es noch einmal wiederholen, denn sie hatte es das erste Mal in meinen Hals hineingesprochen, weil ich vergaß, den Mund vom Schlüsselloch wegzunehmen und das Ohr daranzulegen. Ihre Worte kitzelten mich sehr, aber verstehen konnte ich sie nicht.
»Wann, Peggotty?«
»Morgen.«
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