David Copperfield. Charles Dickens
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Читать онлайн книгу David Copperfield - Charles Dickens страница 22

Название: David Copperfield

Автор: Charles Dickens

Издательство: Bookwire

Жанр: Книги для детей: прочее

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783954183500

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СКАЧАТЬ denn Miss Murd­sto­ne konn­te mich nie un­be­schäf­tigt se­hen; und wenn ich un­vor­sich­ti­ger­wei­se mer­ken ließ, dass ich ge­ra­de nichts zu tun hat­te, so lenk­te sie ih­res Bru­ders Auf­merk­sam­keit auf mich, in­dem sie sag­te: »Lie­be Kla­ra, es geht nichts über die Ar­beit, – gib dei­nem Jun­gen et­was auf.« Und das hat­te stets zur Fol­ge, dass ich so­fort über eine neue Ar­beit ge­duckt wur­de. Von Zer­streu­un­gen mit an­de­ren Kin­dern mei­nes Al­ters war kaum die Rede, denn dem fins­tern Pu­ri­ta­nis­mus der Murd­sto­nes er­schie­nen alle Kin­der wie eine Brut klei­ner Vi­pern. Als ob nie­mals ein Kind in die Mit­te der Jün­ger ge­stellt wor­den wäre!

      Die na­tür­li­che Fol­ge die­ser viel­leicht sechs Mo­na­te oder noch län­ger fort­ge­setz­ten Be­hand­lungs­wei­se war, dass ich ganz stumpf, ver­stockt und schwer von Be­grif­fen wur­de. Nicht we­nig trug dazu bei, dass ich mich täg­lich mehr mei­ner Mut­ter ent­frem­det fühl­te. Ich glau­be, wenn mir nicht ein glück­li­cher Um­stand ge­hol­fen hät­te, ich wäre blöd­sin­nig ge­wor­den.

      Und das war fol­gen­der. Mein Va­ter hat­te eine klei­ne Bü­cher­samm­lung in ei­ner Dach­stu­be ne­ben mei­nem Schlaf­raum, um die sich nie­mand küm­mer­te, hin­ter­las­sen. Aus die­sem ge­seg­ne­ten klei­nen Stüb­chen ka­men Ro­de­rick Ran­dom, Pe­re­gri­ne Pick­le, Hum­phrey Clin­ker, Tom Jo­nes, der Land­pre­di­ger von Wa­ke­field, Don Qui­cho­te, Gil Blas und Ro­bin­son Cru­soe – eine glor­rei­che Schar – zu mir, um mir Ge­sell­schaft zu leis­ten. Sie er­hiel­ten mei­ne Fan­ta­sie le­ben­dig – und mei­ne Hoff­nung auf et­was über die­sen Ort und die­se Zeit hin­aus; sie und Tau­send­und­ei­ne Nacht und die per­si­schen Mär­chen brach­ten mir kei­nen Scha­den, denn was in ei­ni­gen von ih­nen Schäd­li­ches sein moch­te, war für mich nicht da; ich ver­stand nichts da­von. Es ist mir nur un­be­greif­lich, wo­her ich in­mit­ten mei­nes Ho­ckens und Brü­tens über schwie­ri­ge­re The­men die Zeit nahm, alle die­se Bü­cher zu le­sen. Es ist mir jetzt wun­der­bar, wie es für mich in mei­nen klei­nen und doch so großen Lei­den tröst­lich sein konn­te, dass ich die Rol­len mei­ner Lieb­ling­s­cha­rak­tere in die­sen Ge­schich­ten auf mich über­trug und Mr. und Miss Murd­sto­ne mit al­len schlech­ten be­dach­te. Eine gan­ze Wo­che lang war ich Tom Jo­nes in Kin­der­ge­stalt. Die Rol­le Ro­de­rick Ran­doms habe ich wohl einen Mo­nat lang ge­spielt.

      Ich fraß förm­lich ein paar Bän­de Rei­se­be­schrei­bun­gen, ich weiß nicht mehr, wel­che, und ta­ge­lang bin ich in der obe­ren Re­gi­on des Hau­ses heim­lich um­her­ge­streift, be­waff­net mit dem Mit­tel­stück ei­nes al­ten Stie­fel­hol­zes, als Ka­pi­tän Sound­so von der kö­nig­lich bri­ti­schen Flot­te, der von Wil­den be­droht war und sein Le­ben so teu­er wie mög­lich ver­kau­fen woll­te. Nie­mals ver­lor der Ka­pi­tän sei­ne Wür­de, wenn ihm die la­tei­ni­sche Gram­ma­tik um die Ohren ge­schla­gen wur­de. Ich litt wohl dar­un­ter, der Ka­pi­tän aber blieb Ka­pi­tän und ein Held trotz al­ler Gram­ma­ti­ken, al­ler le­ben­den und to­ten Spra­chen.

