Der Kurier des Zaren. Jules Verne
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Kurier des Zaren - Jules Verne страница 7

Название: Der Kurier des Zaren

Автор: Jules Verne

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159608044

isbn:

СКАЧАТЬ sind, muss auch die Straße nach Irkutsk unsicher sein«, bemerkte einer der Reisenden. »Ich wollte übrigens gestern ein Telegramm nach Krasnojarsk aufgeben, das ist nicht mehr durchgekommen. Ich fürchte, die Tataren brauchen nicht lange, um ganz Ostsibirien zu isolieren.«

      »Also haben die Kaufleute ganz recht, wenn sie um ihre Geschäfte besorgt sind. Sind die Pferde erst einmal requiriert, kommen die Schiffe an die Reihe und nach und nach alle anderen Transportmittel, und zuletzt wird man im ganzen Reich nicht mehr einen Schritt tun dürfen. Die Messe wird wohl kaum so glänzend enden, wie sie begonnen hat. Aber was hilft es! Geschäfte sind eben nur Geschäfte, und die Sicherheit Russlands geht vor.«

      Im ganzen Zug wurde über dasselbe Thema gesprochen. Ein unvoreingenommener Beobachter kam aber nicht umhin, festzustellen, dass alle Gespräche mit auffallender Zurückhaltung geführt wurden. Wagte sich jemand auf das Gebiet der Tatsachen, ging er nie so weit, Spekulationen über die Absichten der Regierung anzustellen oder gar ihre Maßnahmen zu kritisieren.

      Diese Erfahrung musste auch ein Reisender machen, der in einem der vorderen Wagen des Zuges saß. Es handelte sich offensichtlich um einen Ausländer. Er hatte die Augen überall und stellte unaufhörlich Fragen, auf die er aber nur ausweichende Antworten bekam. Zum Ärger seiner Mitreisenden hatte er das Abteilfenster heruntergelassen und lehnte sich weit hinaus, um auch jeden Punkt der vorübergleitenden Landschaft genau sehen zu können. Er erkundigte sich nach den Namen völlig unbedeutender Ortschaften, nach ihrer geographischen Lage, ihrer Industrie und ihren Einwohnerzahlen, ja sogar nach der durchschnittlichen Sterbeziffer für beide Geschlechter. Was immer er in Erfahrung bringen konnte, wurde sofort in einem kleinen Notizbuch festgehalten, das schon von Anmerkungen wimmelte. Der Fragesteller war kein anderer als Alcide Jolivet, der versuchte, aus den kargen Antworten seiner Mitreisenden doch noch etwas Interessantes für seine ›Cousine‹ zu erhaschen. Natürlich sah man in ihm einen Spion und streifte die Tagesereignisse mit keiner Silbe.

      Als Alcide Jolivet einsah, dass er hier über den Tatareneinfall gar nichts erfahren würde, notierte er: »Reisende äußerst zurückhaltend. Nur sehr schwer zu politischen Gesprächen zu bewegen.«

      Während der Franzose hier im vorderen Zugabschnitt mit peinlicher Genauigkeit Reiseeindrücke sammelte, betrieb sein englischer Kollege in einem der hinteren Abteile dasselbe Geschäft. Die beiden Journalisten waren sich am Morgen auf dem Bahnhof in Moskau nicht begegnet; keiner wusste also vom anderen, dass er bereits zum Kriegsschauplatz aufgebrochen war.

      Den schweigsamen Harry Blount verdächtigte niemand als Spion. Die Mitreisenden plauderten vor ihm ohne Zurückhaltung, sie gingen sogar ein wenig weiter, als es bei ihrer angeborenen Vorsicht sonst üblich war.

      Harry Blount konnte nach ihren Gesprächen also mit einer gewissen Berechtigung notieren: »Reisende sehr beunruhigt. Alles spricht von Krieg mit Offenheit, die für das Land zwischen Wolga und Weichsel erstaunlich ist.«

      Da Harry Blount auf der linken Seite des Zuges saß, sah er nur einen Teil der Landschaft, ein hügeliges Gebiet. Es hätte ihm zu viel Mühe gemacht, die Augen auch einmal zur anderen Seite zu wenden, wo die Landschaft vollkommen platt war. So fügte er seiner Notiz hinzu: »Zwischen Moskau und Wladimir Bergland.«

      Es war unvermeidlich, dass die Regierung angesichts der ernsten Lage in Sibirien auch im Landesinnern strenge Maßnahmen ergriff. Noch hatte der Aufstand vor der Grenze zwischen Sibirien und Russland haltgemacht, aber man hegte doch schlimme Befürchtungen für die benachbarten Wolgaprovinzen.

      Die Polizei suchte immer noch die Spur Iwan Ogareffs. War dieser Verräter, der die Fremden aufhetzte, zu Feofar-Khan gestoßen, oder schürte er vielleicht die Empörung im Gouvernement von Nischnij-Nowgorod, wo sich zur Messezeit ein buntes Völkergemisch tummelte, das später den Aufruhr bis ins Innere des Reiches tragen konnte? Welche von diesen Vermutungen richtiger war, ließ sich in einem Land wie Russland schwer sagen.

