Das Licht ist hier viel heller. Mareike Fallwickl
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Название: Das Licht ist hier viel heller

Автор: Mareike Fallwickl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783627022747

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СКАЧАТЬ zeigten, drehte ich mich um. Ich sah das Flackern. Ich wusste, dass ich es war, die brannte. Aber ich war starr, wie in einem Vakuum, ich konnte nicht reagieren. Das Kleid brannte gut, am oberen Rücken habe ich eine walnussgroße Narbe. Trotz der Schmerzen fühlte es sich an, als würde ich nur zusehen, als wäre ich nicht Teil der Situation, nicht Teil meines Lebens. Und manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich diesen Zustand seitdem nicht mehr verlassen.

      Spin kifft im Keller.

      »Hast du keine Angst, dass sie was riecht?«

      »Sie kommt doch nie hier runter. In den Keller schickt sie nur Barbara. Oder uns.«

      »Auch wieder wahr.«

      Ich atme den würzigen Duft ein. Ich höre die Stimme von Mama, die oben mit jemandem schimpft. Die Marmeladengläser von Barbara sind ordentlich nebeneinander aufgereiht. Rhabarber. Marille. Erdbeer.

      Spin gibt mir den Ofen, ich nehme einen Zug, behalte den Rauch eine Weile im Mund.

      »Wie hat sie dich dazu gebracht?«, frage ich und deute auf die Fliege, die um seinen Hemdkragen gebunden ist.

      »Das geringere Übel«, sagt er, »sonst hätte sie es mir wieder eine Woche lang vorgeworfen, und so hab ich stattdessen einen Pluspunkt.«

      Er nimmt den Joint aus meinen Fingern und setzt ihn an seine Lippen. Die Glut leuchtet im Halbdunkel. Im Keller ist es muffig, ein wenig feucht, ich habe Gänsehaut an den Armen. Vielleicht kriechen Spinnen über die Kellerdecke. Ich sehe nicht nach oben.

      »Und sobald ich alle begrüßt hab, zieh ich mich sowieso um.«

      Dann mustert er mein Outfit.

      »Das ist sicher nicht das, was du heute anziehen solltest.«

      Er hustet kurz, fängt dann an zu lachen.

      Ich streiche grinsend über mein schwarzes Shirt mit der Aufschrift Bevor du fragst: Nein.

      Das Gras macht die Umrisse weicher, als wäre die Welt gar nicht so scharfkantig, dass man sich verletzen kann an ihr. Ich spüre heitere Gelassenheit in mir aufsteigen. Bekifft kann ich die Party vielleicht überstehen. Spin reicht mir den Spliff für einen letzten Zug. Als ich danach greife, stoße ich mit dem Ellbogen gegen die Marmeladengläser. Das Regal wackelt, die Gläser klimpern leise, aber keines fällt um. Ich lache, vor Schreck und aus Erleichterung. Es überrascht mich, dass Dinge auch mal heil bleiben.

      »Ich mag deine neue Frise«, sagt Spin.

      »Danke«, sage ich und fahre mit den Fingern durch die Strähnen, die über dem Undercut liegen. Es fühlt sich ungewohnt an und luftig. Als würde etwas fehlen, aber auf eine gute Art.

      »Am coolsten find ich, dass es dir egal ist, dass du dafür Ärger bekommen hast. Dass du es trotzdem getan hast.«

      »Sind ja meine Haare«, sage ich.

      Spin versteckt den Rest des Joints unter einem losen Ziegelstein in der Ecke. Als er ihn hochhebt, krabbelt ein winziges Tier heraus, eine Assel vermutlich. Das ist ein richtiger Keller, kein aufgemotzter Raum mit Fliesen und Fußbodenheizung und Sauna und Dusche wie in unserem Haus in der Stadt, sondern einer mit Schimmel in den Ecken, staubigen Spinnweben und unheimlicher Atmosphäre. Einer, in dem man nicht gefunden wird.

      Mein Handy in der Hosentasche vibriert. Nachricht von Stefan.

      On my way, schreibt er, 20 mins. Und drei Kuss-Smileys.

      Ich antworte nicht, schiebe das Handy zurück. Ich habe gehofft, dass sein Vater sich weigert, ihn hier rauszubringen an den See. Ich habe ihm mehrmals gesagt, dass er nicht herzufahren braucht.

