Der Kurier des Zaren. Jules Verne
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Название: Der Kurier des Zaren

Автор: Jules Verne

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159608044

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СКАЧАТЬ sehr bedroht war. Offensichtlich hatten die Angreifer die Linie der kosakischen Grenzposten, die von Omsk bis Semipalatinsk reichte, schon mehrfach durchbrochen. Außerdem würden sich die Kirgisen der Tatarenherrschaft willig beugen: beide Völkerschaften waren Mohammedaner, während die Russen der griechisch-orthodoxen Kirche angehörten.

      Die Tataren, die damals das russische Reich bedrohten, stammten aus Turkestan. Ihre Herrscher nannte man Khans, deren Herrschaftsgebiete Khanate. Das Khanat von Buchara war zu jener Zeit am mächtigsten und einflussreichsten. Schon die Vorgänger des derzeitigen Feofar-Khan hatten sich mit Russland in kriegerische Auseinandersetzungen um die Oberherrschaft über die Kirgisen verwickelt. Man schätzte damals die Bevölkerung des Khanates auf zweieinhalb Millionen Seelen. Der ehrgeizige Feofar-Khan verfügte über dreißigtausend Reiter und sechzigtausend Mann Fußvolk, deren Zahl in Kriegszeiten verdreifacht werden konnte.

      Die herrliche Stadt Buchara inmitten eines reichen, fruchtbaren Landes, von Avicenna und anderen Gelehrten des zehnten Jahrhunderts schon gefeiert, war heute Mittelpunkt des islamischen Glaubens; Samarkand wiederum beherbergte in seinen Mauern das Grabmal des großen Tamerlan und jenen blauen Stein, auf dem sich jeder Khan bei Antritt seiner Regierung niederlassen musste; Karschi, dreifach von Mauern umgeben, durch Sümpfe geschützt, war fast uneinnehmbar und wie alle anderen Städte durch eine starke Streitmacht gesichert. So war das Khanat von Buchara ein Gegner, den man fürchten musste und nur mit erheblichen militärischen Kräften schlagen konnte. Feofar nun hatte sich, gestützt auf die anderen nicht weniger grausamen und räuberischen Khans, an die Spitze des Invasionsheeres gestellt, dessen Seele kein anderer als Iwan Ogareff war. Er war es, der Feofar-Khan und seine Horden auf die russische Grenze gehetzt hatte, wo die Kosaken der zahlenmäßigen Übermacht der Angreifer gewichen waren. Nun zog Feofar, ein moderner Dschingis-Khan, raubend, sengend und mordend von Stadt zu Stadt, reihte in sein Heer, was sich unterwarf, tötete, was ihm widerstand. Hinter ihm her zog der Tross seiner Frauen und Sklaven, die unausbleiblichen Anhängsel eines orientalischen Hofstaats.

      Wo standen seine Soldaten in dem Augenblick, als die Nachricht von der Invasion Moskau erreichte? Hatte nur eine Vorhut der Tataren den Telegraphendraht zwischen Tomsk und Kolywan zerschnitten, oder war Feofar-Khan schon mit seinem ganzen Heer bis zu der Provinz von Jenisseisk vorgedrungen? Niemand vermochte es zu sagen, und es gab im Augenblick auch keine Möglichkeit, den Großfürsten im eingeschlossenen Irkutsk vor Iwan Ogareff zu warnen.

      Nur ein Kurier konnte noch den unterbrochenen Draht ersetzen. Aber er würde viel Zeit benötigen, um die 5523 Kilometer zwischen Moskau und Irkutsk zurückzulegen, und er musste, um die Linien der Rebellen und Feinde durchbrechen zu können, übermenschlichen Mut und außerordentliche Intelligenz besitzen.

      Drittes Kapitel

      Michael Strogoff

      Die Tür zum Arbeitskabinett des Zaren öffnete sich wiederum, und ein Wachtposten meldete den General Kissoff.

      »Und der Kurier?«, fragte der Zar.

      »Ist bereits zur Stelle, Euer Majestät«, erwiderte der General.