      Der Herrscher aller Reußen gebot über ein Gebiet von nicht weniger als zwölf Millionen Quadratkilometern, die von vielen, oft sehr unterschiedlichen Völkerschaften bewohnt wurden. Diese siebzig Millionen Menschen sprachen dreißig verschiedene Sprachen. Nur die Länge der Zeit und die Weisheit der Regierung würden alle diese Weißrussen, Polen, Litauer, Kurländer, Finnen, Esten, Lappen, auch Deutschen, Griechen und Tataren und viele andere Stämme zu einem einheitlichen Staat zusammenschweißen können.

      Jedes Mal, wenn der Zug an einer Station hielt, erschienen jetzt Kontrolleure, die die Reisenden scharf musterten. Sie fahndeten im Namen des Polizeichefs nach Iwan Ogareff; denn die Regierung glaubte immer noch am ehesten, dass er sich im europäischen Teil Russlands aufhielt. War ein Reisender verdächtig, musste er den Beamten in das Polizeibüro folgen und sich ausweisen, während der Zug weiterfuhr, ohne sich um den unfreiwilligen Nachzügler zu kümmern.

      Es ist zwecklos, mit russischen Polizeibeamten, die für ihre Rücksichtslosigkeit bekannt sind, verhandeln zu wollen. Sie haben militärischen Rang und handeln entsprechend als Soldaten, und sie sind auch das Mittel, mit dem sich ein allmächtiger Souverän Gehorsam erzwingt, der seinen Erlassen mehr als fünfzig fürstliche Titel voransetzen kann und der einen Doppelkopfadler im Wappen führt, dessen Krallen eine Erdkugel umklammern.

      Michael Strogoff war durch seinen Pass vor allen Behelligungen durch die Kontrolleure geschützt.

      Im Bahnhof von Wladimir hatte der Zug kurzen Aufenthalt, und neue Reisende stiegen zu. Im Abteil gab es noch einen freien Platz, der jetzt von einem jungen Mädchen belegt wurde. Ihr ganzes Gepäck bestand offenbar aus einer bescheidenen roten Ledertasche, die sie neben sich stellte. Da sie einen Rücksitz bekam, wollte Michael Strogoff dem Mädchen seinen eigenen Platz anbieten, doch sie lehnte mit einer leichten Verbeugung dankend ab und setzte sich für die mehrstündige Fahrt zurecht, ohne ihre zufälligen Reisegefährten auch nur einmal angesehen zu haben.

      Das Mädchen mochte sechzehn oder siebzehn Jahre alt sein. Ihr Gesicht hatte rein slawische, also etwas strenge Züge, und sie würde einmal eher schön als nur hübsch werden. Unter ihrem Kopftuch quoll eine Fülle goldblonden Haares hervor, und ihre braunen Augen hatten einen unendlich sanften Ausdruck. Ihre Wangen waren schmal und blass, und der feingeschnittene Mund schien schon lange nicht mehr gelächelt zu haben. Ihre Gestalt musste, soweit man sie unter dem weiten Pelzübermantel erraten konnte, groß und schlank sein. Die Stirn der Reisenden war trotz der Jugendlichkeit des Mädchens bereits gut entwickelt, und die Form der unteren Gesichtspartie verriet einen Menschen von ungewöhnlicher Energie. Offenbar hatte das Mädchen schon manches durchlitten und sah auch keiner rosigen Zukunft entgegen. Dennoch schienen ihr Selbstvertrauen und ihre innere Ruhe unerschütterlich zu sein. Michael Strogoff war von ihren Gesichtszügen gefesselt. Er betrachtete die junge Reisende jetzt aufmerksam, doch so zurückhaltend, dass sie sich nicht belästigt fühlen musste. In ihrer Kleidung glaubte er die Tracht der Livländerinnen zu erkennen. Der ärmellose Pelz bedeckte eine dunkle Tunika über dem knöchellangen Kleid, dessen Saum eine bescheidene Stickerei zierte. Die kleinen Füße steckten in ledernen Halbstiefeln mit kräftiger Sohle, Schuhwerk also, das für eine längere Reise gedacht war.

      Doch wohin fuhr das junge Mädchen so ganz ohne den Schutz der Eltern oder eines Bruders? Kam sie wirklich geradewegs aus den baltischen Provinzen, und wollte sie nach Nischnij-Nowgorod oder gar noch weiter über die östliche Reichsgrenze hinaus reisen? Wurde sie am Reiseziel von irgendwelchen Verwandten erwartet, oder würde sie auch dort so einsam sein, wie sie hier im Zugabteil zu sein glaubte? Jedenfalls zeigte ihr ganzes Auftreten, die Art, wie sie sich auf ihrem Platz für die Reise einrichtete und jede Belästigung der Mitreisenden ängstlich vermied, dass sie gewohnt war, stets auf sich gestellt zu handeln. Michael Strogoff beobachtete sie mit wachsendem Interesse; da er aber selbst verschlossen war, suchte er keine Gelegenheit zu einem Gespräch mit ihr.

      Nur einmal, als der neben dem Mädchen sitzende Kaufmann im Schlafe mit dem СКАЧАТЬ