      »Lass uns raufgehen«, murmle ich.

      »Kommt der Alte auch?«, fragt Spin.

      Ich zucke mit den Schultern.

      Seit der Scheidung nennt Spin Papa den Alten. Reto nennt er den Schweizer und Mama die Schöne. Es wirkt, als wollte er emotionale Distanz herstellen, wo keine ist. Aber andere Scheidungskinder gehen Komasaufen oder lassen sich life sucks tätowieren, soll er sie nennen, wie er will.

      »Bestimmt taucht er auf«, sagt Spin, »er steht doch so gern im Rampenlicht.«

      »Aber wenn er kommt, werden alle über ihn reden. Ihn beobachten, hinter seinem Rücken über ihn lästern. Ihn mit Reto vergleichen.«

      »Wir können ja wetten. Um hundert Euro.«

      »Ach, das ist langweilig.«

      »Dieser ganze Abend wird langweilig.«

      »Lass uns was anderes machen. Irgendwas … Krasses.«

      »Und was?«, fragt er mit amüsiertem Blick.

      Er sieht älter aus als sechzehn. Mein Bruder ist ein Magnet, blond wie Mama und ich, groß, und er hat dieses Lächeln. Manchmal bin ich weit weg, dann holt sein Lächeln mich zurück, er muss gar nichts sagen. Diese Art von Lächeln ist das. Spin ist mein Co-Pilot. Wir steuern dieses Flugzeug, das nur noch trudelt, aus dem Rauch quillt, Spin sitzt neben mir, gleich werden wir springen müssen. So ist das mit uns beiden, und seit der Scheidung noch mehr. Wir haben nur einen Fallschirm, wir müssen uns aneinander festhalten.

      »Ich denk mir was aus«, sage ich, »ich denk mir was aus, um diese Scheißparty aufzumischen.«

      Ich bin in Jonathan verliebt. Sein Name hat den schönsten Klang. Da schwingt etwas in mir, wenn ich ihn höre, schwingt sehr tief und leise. Ich bin in Jonathan verliebt. Ich sage das nie, ich denke es nicht einmal konkret, man rennt ja nicht rum und hat so einen Satz im Kopf. Trotzdem ist er immer da. Mein Körper atmet im Takt dieses Satzes, pocht in seinem Rhythmus, ist durchströmt von dem Gefühl. Das zieht von unten nach oben, kommt aus dem Bauch, und in meiner Brust ist es dann heiß. Genau an der Stelle, an der sich bei Traurigkeit die Tränen sammeln. Wenn Liv mir einen Zettel zuwirft, wenn Stefan das Kondom aus der Packung zieht, wenn die Gmeiner mir die Französischschularbeit mit einem enttäuschten Blick auf den Tisch wirft, ist ein Teil von mir unkonzentriert. Hört ein Teil von mir einen anderen Ton. Immer ist das so, egal, was ich mache und mit wem. Ich bin in Jonathan verliebt. So stark ist das, dass die anderen es merken müssten. Wie ein Duft, der von mir ausgeht, wie eine Vibration. Als stünde es sichtbar auf meiner Haut, als schlüpfte es aus meinem Mund, zusammen mit den harmlosen Wörtern. Aber niemand sieht etwas, niemand hört etwas. Jonathan am allerwenigsten.

      Im Garten liegt Schnee. Mama stakst auf High Heels herum, schwankt und krallt die Finger in die Schultern der Leute, die an den Tischen unter den Lampions stehen und Champagner schlürfen. Sie wird mit Gelächter und Komplimenten empfangen.

      »Die Aussicht auf den See ist ein Traum.«

      »Das vegane Buffet, einfach toll, wir sollten ja alle viel gesünder essen, gell.«

      »Du schaust keinen Tag älter aus als neunundzwanzig, ein Mann wie der hält jung, nicht wahr?«

      Überall das gleiche Blabla. So mancher Kerl nutzt die Gelegenheit, Mama festzuhalten, damit sie nicht ausrutscht. Sie macht sich dann los, aber sanft, fast entschuldigend. Überhaupt, das mit dem Körperkontakt, das hab ich noch nicht verstanden. Menschen sind in dieser Hinsicht schwer zu lesen. Manche meiden ihn, andere erzwingen ihn, und oft fassen sich zwei, СКАЧАТЬ