      Das bil­de­te mei­nen ein­zi­gen und be­stän­di­gen Trost. Wenn ich dar­an den­ke, steht mir ein Som­mer­abend vor Au­gen, wo die Kin­der drau­ßen auf dem Kirch­hof spiel­ten und ich auf dem Bet­te saß und auf Tod und Le­ben drauf­los­las. Jede Scheu­ne in der Nach­bar­schaft, je­der Stein in der Kir­che, je­der Fuß­breit des Fried­hofs stan­den in mei­ner See­le in Ver­bin­dung mit die­sen Bü­chern und ver­tra­ten die Stel­le ei­nes in ih­nen be­rühmt ge­w­ord­nen Or­tes. Ich habe ge­se­hen, wie Tom Pi­pes den Kirch­turm hin­auf­klet­ter­te, habe Strab mit dem Schnapp­sack auf dem Rücken be­ob­ach­tet, wie er an der Git­ter­pfor­te am Zaun aus­ruh­te, und ich weiß, dass Com­mo­do­re Trun­ni­on sei­ne Klub­sit­zung mit Mr. Pick­le in der Gast­stu­be un­se­rer klei­nen Dorf­schen­ke ab­hielt. So war ich da­mals ge­ar­tet, als das Er­eig­nis ein­trat, von dem ich jetzt be­rich­ten will.

      Ei­nes Mor­gens, als ich mit mei­nen Bü­chern in das Wohn­zim­mer trat, be­merk­te ich, dass mei­ne Mut­ter sehr ängst­lich aus­sah und Miss Murd­sto­ne sehr fest, wäh­rend Mr. Murd­sto­ne et­was um das un­te­re Ende ei­nes Rohr­stockes wi­ckel­te. Es war ein ge­schmei­di­ges und schäch­ti­ges Rohr, das er in der Hand wipp­te und durch die Luft sau­sen ließ, als ich her­ein­kam.

      »Ich sage dir doch, Kla­ra«, be­merk­te Mr. Murd­sto­ne, »ich selbst bin oft durch­ge­hau­en wor­den.«

      »Ge­wiss, selbst­ver­ständ­lich«, sag­te Miss Murd­sto­ne.

      »Ge­wiss, lie­be Jane«, stam­mel­te mei­ne Mut­ter de­mü­tig. »Aber – aber meinst du, dass es Ed­ward gut­ge­tan hat?«

      »Glaubst du, dass es Ed­ward ge­scha­det hat, Kla­ra?« frag­te Mr. Murd­sto­ne ernst.

      »Das ist der sprin­gen­de Punkt«, sag­te sei­ne Schwes­ter.

      »Ge­wiss, lie­be Jane«, wei­ter sag­te mei­ne Mut­ter nichts mehr.

      Mich be­schlich das Ge­fühl, dass sich das Zwie­ge­spräch auf mich be­zö­ge. Und ich such­te und be­geg­ne­te Mr. Murd­sto­nes Blick.

      »Nun, Da­vid?« sag­te er und sein Auge blitz­te. »Du musst dich heu­te viel mehr in acht neh­men als ge­wöhn­lich.« Er hieb wei­ter mit dem Rohr durch die Luft, und nach­dem er die­se Vor­be­rei­tung be­en­digt hat­te, leg­te er es mit aus­drucks­vol­lem Blick ne­ben sich hin und nahm ein Buch zur Hand.

      Nur für den Be­ginn war dies eine gute Auf­fri­schung mei­ner Geis­tes­ge­gen­wart. Dann fühl­te ich, wie die Wor­te mir beim Auf­sa­gen ent­schwan­den, nicht ein­zeln oder zei­len­wei­se, son­dern gleich gan­ze Sei­ten lang. Ich ver­such­te mei­ne Ge­dan­ken wie­der ein­zu­fan­gen, aber es war, als ob sie Schlitt­schu­he an­hät­ten und mit un­auf­halt­sa­mer Ge­schwin­dig­keit weg­g­lit­ten.

      Wir fin­gen schlecht an und fuh­ren noch schlech­ter fort. Ich war her­ein­ge­kom­men mit dem Be­wusst­sein, dass ich mich heu­te so­gar aus­zeich­nen wür­de, denn ich glaub­te recht gut vor­be­rei­tet zu sein, aber es stell­te sich als voll­stän­di­ger Irr­tum her­aus. Ein Buch nach dem an­de­ren ver­mehr­te den Hau­fen der Rück­stän­de, und Miss Murd­sto­ne wand­te die gan­ze Zeit über den Blick nicht von uns. Und als wir end­lich zu den fünf­tau­send Kä­sen ka­men, – er mach­te an die­sem Tage Rohr­stö­cke dar­aus –, fing mei­ne Mut­ter zu wei­nen an.

      »Kla­ra!« sag­te Miss Murd­sto­ne mit war­nen­der Stim­me.

      »Ich füh­le mich nicht ganz wohl, mei­ne lie­be Jane, glau­be ich«, sag­te mei­ne Mut­ter.

      Ich sah Mr. Murd­sto­ne fei­er­lich sei­ner Schwes­ter zu­win­ken, als er auf­stand, das Rohr nahm und sag­te:

      »Nun, Jane, wir kön­nen kaum er­war­ten, dass Kla­ra mit un­er­schüt­ter­li­cher Fes­tig­keit den Är­ger und die Qual trägt, die Da­vid ihr heu­te ver­ur­sacht hat. Das wür­de sto­isch sein. Kla­ra hat sich sehr ge­fes­tigt und ist viel stär­ker ge­wor­den, aber wir kön­nen kaum so viel von ihr er­war­ten. Da­vid, wir wol­len jetzt bei­de hin­auf­ge­hen.«

      Als er mich aus der Türe zog, rann­te mei­ne Mut­ter auf uns zu. Miss СКАЧАТЬ