Der Kurier des Zaren. Jules Verne
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Название: Der Kurier des Zaren

Автор: Jules Verne

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159608044

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СКАЧАТЬ du wissen, warum ich die baltischen Provinzen verlassen habe und über den Ural reisen muss.«

      »Ich werde keine Fragen stellen, Schwester.«

      Das Mädchen lächelte traurig. »Eine Schwester sollte vor ihrem Bruder keine Geheimnisse haben. Aber heute kann ich noch nicht sprechen. Ich bin nach all der Aufregung zu erschöpft.«

      »Dann geh und ruh dich aus in deiner Kabine …«

      Seine Stimme stockte, als hätte er den Namen seiner Gefährtin hinzufügen wollen.

      »Nadja«, sagte sie einfach und reichte ihm die Hand.

      »Du sollst dich jederzeit auf deinen Bruder Nikolaus Korpanoff verlassen können. Nadja.«

      Michael Strogoff geleitete das Mädchen zur Kabine und kehrte auf das Oberdeck zurück. Er beteiligte sich zwar nicht an der Unterhaltung der Fahrgäste, hoffte aber, aus ihren Gesprächen Neuigkeiten zu erfahren, die ihm für die Weiterreise nützlich sein konnten. Sollte er doch von einem Passagier nach seinem Reiseziel gefragt werden, wollte er einen Ort diesseits der Grenze angeben; niemand durfte vermuten, dass er mit einem Sonderauftrag nach Sibirien reiste.

      Für die Reisenden gab es nur ein Gesprächsthema: die Verordnung des Gouverneurs und ihre Folgen. Diese armen Leute hatten sich noch kaum von den Strapazen der langen Anreise aus Innerasien erholt, als man sie so gewaltsam auf den Heimweg schickte. Nur die Angst vor Polizeispitzeln hinderte sie daran, ihrer Verzweiflung und ihrem Ärger in lauten Protesten Luft zu machen. Sicher waren Polizeibeamte zur Überwachung der Passagiere in Nischnij-Nowgorod an Bord gekommen, und Vorsicht in den Gesprächen war geboten. Schließlich war die Ausweisung immer noch weniger schlimm als die Inhaftierung in einer der Festungen des Landes.

      Michael Strogoff konnte von dieser Seite also kaum auf Informationen hoffen. Manche Passagiere unterbrachen sogar das Gespräch, wenn er vorbeikam; sie kannten ihn ja nicht. Umso erstaunter war er daher, plötzlich eine Stimme zu vernehmen, die sich nicht darum zu kümmern schien, ob man sie hörte oder nicht.

      Der Mann sprach russisch, aber mit ausländischem Akzent. Sein Gesprächspartner antwortete ebenfalls in einem Russisch, das den Ausländer verriet.

      »Ich hatte nicht erwartet, dass Sie mir so schnell folgen würden«, sagte der Herr mit der hellen Stimme.

      »Ich folge Ihnen ja gar nicht, Herr Kollege, ich reise Ihnen voraus«, erwiderte der andere kühl.

      »Voraus! Wir könnten doch, wenigstens vorübergehend, im gleichen Tritt marschieren!«

      »Ganz im Gegenteil! Ich werde Sie auf jeden Fall überrunden.«

      »Das wird sich erst auf dem Kriegsschauplatz zeigen. Da können wir immer noch als Rivalen auftreten.«

      »Als Feinde!«

      »Meinetwegen auch als Feinde. Ich bewundere Sie für die Aufrichtigkeit Ihrer Worte. Man weiß wenigstens, woran man mit Ihnen ist.«

      »Gefällt Ihnen das nicht?«

      »Ich habe nichts dagegen. Jetzt nehme ich mir aber die Freiheit, Sie nach Ihren Plänen zu fragen.«

      »Fangen Sie an!«

      »Sie fahren nach Perm … wie ich?«

      »Wie Sie!«

      »Ich vermute, dass Sie dann in Richtung Jekaterinburg weiterreisen; das ist doch der beste Weg über den Ural.«

