Der Kurier des Zaren. Jules Verne
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Название: Der Kurier des Zaren

Автор: Jules Verne

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159608044

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СКАЧАТЬ heranwachsenden Sohn in alle Künste und Geheimnisse der Jagd eingeweiht, und diese Kenntnisse kamen dem erwachsenen Mann zugute. Er konnte seinen Weg nach fast nicht mehr wahrnehmbaren Zeichen in der Natur finden, nach der Lage der Eisnadeln, der Stellung winziger Zweige, den schwächsten Wildfährten im Gras. Er vermochte noch das geringste Geräusch zu deuten und sich nach dem Zug der Vögel im Nebeldunst zu richten. Der Schnee Sibiriens hatte seine Gesundheit gefestigt wie die Wasser von Damaskus den Stahl.

      Michael Strogoff kannte nur eine Leidenschaft, die Liebe zu seiner Mutter. Nach dem Tod ihres Mannes hatte sich die alte Marfa nicht von ihrem schon so lange bewohnten Haus in Omsk an den Ufern des Irtysch trennen können. Als der Sohn Omsk verließ, war sie sehr traurig, aber er hatte versprochen, sie zu besuchen, wenn es die Umstände nur irgend erlaubten, und an dieses Versprechen hielt er sich gewissenhaft.

      Mit zwanzig Jahren hatte Michael in die persönlichen Dienste des Zaren treten dürfen. Als Angehöriger der Kuriertruppe hatte er zunächst Gelegenheit bekommen, sich bei zwei Sonderaufgaben zu bewähren. Die erste Reise hatte ihn in ein aufrührerisches Gebiet im Kaukasus geführt, die zweite sogar bis nach Kamtschatka, zur äußersten Grenze des asiatischen Russland. Hier hatte er alle seine angeborenen und erworbenen Fähigkeiten gebrauchen können und die Anerkennung und Gunst seiner Vorgesetzten erworben, so dass sein beruflicher Aufstieg sicher war.

      Den Urlaub, der Michael Strogoff nach seinen anstrengenden Expeditionen zustand, hatte er stets bei seiner Mutter verbracht. Da ihn seine letzten Aufträge aber im äußersten Süden des Landes festgehalten hatten, war er schon drei Jahre lang – er meinte, es wären dreihundert! – nicht mehr daheim gewesen. Jetzt aber sollte er in wenigen Tagen seinen Urlaub antreten, und er hatte schon die Vorbereitungen zur Abreise nach Omsk getroffen, als die Ereignisse eintraten, von denen wir bereits unterrichtet sind. Michael Strogoff wurde also zum Zaren befohlen, ohne im Geringsten ahnen zu können, was man von ihm verlangen würde.

      Der Zar prüfte die Erscheinung des Kuriers mit durchdringendem Blick, ohne ein Wort zu äußern, während Michael Strogoff vollkommen regungslos vor ihm stand.

      Der Zar war mit dem Ergebnis seiner Prüfung offensichtlich zufrieden. Er kehrte zum Schreibtisch zurück und forderte auch den Chef der Polizei durch eine Handbewegung auf, dort Platz zu nehmen. Dann diktierte er ihm mit gesenkter Stimme einen kurzen Brief. Das fertige Schreiben las der Monarch noch einmal mit größter Aufmerksamkeit durch, schließlich setzte er seinen Namenszug und die Worte »so geschehe es«, die offizielle Bestätigungsformel der Zaren, darunter und steckte den Briefbogen in ein Kuvert, das mit dem kaiserlichen Wappensiegel verschlossen wurde.

      Darauf erhob er sich wieder, winkte Michael Strogoff heran und schaute ihn, Auge in Auge, fest an. Dann begann er zu sprechen. »Name?«

      »Michael Strogoff, Euer Majestät.«

      »Dienstgrad?«

      »Hauptmann bei den Kurieren des Zaren.«

      »Sie kennen Sibirien?«

      »Ich bin Sibirier.«

      »Geboren in …?«

      »Omsk.«

      »Leben noch Verwandte in Omsk?«

      »Meine alte Mutter.«

      Der Zar unterbrach einen Augenblick die Befragung und wies auf den Brief, den er noch in der Hand hielt.