      »Halten Sie den Mann wirklich für geeignet?«

      »Ich glaube mich für ihn bei Eurer Majestät verbürgen zu können.«

      »Hat er schon im Schloss Dienst getan, und ist er Ihnen persönlich bekannt?«

      »Ja, er hat schon mehrmals Sonderaufgaben zur Zufriedenheit durchgeführt.«

      »Auch im Ausland?«

      »Sogar schon in Sibirien.«

      »Was wissen Sie sonst über seine Eigenschaften, seine Herkunft, sein Alter?«

      »Er ist dreißig Jahre alt und stammt aus Omsk, ist also gebürtiger Sibirier. Wir wissen, dass er kaltblütig, hochintelligent und sehr mutig ist. Bei seiner kräftigen Konstitution muss er weder Kälte noch Hunger und Durst oder übermäßige Anstrengungen fürchten. Er sollte noch da erfolgreich sein können, wo die meisten Männer aufgeben müssen.«

      »Sein Name?«

      »Michael Strogoff.«

      »Ist er bereit, sofort abzureisen?«

      »Er erwartet nur noch die genauen Instruktionen Eurer Majestät.«

      »Ich möchte ihn sprechen.«

      Wenige Augenblicke später betrat der Kurier Michael Strogoff das kaiserliche Arbeitskabinett.

      Er war ein hochgewachsener, breitschultriger Mann, dessen wohlgeformter Kopf die besten Merkmale der kaukasischen Rasse zeigte. Dichtes welliges Haar bedeckte das mächtige Haupt über den meist blassen Gesichtszügen, die sich nur dunkler färbten, wenn Strogoffs Herz aus irgendeinem Grunde schneller schlug. Der lebhafte Ausdruck seiner tiefblauen Augen unter den stets ein wenig zusammengezogenen Augenbrauen verriet den Mut des echten Helden, den »Mut ohne Zorn«, wie die Physiologen sagen. Die kräftige Nase mit den breiten Nasenflügeln über einem schöngeschnittenen Mund mit ein wenig vorspringenden Lippen ließen auf einen großmütigen und sauberen Charakter schließen.

      Strogoff war ein Mann wohlüberlegter, aber blitzschneller Entschlüsse. Da er sparsam mit Worten wie mit Gesten umging, fiel es ihm leicht, vor einem Vorgesetzten bewegungslos wie ein guter Soldat zu stehen. Im Schreiten aber drückten seine Bewegungen Anmut und Sicherheit zugleich aus, Zeichen seines gut entwickelten Selbstvertrauens. Er schien immer etwas vorzuhaben, aber auch nie mit der Ausführung neuer Aufgaben zu zögern.

      Michael Strogoffs elegante Uniform glich etwa der eines Offiziers der berittenen Feldjäger. Er trug eine braune pelzverbrämte Husarenjacke mit gelben Schnüren, den sogenannten Dolman, und dazu eng anliegende Beinkleider, Stiefel und Sporen. Auf seiner breiten Brust funkelten ein Kreuz und mehrere andere Orden.

      Michael Strogoff stand im Offiziersrang bei den Kurieren des Zaren, einer besonderen Elitetruppe. Der Zar konnte sofort erkennen, dass dieser Kurier bereit war, erhaltene Befehle unbedingt auszuführen. Er besaß damit nach den Worten Turgenjews jene Eigenschaft, die im Moskowiterreich oft zu höchsten Ehren und Ämtern führte.

      Konnte überhaupt ein Mensch diese gefahren- und hindernisreiche Reise von Moskau nach Irkutsk erfolgreich bestehen, so war es Michael Strogoff.

      Es traf sich ausgezeichnet, dass er das Land jenseits des Urals bestens kannte und sogar seine verschiedenen Sprachen und Dialekte beherrschte.

      Sein Vater, der alte Peter Strogoff, war vor zehn Jahren in Omsk verstorben, und seine Mutter Marfa lebte noch heute in dieser Stadt. Peter Strogoff, ein harter sibirischer Jäger, hatte den jungen Michael auf ihren gemeinsamen Zügen durch die wilde Steppenlandschaft der Provinzen von Omsk und Tobolsk für das Leben gestählt. Der alte Strogoff war Jäger mit Leib und Seele. Bei der sengenden Hitze des sibirischen Sommers und in der klirrenden Kälte der Wintermonate durchstreifte er unermüdlich die endlosen Ebenen, Lärchen- und Birkenhaine und die Tannenwälder seiner Heimat, stellte Fallen, erlegte das kleine Wild mit dem Gewehr und das große mit Spieß und Waidmesser. Das Großwild war nichts Geringeres als der gefürchtete sibirische Bär, und Peter Strogoff hatte mehr als vierzig dieser Ungetüme erlegt.

      Schon der elfjährige Michael versäumte keine Gelegenheit, den Vater zur Jagd zu begleiten. Er trug dann die Rogatina, einen gegabelten Spieß, mit dem er dem Vater zu Hilfe kommen konnte, der nur mit dem Messer bewaffnet war. Mit vierzehn Jahren hatte Michael ganz allein seinen ersten Bären erlegt und auch noch das Fell des mächtigen СКАЧАТЬ