Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit. Marie Brennan
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Название: Der Onyxpalast 4: Schicksalszeit

Автор: Marie Brennan

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der Onyxpalast

isbn: 9783966580762

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СКАЧАТЬ das bedeutete einen ganzen weiteren Monat ohne Owen. Einen Monat näher daran, ihn vielleicht für immer zu verlieren.

      Eliza wühlte in ihrer Tasche und zog ein zerknittertes Stück Papier heraus, dessen Ecken schon lange durch die viele Benutzung abgerissen waren. Sie musste sich davon abhalten, mit dem Daumen über die Gesichter zu streichen, weil sie befürchtete, dass sie sie noch unkenntlicher machen würde.

      Mrs. Darragh, die Arme weit ausgebreitet, um die Kinder vor ihr zu umarmen. Die kleine Maggie. Eliza, deren schwarzes Haar sogar nach Mrs. Darraghs Anstrengungen, es zu zähmen, unordentlich war. Und Owen, ein x-beiniger Junge von zwölf Jahren. Es war das einzige Foto von ihm, zur Feier von Maggies Erstkommunion aufgenommen.

      Sie musste es erhalten. Ohne das Foto fürchtete Eliza, dass sie vergessen würde, wie er aussah.

      Schaudernd schlang sie ihre Arme um ihre angezogenen Knie und legte die Stirn dagegen. Er ist tot, du dumme Närrin, hatte Maggie gesagt. Eliza hatte Beweise für das Gegenteil, gewissermaßen, obwohl sie sich nicht traute, das zuzugeben.

      Das Mädchen hätte es sich vielleicht denken können, wenn sie sich je die Mühe gemacht hätte, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Eliza und Owen hatten Maggie nie von den Feen erzählt, aber sie wusste ganz genau von den Geistern. Sie war dabei gewesen, als Eliza ihre Mutter gesehen hatte, ein volles Jahr nachdem die Frau gestorben war. Und sie wusste, dass Eliza andere herbeigerufen oder es versucht hatte – allerdings nicht warum.

      Für Leute wie sie war es ein närrischer Traum gewesen. Die meisten Frauen, die Ruhm und manchmal Geld als Medium oder Geisterseherin verdienten, kamen aus der Mittelklasse: gelangweilte Ehefrauen von Anwälten, Damen, die zu respektabel waren, um für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten, aber nicht reich genug, um die Untätigkeit zu genießen. Keine irischen Wildfänge. Und es wäre in Whitechapel wohl kaum gut angekommen, wo das Reden mit Geistern sie wahrscheinlich als Hexe gebrandmarkt hätte. Wenn es funktioniert hätte …

      Der Teil mit den Geistern funktionierte gut genug. Aber ehe sie versuchen konnte, damit Geld zu machen, war Owen verschwunden. Der einzige Geist, den sie seither herbeizurufen versucht hatte, war seiner gewesen, jeden Vorabend von Allerheiligen.

      Fünf Jahre hatte sie es versucht, nach ihrem verlorenen Freund gerufen, sich bemüht, ihn in der Luft vor ihr zu manifestieren oder zumindest den Trost seiner Präsenz in ihren Gedanken zu fühlen. Fünf Jahre voller Scheitern, und dann hatte sie es aufgegeben, weil sie es nicht länger wissen wollte. Wenn er käme, würde sie wissen, dass er tot war. Wenn sie es nicht versuchte, konnte sie sich einreden, dass er noch am Leben war, und die Möglichkeit ignorieren, dass sie vielleicht einfach nicht stark genug war, um ihn zurückzuholen.

      Das ergab keinen Sinn, aber so war es.

      Zu ihrer Überraschung hörte sie die Glocke einer nahen Kirche acht Uhr schlagen. Als sie den Kopf wieder hob, spürte Eliza den Abdruck von gefaltetem Stoff auf ihrer Stirn. Sie war eingeschlafen. Verdammtes Glück hattest du, dass dich der Bulle nicht erwischt hat. Eliza schimpfte sich leise eine Idiotin, dann stand sie auf und blickte wieder durch die Metallstäbe.

      Im Haus auf der anderen Straßenseite brannte immer noch Licht, und nach kurzer Zeit öffnete sich die Vordertür. Ein Dienstmädchen kam heraus und trabte zur High Street davon. Kurz nachdem sie zurückgekehrt war, kam eine schicke Mietkutsche an, gefolgt vom Einspänner von jemand anderem. Die Leute begannen aufzubrechen – Eliza zählte sieben, von dem Gentleman, den sie vorher gesehen hatte, bis zu einer matronenhaften Frau in der buntesten Haube, die sie je unter die Augen bekommen hatte. Die Einzige, die fehlte, war die verstohlene junge Frau, und gerade als Eliza die Warterei aufgeben wollte, tauchte diese auf der Vortreppe auf.

