Der Kurier des Zaren. Jules Verne
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Kurier des Zaren - Jules Verne страница 8

Название: Der Kurier des Zaren

Автор: Jules Verne

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159608044

isbn:

СКАЧАТЬ sich rücksichtsvoller zu betragen.

      Der ein wenig ungehobelte Kaufmann knurrte etwas von »Leuten, die sich in Dinge mischen, die sie nichts angehen«, stützte sich aber nach einem wenig freundlichen Blick Michael Strogoffs auf die gegenüberliegende Armlehne, so dass seine Nachbarin nun unbehelligt blieb. Strogoff wurde durch einen dankbaren Blick der jungen Mitreisenden belohnt.

      Kurz vor Nischnij-Nowgorod bekam er Gelegenheit, den Charakter des Mädchens noch mehr schätzen zu lernen.

      Der Zug wurde in einer scharfen Kurve von einem heftigen Stoß erschüttert und rollte noch eine Minute weiter auf dem hochgelegenen Gleiskörper, bis er zum Stehen gebracht werden konnte. Die Reisenden wurden durcheinandergeschüttelt und brachen in Geschrei aus. Man befürchtete ein Unglück, und schon ehe der Zug richtig stand, sprangen die Türen auf, und die entsetzten Menschen verließen Hals über Kopf die Abteile.

      Michael Strogoffs erster Gedanke galt seiner Nachbarin. Doch während die anderen Reisenden schreiend zur Tür hinausdrängten, war sie auf ihrem Platz sitzen geblieben und höchstens noch ein wenig blasser geworden.

      Sie wartete ruhig, und Michael Strogoff wartete mit ihr.

      »Was für ein mutiges Mädchen!«, dachte er.

      Inzwischen wurde die Gefahr beseitigt. Man hatte einen Achsenbruch am Gepäckwagen entdeckt, der erst den Stoß und dann das Anhalten des Zuges veranlasste. Es hätte in der Tat nicht viel gefehlt, und der Zug wäre entgleist und den hohen Bahndamm hinuntergestürzt. Es gab einen einstündigen Aufenthalt, dann wurde die Reise fortgesetzt, und um halb neun Uhr abends fuhr der Zug in Nischnij-Nowgorod ein.

      Ehe die Reisenden aussteigen durften, erschienen wieder die unvermeidlichen Kontrollbeamten.

      Michael Strogoffs Pass auf den Namen Nikolaus Korpanoff wurde nicht beanstandet. Auch die anderen Mitreisenden im Abteil, die ihr Ziel erreicht hatten, waren zu ihrem Glück unverdächtig.

      Das junge Mädchen zeigte keinen richtigen Reisepass vor, denn im Landesinnern wurde keiner mehr verlangt. Dafür hatte sie eine Bescheinigung mit einem besonderen Siegel, und der Beamte las das Schreiben sehr aufmerksam durch. Dann ließ er sich die Angaben bestätigen:

      »Sie sind aus Riga und reisen nach Irkutsk?«

      »Ja«, erwiderte das Mädchen.

      »Welche Strecke wollen Sie nehmen?«

      »Die Strecke über Perm.«

      »In Ordnung«, sagte der Beamte, »aber vergessen Sie nicht, den Schein hier in Nischnij-Nowgorod bei der Polizei abstempeln zu lassen.«

      Das junge Mädchen nickte. Michael Strogoff schwankte jetzt zwischen Bewunderung und Mitleid für sie. Dieses halbe Kind wollte also nach Sibirien reisen, jetzt, wo das Land dort von Feinden überschwemmt war! Würde sie jemals ihr Reiseziel erreichen? Was konnte ihr unterwegs alles zustoßen!

      Als die Wagentüren nach beendigter Kontrolle geöffnet wurden, wollte Michael Strogoff das Mädchen ansprechen, aber die junge Livländerin war augenblicklich ausgestiegen und in der Menschenmenge auf dem Bahnsteig untergetaucht.

      Fünftes Kapitel

      Eine Verordnung des Gouverneurs

      Nischnij-Nowgorod, am Zusammenfluss von Wolga und Oka gelegen, ist die Hauptstadt des gleichnamigen Gouvernements.

      Michael Strogoff musste von nun an auf den Schienenweg verzichten, denn hier endete die Bahnlinie. Je weiter östlich der Kurier des Zaren auf seiner Reise gelangte, desto langsamer und unzuverlässiger wurden die Beförderungsmittel.

      Nischnij-Nowgorod hatte etwa 35 000 Einwohner, beherbergte aber zur Messe die zehnfache Menschenzahl in seinen Mauern. Die sonst recht düstere und stille Stadt war jetzt von einem lebhaften Menschengetümmel erfüllt. Kaufleute aller europäischen und asiatischen Rassen suchten hier miteinander Geschäfte zu machen.