      »Sie könnten recht haben.«

      »Drüben in Sibirien ist dann der Augenblick gekommen, wo wir sagen müssen: ›Jeder für sich, Gott für …‹«

      »… mich!«

      »Natürlich, Gott für Sie – ganz allein! Meinetwegen! Aber bis es so weit ist, wollen wir wenigstens Frieden halten. Ich verspreche Ihnen übrigens, alles für mich zu behalten, was ich sehen werde …«

      »Und ich alles, was ich höre.«

      »Abgemacht?«

      »Abgemacht!«

      Der erste Sprecher schüttelte lebhaft die beiden Finger, die ihm der andere lässig hinstreckte.

      »Noch eines«, fügte er stolz hinzu, »ich habe meiner ›Cousine‹ den Text der Verordnung heute Morgen um 10 Uhr 17 durchgegeben.«

      »Ich habe den ›Daily Telegraph‹ um 10 Uhr 13 davon in Kenntnis gesetzt.«

      »Meine Anerkennung, Herr Blount!«

      »Zu gütig, Herr Jolivet!«

      »Bis ich mich revanchiere, Herr Kollege!«

      »Das dürfte Ihnen schwerfallen.«

      »Jedenfalls werde ich es versuchen.«

      Mit diesen Worten verabschiedete sich der französische Korrespondent. Sein freundlicher Gruß wurde mit einer steifen englischen Verbeugung erwidert.

      Die beiden Nachrichtenjäger wurden von der Verordnung des Gouverneurs nicht betroffen. Da sie weder Russen noch asiatischer Herkunft waren, hatte ihrer Weiterreise nichts im Weg gestanden. Beide waren vom gleichen Jagdinstinkt besessen, und so war es nur natürlich, dass sie zum selben Zeitpunkt Nischnij-Nowgorod verlassen hatten, sich jetzt auf demselben Schiff befanden und das gleiche Jagdrevier ansteuerten.

      So frostig Harry Blount noch den freundlichen Annäherungsversuchen seines Kollegen begegnet war, schließlich saßen doch beide an derselben Tafel und probierten einen angeblich echten Cliquot. Die Flasche kostete sechs Rubel, und ihr Inhalt stammte offensichtlich von frischem Saft der Birken dieser Gegend.

      Michael Strogoff hatte das Gespräch der Journalisten mit angehört und ermahnte sich selbst zur Vorsicht: »Diese Leute sind neugierig und indiskret! Ich werde sie wohl auf meinem Weg noch öfter wiedertreffen. Auf jeden Fall muss ich sie mir vom Leib halten.«

      Die junge Livländerin war bis zum Abend nicht wieder an Deck erschienen. Sie schlief fest in ihrer Kabine, und Michael Strogoff ließ sie auch zur Abendtafel nicht wecken.

      Nach der drückenden Hitze des Tages genossen die Passagiere der ›Kaukasus‹ die frische Kühle der langen Abenddämmerung. Obwohl es schon spät war, konnten sich die meisten Fahrgäste noch nicht entschließen, die Salons oder ihre Kabinen aufzusuchen. Der Himmel wurde zu dieser Jahreszeit und in diesen Breitengraden zwischen Abend und Morgen kaum dunkel. Man hatte sich daher auf den Bänken des Oberdecks ausgestreckt und beobachtete, wie der Steuermann trotz der Nachtzeit den Dampfer geschickt zwischen den zahlreichen Schiffen hindurchlenkte, die die Wolga in beiden Richtungen befuhren.

      Da gerade Neumond war, wurde es jedoch zwischen elf Uhr und ein Uhr fast Nacht. Die meisten Passagiere an Deck schliefen, und die Stille wurde nur von dem regelmäßigen Klatschen der Schaufelräder unterbrochen.

      Eine unerklärliche Unruhe hielt Michael Strogoff wach. Er lief zunächst im Heck des Schiffes auf und ab, ging dann aber am Maschinenraum vorbei bis zur zweiten und endlich bis zur dritten Klasse.

      Hier lagen die Schläfer nicht СКАЧАТЬ