Der Kurier des Zaren. Jules Verne
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Название: Der Kurier des Zaren

Автор: Jules Verne

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Reclam Taschenbuch

isbn: 9783159608044

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СКАЧАТЬ sommers mit dem Pferdefuhrwerk, winters mit dem Schlitten. Eine direkte Verbindung zwischen der westlichen und der östlichen Grenze Sibiriens gab es allerdings schon, nämlich die Telegraphenleitung. Dieser Draht war nicht weniger als 8536 Kilometer lang und führte über die wichtigsten Stationen Sibiriens: Jekaterinburg, Tobolsk, Omsk, Kolywan, Tomsk, Krasnojarsk, Irkutsk bis zur Grenze der Mongolei.

      Diese ungeheuer wichtige Leitung war unterbrochen worden, zuerst jenseits von Tomsk und nun auch noch zwischen Tomsk und Kolywan. Nur ein Kurier konnte jetzt noch eine Verbindung zu diesen Orten schaffen. General Kissoff war bereits auf der Suche nach dem geeigneten Mann.

      Zunächst jedoch erschien der Chef der Polizei im kaiserlichen Arbeitskabinett.

      »Treten Sie ein, General«, sagte der Zar kurz, »und teilen Sie mir alles mit, was Sie über Iwan Ogareff in Erfahrung gebracht haben.«

      »Ogareff ist ein äußerst gefährlicher Mann, Majestät«, begann der Polizeichef.

      »Er war doch Oberst, nicht wahr, und ziemlich intelligent?«

      »Hochintelligent sogar, aber vollkommen disziplinlos und von zügellosem Ehrgeiz besessen. Er ließ sich sehr bald mit einer Verschwörergruppe ein und musste von seiner Kaiserlichen Hoheit, dem Großfürsten, degradiert und nach Sibirien verbannt werden.«

      »Wann war das?«

      »Vor zwei Jahren. Er durfte aber schon sechs Monate später durch einen Gnadenerlass Eurer Majestät nach Russland zurückkehren. Er ist dann noch ein zweites Mal nach Sibirien gegangen, diesmal jedoch freiwillig.«

      Diesem Bericht fügte der Polizeichef mit leiserer Stimme hinzu: »Es gab einmal eine Zeit, da war die Reise nach Sibirien eine Reise ohne Wiederkehr.«

      »Mag sein. Aber solange ich lebe, ist und wird Sibirien ein Land sein, aus dem man wiederkehrt.«

      Der Chef der Polizei erwiderte zwar nichts, war aber ganz offensichtlich nicht einverstanden mit dieser Haltung des Zaren.

      »Ist Ogareff«, fragte der Zar weiter, »nicht von Sibirien aus auch noch ein zweites Mal nach Russland zurückgekehrt?«

      »Jawohl, doch den Zweck dieser Reise konnten wir nicht herausfinden. Wir haben ihn aber überwacht, denn ein Verbannter wird erst vom Tag seiner Begnadigung an wirklich gefährlich.«

      Die Miene des Zaren verdüsterte sich einen Augenblick, und der Polizeichef musste fürchten, zu weit gegangen zu sein. Der Monarch überhörte jedoch die indirekten Vorwürfe gegen seine Innenpolitik und fuhr mit der Befragung fort.

      »Wo befand sich Iwan Ogareff zuletzt, und was trieb er?«

      »Er war in Perm, schien keine bestimmte Beschäftigung zu haben, erregte aber auch durch seine Lebensweise keinerlei Verdacht. Er verließ die Stadt im März mit unbekanntem Ziel, und seither haben wir ihn aus den Augen verloren.«

      »Ich aber nicht!«, unterbrach der Zar den Bericht. »Man hat mir, unter Umgehung der Polizeibehörden, anonym gewisse Hinweise zukommen lassen, und angesichts der Ereignisse jenseits der Grenze habe ich allen Grund, an ihre Richtigkeit zu glauben.«

      »Wollen Majestät damit sagen, dass Iwan Ogareff bei der Invasion der Tataren die Hand im Spiele hat?«

      »Allerdings, General. Und ich kann Ihnen noch mehr sagen: Iwan Ogareff verließ Perm, um den Ural zu überqueren und nach Sibirien in die Kirgisische Steppe zu gehen. Dort gelang es ihm, die Nomadenvölker aufzuwiegeln. Daraufhin reiste er weiter nach Süden bis in das unabhängige Turkestan. Er fand die Khans von Buchara, Kokand und Kunduz bereit, ihre Tatarenhorden in unsere sibirischen Provinzen zu werfen und gemeinsam mit den Kirgisen den Aufstand gegen die russische Herrschaft in Asien zu entfesseln. Wir sind vom Ausbruch dieser Erhebung vollkommen überrascht worden. Alle Verbindungswege zwischen Ost- und Westsibirien sind abgeschnitten, und überdies trachtet der rachsüchtige Iwan Ogareff meinem Bruder nach dem Leben.«