      Michael Strogoff hatte erst zu vorgeschrittener Abendstunde das Bahnhofsgebäude verlassen können. Trotzdem herrschte noch großes Gedränge in der Stadt, die von der Wolga in zwei Hälften getrennt und im oberen, auf einem Felsen gelegenen Teil von einer jener Festungen beschützt wird, die in Russland »Kreml« heißen.

      Hätte Michael Strogoff länger in Nischnij-Nowgorod bleiben wollen und eine Herberge finden müssen, wäre er in Schwierigkeiten geraten; alle Hotels waren überfüllt. Er konnte aber auch nicht augenblicklich weiterreisen, sondern musste auf den Abgang des nächsten Wolgadampfers warten und wohl oder übel irgendein Nachtlager finden. Vorher wollte er jedoch die genaue Abfahrtszeit des Bootes bei der Schifffahrtsgesellschaft erkunden, die den Verkehr zwischen Nischnij-Nowgorod und Perm versah.

      Dort erfuhr er, dass die ›Kaukasus‹, das nächste reisefertige Schiff, erst gegen Mittag des folgenden Tages abgehen sollte. Das war schlimm für einen Mann, der es eilig hatte; aber Michael Strogoff musste sich mit dieser Tatsache abfinden, und er fand sich damit ab, denn er pflegte nie über Unabänderliches zu jammern. Und eines wusste er: kein Fuhrwerk, keine Postkutsche und kein Pferd konnten ihn schneller als das planmäßige Schiff nach Perm bringen.

      Er schlenderte also durch die Straßen und suchte ohne besondere Eile ein Unterkommen für die Nacht. Mehr als nach einem Nachtlager sehnte er sich jetzt allerdings nach einer kräftigen Abendmahlzeit. Er fand schließlich beides unter dem Wirtshausschild der »Stadt Konstantinopel«. Der Wirt wies ihm ein Zimmerchen an, das zwar nur dürftig möbliert war, aber den üblichen Wandschmuck hatte, nämlich Bilder der Jungfrau Maria und anderer Heiliger, die von goldfarbenem Stoff gerahmt waren. Bald wurde auch das Essen aufgetragen. Die üppige Mahlzeit bestand aus gefülltem Entenbraten, eingedickter Soße, saurer Milch, Gerstenfladen und einem Krug Kwass, dem russischen Nationalgetränk. Michael Strogoff langte weit kräftiger zu als sein Tischnachbar, der zur Sekte der »Altgläubigen« gehörte und wegen seiner Enthaltsamkeitsgelübde weder Kartoffeln essen noch den Tee süßen durfte.

      Nach beendigter Mahlzeit nahm Michael Strogoff den unterbrochenen Stadtrundgang wieder auf. Obwohl die Dämmerung in diesen Breiten lange anhält, suchten die Messegäste jetzt doch die Quartiere auf, und die Straßen verödeten.

      Warum war der Kurier nach dem anstrengenden Reisetag nicht endlich zu Bett gegangen? Hatte er noch immer die junge Livländerin aus seinem Zugabteil im Sinn? Ja, er dachte dauernd an sie, zumal er im Augenblick nichts Besseres zu tun wusste. Er fürchtete, dass sie, so ganz allein, Belästigungen ausgesetzt sein könnte. Hoffte er etwa, sie zu treffen und ihr seine Hilfe anbieten zu dürfen? Nun, zu dieser Stunde war eine Begegnung kaum zu erwarten, und mit welchem Recht konnte er ihren Beschützer spielen?

      Ein Gedanke beschäftigte ihn dauernd. Er selbst unternahm die gefährliche Reise nach Irkutsk im Auftrage des Zaren. Doch für wen, zu welchem Zweck, unternahm sie das Wagnis? Sicher hatte sie den Plan zur Reise schon vor dem Tatareneinfall gefasst. Wusste sie nicht, was dort vorging? Andererseits schien sie bei den Gesprächen der Kaufleute über die Unruhen in Sibirien nicht im Mindesten betroffen zu sein. Also hatte sie davon schon gehört und trotzdem den Reiseplan nicht aufgegeben. Doch bei aller Entschlossenheit konnten ihre Kräfte kaum den Anstrengungen und Gefahren eines solchen Unternehmens gewachsen sein. Nein, nie würde sie in Irkutsk ankommen! Michael Strogoff schlenderte aufs Geratewohl weiter, bis sich die Straßen zu einem großen Platz weiteten. Dort ließ er sich auf einem Bänkchen nieder, das hinter einer der zahlreichen Holzbuden stand. Plötzlich fiel eine schwere Hand auf seine Schulter.

      »Willst du СКАЧАТЬ