Deutsche Sprachwissenschaft. Eine Einführung. Ingo Reich
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СКАЧАТЬ z. B. in Pittner/Berman (2013) oder Grewendorf/Hamm/Sternefeld (1987) vorgestellt wird, reichern sie aber mit Gedanken an, wie sie Höhle (1986), einer der Pioniere der ›modernen‹ Topologie, formuliert hat, ganz ähnlich wie das z. B. auch Wöllstein (2014) in ihrem Band zur Topologie tut.

      Wenn wir eine Reihe ganz normaler Sätze des Deutschen betrachten, wie die in (4.3), können wir einige Generalisierungen über die Anordnung der Wortgruppen (weiter hinten werden wir das begrifflich als ›Konstituenten‹ etwas genauer fassen) anstellen. Die Sätze in (4.3 a–e) sind Hauptsätze, Satz (4.3 f) ist ein Nebensatz. Zunächst zu den Hauptsätzen: Wir sehen an (4.3 b–d), dass Verbformen über den Satz verteilt auftauchen. Ein Teil steht vorne, ein Teil steht hinten. Wir können noch mehr über die Verteilung der Bestandteile der Verbformen sagen: Der Teil, der eher vorne steht, ist der finite Teil der Verbform, der hintere Teil ist der Rest der Verbform. Das können infinite Teile der Verbform sein, wie in den Beispielen, aber auch z. B. Verbpartikel bei zusammengesetzten Verben (Wir reisen morgen ab). Wenn ein Verb nur aus einer Verbform besteht, steht diese vorne, wie in (4.3 a, e). Und wenn wir nun auf den Nebensatz schauen, stellen wir fest, dass da die Verbform eben nicht über den Satz verteilt auftritt, sondern dass sie ganz hinten steht. Vorne steht dafür eine Konjunktion. Diese festgelegten Verbpositionen geben dem ganzen Satzgebilde einen Rahmen bzw. eine Klammer. Folglich hat sich als Bezeichnung für diese beiden Verbpositionen eingebürgert, sie Satzklammern zu [71]nennen. Die vordere ist dieSatzklammerlinke Linke Satzklammer, die hintere die SatzklammerrechteSatzklammerrechteRechte Satzklammer. Den Rest des Satzes kann man nun relativ zu diesen Satzklammern bestimmen: Es gibt eine Position vor der Satzklammer, die naheliegenderweise VorfeldVorfeld Das topologische Feldermodellheißt, eine hinter der Satzklammer, das NachfeldNachfeld, und schließlich noch den Raum zwischen den Klammern, das MittelfeldMittelfeld. Wir haben diese Felder in den Sätzen (4.3) durch Striche und die abgekürzten Feldernamen in der untersten Zeile angedeutet.

      Wir können nun aber auch ›vorne‹ definieren. Vorne heißt in diesem Fall: entweder ganz vorne, wie in (4.3 d, e), oder nach der ersten unabhängigen Konstituente, wie in (4.3 a–c). Welcher Fall eintritt, hängt letztlich von der Funktion des Satzes ab. Der SatztypenSatztyp DeklarativsatzDeklarativsatz (4.3 a, b), der von der Funktion her eine Aussage tätigtAussagesatz, hat im Normalfall eine Konstituente vor dem finiten Verb, also im Vorfeld, ist also vom Verbstellungstyp her ein VerbzweitsatzVerbzweitsatz. Bei Interrogativsätzen, Interrogativsatzmit deren Hilfe man Fragen stellt, ist die Zuordnung schwieriger, da es in Gestalt der Fragesatzw-FragesatzWortfragesätze bzw. w-Fragesätze (4.3 c) ebenfalls Verbzweitsätze gibt, nur gilt da die Bedingung, dass das Element im Vorfeld das Fragewort bzw. die Fragephrase sein muss. Bei EntscheidungsfragesätzenFragesatzEntscheidungsfragesatz gibt es hingegen kein Vorfeld, sondern sie beginnen gleich mit der Linken Satzklammer, sind also VerberstsätzeVerberstsatz. Für Sätze, deren Funktion es ist, Befehle Befehlsatzauszudrücken (vom Formtyp her wären das ImperativsatzImperativsätze, 4.3 e), gilt dasselbe. GliedsatzGliedsätze wie in (4.3 f) schließlich haben alles verbale Material in der Rechten Satzklammer. Die linke Peripherielinke Peripherie (also das Vorfeld und die Linke Satzklammer zusammengenommen) beherbergt in diesen Sätzen einleitende Element wie z. B. KonjunktionKonjunktionen oder RelativpronomenRelativpronomen. Dieser Verbstellungstyp wird häufig als VerbletztsatzVerbletztsatz bezeichnet.

      Die Beziehung zwischen den Verbstellungstypen, Formtypen und den Funktionstypen wird unter dem SatzmodusBegriff des SatzmodusSatzmodus eingehend diskutiert, und ist tatsächlich deutlich komplizierter, als wir es hier dargestellt haben (siehe auch Abschnitt 3.5). Grundlegende Arbeiten dazu wären Brandt/Reis/Rosengren/Zimmermann (1992) und Lohnstein (2000).