      Während des Sprechens lief der Zar erregt auf und ab. Der Polizeichef unterdrückte jede Bemerkung, sagte sich aber im Stillen, dass Iwan Ogareff niemals eine Chance gehabt hätte, wenn der Herrscher aller Reußen nicht so oft politische Verbannte begnadigen wollte. Nach einigen Augenblicken des Schweigens begann der Zar, der sich jetzt in einen Sessel geworfen hatte, wieder zu sprechen. »Unser letztes Telegramm, das bis nach Nischnij-Udinsk durchgegeben werden konnte, war noch der Marschbefehl für die Truppen der Gouvernements Jenisseisk, Irkutsk und Jakutsk sowie der Amur- und Baikal-Provinzen. Außerdem ziehen die Regimenter von Perm und Nischnij-Nowgorod in Eilmärschen zum Ural. Leider werden sie mehrere Wochen brauchen, ehe sie auf die Tataren treffen können.«

      »Und seine Kaiserliche Hoheit, der Großfürst, hat keine Verbindung mehr mit Moskau?«

      »Nein, das Gouvernement Irkutsk ist von der Außenwelt abgeschnitten.«

      »Er weiß doch aber aus den letzten Depeschen von den Gegenmaßnahmen, die Euer Majestät befohlen haben, und aus welchen benachbarten Gouvernements er Hilfe erwarten kann?«

      »Er ist unterrichtet«, antwortete der Zar. »Was er aber nicht wissen kann, ist, dass er in Iwan Ogareff einen eingeschworenen Feind hat, der nicht nur die Rolle des Rebellen, sondern auch die des Verräters spielen will. Ogareff verdankte seine Verbannung meinem Bruder, der ihn unglücklicherweise noch nie zu Gesicht bekommen hat. Der Oberst plant nun, sich unter falschem Namen in Irkutsk in die Dienste des Großfürsten zu schleichen, und wenn die Tataren Irkutsk umzingelt haben werden, will er die Stadt und meinen Bruder ausliefern. Mein Bruder muss umgehend erfahren, dass sein Leben bedroht ist.«

      »Dazu brauchen wir einen intelligenten, mutigen Kurier.«

      »Den erwarte ich gerade.«

      »Und sehr schnell muss er sein, denn, Euer Majestät mögen mir die Bemerkung gestatten, ganz Sibirien ist der Rebellion verdächtig.«

      Der Zar fuhr auf. »General, Sie glauben doch nicht, dass die Verbannten mit den tatarischen Eindringlingen gemeinsame Sache machen könnten? Ich traue ihnen mehr Patriotismus zu!«

      Der Chef der Polizei glaubte in der Tat nicht an die Treue der Verbannten, versuchte aber, ausweichend zu antworten.

      »Verzeihung, Euer Majestät«, stammelte er, »in Sibirien gibt es außer den Exilierten noch andere Häftlinge.«

      »Die Verbrecher! Diesen Auswurf der Menschheit überlasse ich Ihnen, General; sie kennen kein Vaterland. Die Erhebung oder, besser, der Einfall ist aber nicht gegen den Zaren gerichtet, sondern gegen unser russisches Vaterland, das die Verbannten mit Recht noch einmal wiederzusehen hoffen. Nein, nie wird ein Russe auch nur einen Augenblick lang einen Tataren unterstützen, wenn es darum geht, unsere Vorherrschaft zu untergraben!«

      Selbst wenn der Zar dem Patriotismus der politisch Verbannten trauen wollte, blieb die Lage sehr ernst, denn ein Teil der kirgisischen Bevölkerung würde sich bestimmt den Eindringlingen anschließen.

      Das Volk der Kirgisen bildete drei »Horden«, die als die Große, die Mittlere und die Kleine bezeichnet wurden. Insgesamt zählten sie etwa 400 000 »Zelte«, das sind ungefähr zwei Millionen Seelen. Eine der Gruppen war unabhängig, während die beiden anderen die russische beziehungsweise die turkestanische Oberhoheit anerkannten. Das von der Großen Horde bewohnte Gebiet reichte bis zu den Gouvernements von Omsk und Tomsk. Sollten sich die Kirgisenvölker nun erheben, so konnten sie sehr wohl die russische Herrschaft in Sibirien östlich des Jenissei zu Fall bringen. Omsk СКАЧАТЬ