      »Ich vertraue Ihnen diesen Brief an, Michael Strogoff. Ich beauftrage Sie, ihn eigenhändig dem Großfürsten und niemand anderem zu übergeben.«

      »Der Großfürst wird den Brief erhalten.«

      »Mein Bruder ist in Irkutsk.«

      »Ich werde nach Irkutsk reisen.«

      »Sie werden ein Gebiet durchqueren müssen, das von Rebellen und Tataren unsicher gemacht wird, die ein Interesse daran haben, mein Schreiben abzufangen.«

      »Ich komme durch.«

      »Hüten Sie sich vor einem Verräter namens Iwan Ogareff. Er könnte Ihren Weg kreuzen.«

      »Ich werde ihm mit Vorsicht begegnen.«

      »Werden Sie den Weg über Omsk nehmen?«

      »Das ist die kürzeste Strecke.«

      »Wenn Sie Ihre Mutter besuchen, laufen Sie Gefahr, erkannt zu werden. Sie dürfen Ihre Mutter nicht sehen.«

      Michael Strogoff zögerte einen Augenblick. Dann sagte er:

      »Ich werde meine Mutter nicht besuchen, Majestät.«

      »Schwören Sie, dass nichts und niemand Sie bewegen kann, Ihren Namen und Ihren Auftrag preiszugeben.«

      »Ich schwöre es!«

      »Nehmen Sie also dieses Schreiben, von dem das Heil ganz Sibiriens und vielleicht sogar das Leben meines Bruders, des Großfürsten, abhängt.«

      »Ich werde es überbringen oder sterben.«

      »Ich bedarf aber Ihres Lebens.«

      »Ich werde leben und mein Ziel erreichen«, sagte Michael Strogoff.

      Die selbstsicheren und ruhig-bestimmten Antworten des Kuriers hatten den Zaren befriedigt. »So reisen Sie mit Gott, Michael Strogoff, reisen Sie für Russland, meinen Bruder und den Zaren!«

      Michael Strogoff grüßte militärisch, verließ sogleich das Arbeitskabinett des Kaisers und wenige Minuten später auch das Neue Palais.

      »Ich glaube, Sie haben bei der Wahl des Kuriers eine glückliche Hand gehabt!«, sagte der Zar, zu General Kissoff gewendet.

      »Ich hoffe es, und Euer Majestät können versichert sein, dass Michael Strogoff alles nur Menschenmögliche tun wird, um seinen Auftrag durchzuführen.«

      »Er scheint in der Tat ein ganzer Mann zu sein«, bemerkte der Zar abschließend.

      Viertes Kapitel

      Von Moskau nach Nischnij-Nowgorod

      Vor Michael Strogoff lag ein Reiseweg von nicht weniger als 5523 Kilometern. Früher, als es noch keinen Telegraphendraht zwischen dem Ural und der ostsibirischen Grenze gegeben hatte, war der Depeschendienst ausschließlich von Kurieren besorgt worden. Selbst wenn man diesen Boten die besten Transportmittel zur Verfügung stellte, brauchten die allerschnellsten achtzehn Tage für die Strecke von Moskau nach Irkutsk; die meisten aber benötigten vier bis fünf Wochen.

      Da Michael Strogoff weder Frost noch Schnee fürchtete, wäre er lieber zur kalten Jahreszeit gereist. Er hätte dann für die gesamte Reisestrecke den Pferdeschlitten benutzen können. Im Winter sind die mannigfachen Hindernisse, die das Fortkommen in Sibirien schwer machen, durch die hohe Schneedecke beseitigt. Kein Wasserlauf verlegt den Weg, und der Schlitten kann über die glatten Eisflächen nur so dahinfliegen. Natürlich bringt der Winter auch besondere Gefahren für den Reisenden. Er muss den dichten Nebel fürchten oder auch die ungeheuer heftigen Schneestürme, denen ganze Reisekarawanen zum Opfer fallen. Nicht selten machen ausgehungerte Wölfe zu Tausenden die Ebenen unsicher. Trotzdem hätte СКАЧАТЬ