      Es ist auch möglich, Aussagen zu den einzelnen Positionen zu treffen. Über die Satzklammern haben wir bereits geredet. Das VorfeldDas VorfeldVorfeld als Position vor der Linken Satzklammer zeichnet sich dadurch aus, dass es im Normalfall nur eineKonstituenteunabhängige unabhängige Konstituente beherbergen kann. Wie wir in Abschnitt 4.3 näher diskutieren werden, ist eine Konstituente eine in sich geschlossene [72]Wortgruppe, innerhalb derer die Worte in einer gewissen Beziehung zueinander stehen. Eine unabhängige Konstituente ist eine Konstituente, die von keiner anderen Konstituente abhängt und die als Ganzes eine grammatische Funktion (wie Subjekt, Objekt, Adverbial) trägt. Eine unabhängige Konstituente entspricht also ganz grob dem, was man traditionell als Satzglied Satzgliedbezeichnet. Welche unabhängige Konstituente des Satzes nun im Vorfeld steht, wird von der Grammatik nicht festgelegt – es kann ein Adverbial sein wie in (4.4 a) oder (4.3 a), es kann das Subjekt sein wie in (4.4 b) oder (4.3 b), es könnte ein Objekt sein, wie in (4.4 c).

      Man sieht, dass sich die Bedeutung der Sätze in (4.4) nicht wirklich ändert, eventuelle Unterschiede zwischen den verschiedenen Versionen liegen eher in der Gewichtung. Festgelegt wird die Vorfeldfüllung durch eine eher pragmatische Größe, die Informationsstruktur, Informationsstrukturauf die wir später in diesem Abschnitt näher eingehen werden (vgl. Speyer 2008). Auf jeden Fall ist es wichtig festzuhalten, dass es im Deutschen nicht so ist, dass das Subjekt grundsätzlich vor dem Verb steht. Die ›logische‹ Satzstruktur, wie sie in Abschnitt 7.3 eingeführt wird und nach der ein Satz aus (logischem) SubjektSubjekt und PrädikatPrädikat (= VerbalphraseVerbalphrase) besteht, ist also im Deutschen oftmals an der Oberfläche nicht sichtbar.

      Das NachfeldNachfeld Das Nachfeldwird auch selten von mehr als einer Konstituente besetzt – wenn überhaupt. Als Faustregel für die Nachfeldfüllung gilt, je komplexer eine Konstituente ist, desto eher kann sie ins Nachfeld (für eine genauere Betrachtung vgl. z. B. Vinckel 2006). Klassiker für die Nachfeldfüllung sind GliedsatzGliedsätze, wie der angedeutete dass-Satz in (4.3 b), die als Satzglieder bzw. Konstituenten ihres jeweils übergeordneten Satzes gelten und die aufgrund ihrer Komplexität gut ins Nachfeld passen. Extrem nicht-komplexe Elemente [73]wie z. B. Pronomina finden wir dagegen nie im Nachfeld (*Kannst du mir rüberreichen es?). Für die Besetzung des Nachfeldes spielt, neben der Komplexität der Konstituente, ebenfalls die Informationsstruktur eine Rolle; unabhängig davon finden sich Objekte deutlich seltener im Nachfeld, Subjekte so gut wie nie.

      Bleibt noch Das Mittelfelddas MittelfeldMittelfeld. Für das Mittelfeld gelten keine Beschränkungen, in ihm kann so ziemlich alles stehen, und es kann auch beliebig viel Material dort stehen. WortstellungunmarkierteTrotzdem gibt es einige Gesetzmäßigkeiten und Tendenzen, denen die Abfolge im Mittelfeld unterworfen ist. Auch gibt es einige Elemente, bzw. Elementklassen, die innerhalb des Mittelfelds relativ stellungsfest sind: Am linken Rand des Mittelfelds ballen sich einige unbetonte bzw. schwachbetonte Elemente zusammen, nämlich Personalpronomina und Modalpartikeln. Ein Beispiel wäre Gestern hat sie ihm ja das Buch nach vielen Diskussionen endlich gegeben. Diese Position am linken Rand des Mittelfelds wird oft als Wackernagelposition Wackernagelpositionbezeichnet, nach dem Indogermanisten, der sie zuerst für eine Reihe indoeuropäischer Sprachen beschrieben hat. Eine Umstellung der Pronomina nach weiter hinten, wie in Gestern hat das Buch nach vielen Diskussionen sie ihm ja endlich gegeben, würde die Akzeptabilität stark beeinträchtigen, für manche vielleicht sogar zur Ungrammatikalität führen. Ebenso gibt es Elemente, die auf den rechten Rand des Mittelfelds abonniert sind, z. B. die Negationspartikel (Sie hat ihm das Buch nach diesen Diskussionen schließlich nicht gegeben), nicht-verbale Bestandteile von Funktionsverbgefügen (Uller kann seinen Freunden manchmal ganz schön auf den Wecker gehen; unter FunktionsverbgefügeFunktionsverbgefügen СКАЧАТЬ