      Beinahe unmittelbar von einer anderen Frau gefolgt. »Miss Kittering!«

      Miss Kittering blieb stehen, die Hände am Rand ihrer Kapuze, bereit, diese hochzuziehen. Das Licht über den Stufen vor Nr. 9 zeigte, dass sie wirklich eine ziemlich wohlhabende junge Frau war. Sie hatte sich offensichtlich bemüht, einfache Kleidung zu wählen, aber ihre schicke kleine Kappe hatte einige sehr teure Federn daran. Das Haar darunter glänzte blond und war in einen eleganten Dutt gedreht. Eliza erhaschte jedoch nur einen sehr kurzen Blick auf ihr Gesicht, ehe sich die junge Frau umdrehte, um nachzusehen, wer sie gerufen hatte.

      Die andere Frau war deswegen bemerkenswert, weil ihr alles Bemerkenswerte fehlte. Mittelbraunes Haar, Gesichtszüge mittleren Alters, Kleidung von mittlerer Qualität, die der Ehefrau eines berufstätigen Mittelklassemanns hätten gehören können, vielleicht eines Anwalts oder Klerikers mit gutem Einkommen. Als sie jedoch die Treppe hinunterhastete, um sich zu Miss Kittering zu gesellen, lag eine seltsame Intensität in ihrer Haltung, die ihr unscheinbares Erscheinungsbild Lügen strafte. »Können Sie einen Augenblick für mich entbehren?«

      Miss Kittering warf einen Blick hinter sich, wo eine letzte Kutsche wartete. »Ich muss zurück …«

      »Ich verstehe. Würden Sie mich vielleicht mit Ihnen fahren lassen? Ich habe einen sehr speziellen Vorschlag, verstehen Sie, den ich nicht vor den anderen machen wollte – er ist nur für Sie, Miss Kittering, weil ich sehen kann, dass Sie ein … visionärerer Geist sind als die anderen. Ich vermute, Sie könnten Wahrheiten, für die die anderen noch nicht bereit sind, akzeptieren, sogar begrüßen

      Miss Kitterings Interesse wuchs sichtlich. Eliza krallte ihre Hände um die Stäbe, als seien sie das Einzige, was sie an ihrer Stelle hielt. Ansonsten würde sie vielleicht die Treppe hinaufsprinten und diese Fremde sofort konfrontieren.

      »Was für Wahrheiten?«, fragte die junge Dame, in deren Tonfall unverhohlene Neugier lag.

      Die andere Frau zögerte, dann trat sie näher. Ihre Antwort war so leise, dass Eliza sie gerade noch ausmachen konnte. »Dass die materialistischen Sichtweisen, die in diesem wissenschaftlichen Zeitalter so viele fesseln, nicht die ganze Geschichte sind. Ich weiß mehr über Feen, als ich öffentlich eingestanden habe, Miss Kittering. Und ich sage Ihnen dies: Sie sind in der Lage, einer von ihnen einen großen Gefallen zu tun und im Gegenzug einen Gefallen zu bekommen.«

      Miss Kitterings Lachen war viel lauter und halb ungläubig – aber nur halb. »Ich? Ich verstehe nicht, wie …«

      »Dies ist nicht der richtige Ort«, sagte ihre Begleiterin und machte mit einem Nicken Richtung Nr. 9 klar, was sie meinte. »Wenn ich jedoch mit Ihnen fahren dürfte …«

      »Ja, natürlich – ich bin ziemlich neugierig. Und ich darf hier nicht länger bleiben. Mama erwartet mich daheim. Kommen Sie, und wir können auf dem Weg reden.« Gemeinsam gingen sie zur Kutsche. Verzweifelt riskierte Eliza es, die Treppe hinaufzukommen, als sei sie gerade aus dem Keller des Hauses gekommen. Sie wurde damit belohnt, dass sie hörte, wie Miss Kittering zum Kutscher sagte: »Nach South Kensington bitte.« Dann waren sie drinnen, und der Kutscher stieg wieder auf seinen Bock. Mit einem Zügelschnalzen waren sie fort.

      Eliza blieb wie betäubt mitten auf der White Lion Street stehen. Hatte sie gelogen?

      Vielleicht war sie wie die betrügerischen Wahrsagerinnen, die behaupteten, dass sie Geister herbeirufen konnten, nur dass ihre Manifestationen nichts weiter als billige Tricks waren. Whitechapel hatte seinen Teil an Schwindlern – und auch Schwindlerinnen –, die die Leichtgläubigen ausnahmen, und Miss Kittering war sowohl jung als auch wohlhabend genug, um ein verlockendes Ziel darzustellen.

      Oder vielleicht hatte diese Frau die Wahrheit gesagt.

      Wenn Eliza nur ihren Namen bekommen hätte! Aber – ihre Füße hielten auf den Pflastersteinen inne – sie hatte Miss Kitterings Namen. Und auch ein Stadtviertel: South Kensington. СКАЧАТЬ