Geisterkind. Christine Millman
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Название: Geisterkind

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947634934

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СКАЧАТЬ auszusprechen, blickte ihren Bruder nur flehend an. Bitte sag nicht tot.

      Veit schluckte schwer, schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Aberlin lebt«, wisperte er. »Aber Vater und Benhard und die beiden Frauen sind …«

      Seine Brust verkrampfte sich, er schluchzte laut und schlug die unverletzte Hand vors Gesicht. Inja merkte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten.

      »Nein!«, stieß sie hervor. »Das kann nicht sein.«

      Veit schluchzte in seine Hand. Inja saß hilflos daneben. Wie sollte sie ihn trösten? Ihren älteren Bruder weinen zu sehen war fast noch erschreckender als sein geschundener Leib. Sie starrte zur Tür, in der verzweifelten Hoffnung, ihren Vater oder Benhard zu erblicken. Sie konnten nicht tot sein, das war einfach nicht möglich. Als es klopfte, sprang sie so schnell vom Stuhl, dass er kippte und polternd zu Boden fiel, hastete zur Tür und riss sie auf. Lore stand vor ihr, mit gerötetem Gesicht und finsterem Blick.

      »Ich habe Ban gesagt, er soll sich um Benlin kümmern. Der arme Junge ist völlig verstört.« Energisch schob sie Inja zur Seite und betrat das Haus. »Vor Neils Haus hat sich eine Menschenmenge versammelt. Sie sagen, dass die Söldner ihn erwischt haben.«

      »Das stimmt«, bestätigte Inja und folgte Lore zum Tisch, wo Veit noch immer um Fassung rang. Mit erfahrenem Griff zog Bans Mutter sein Wams und das Hemd über den Kopf und untersuchte seine Verletzungen. Veit biss die Zähne zusammen und bemühte sich nach Kräften, keinen Schmerzenslaut von sich zu geben.

      »Den Arm hat‘s schwer erwischt«, befand Lore nach eingehender Untersuchung. »Alle Finger und der Knöchel sind gebrochen. Der Schnitt am Oberarm ist tief und muss genäht werden.«

      Veit nickte. Mittlerweile war er so bleich, dass seine Haut Injas glich.

      »Hol einen Krug Schwarzbier und einen großen Kümmler. Der Junge braucht eine Stärkung, sonst kippt er noch um. Außerdem brauche ich Wasser und saubere Tücher«, befahl Lore.

      Inja beeilte sich, das Gewünschte herbeizuschaffen. Während sie Kümmler in einen Becher goss, zog Lore hauchfein gesponnenes Flachsgarn auf eine Nadel.

      »Mach den Becher voll. Der Junge wird es brauchen«, befahl sie.

      Fasziniert und abgestoßen zugleich beobachtete Inja, wie Bans Mutter zuerst die tiefe Wunde reinigte und anschließend begann, das Fleisch zu vernähen wie einen Riss im Gewand. Veit stöhnte. Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Obwohl Inja eher nach Wegrennen und Weinen zumute war, ergriff sie seine gesunde Hand und lächelte ihn aufmunternd an. Nachdem die Fleischwunde versorgt war, wandte Lore sich den gebrochenen Fingern zu. »Das wird ein hartes Stück Arbeit. Trink lieber noch einen Schluck Kümmler, Junge.«

      Veit tat wie geheißen und verzog angewidert das Gesicht. Inja verstand ihn gut. Das Zeug schmeckte scheußlich.

      Lore schnappte die Flasche und füllte den Becher ein weiteres Mal auf. »Und noch einen. Was ich jetzt mache ist nichts für zarte Gemüter, das kannst du mir glauben.«

      Furcht flackerte in Veits Augen auf, die Lore ungerührt zur Kenntnis nahm. Mit versteinerter Miene richtete sie seine Finger und umwickelte sie anschließend mit festen Tüchern. Trotz des hochprozentigen Gemischs schrie Veit immer wieder auf und biss sich die Lippen blutig.

      »Nun mach schon Inja. Halt seinen Arm«, schnauzte Lore, als Veit die Hand zum zweiten Mal wegzog. Inja versuchte nach Kräften, Lores Anweisungen zu befolgen. Tränen strömten ihre Wangen hinab, während sie den Arm ihres Bruders umklammert hielt. Als Lore fertig war, führte sie den schwankenden Veit in seine Kammer, wo er stöhnend auf die Matratze sank.

      »Bis zur Tag und Nachtgleiche darfst du den Arm nicht bewegen«, mahnte Lore und reichte ihm einen Becher. »Hier trink das. Ich hab etwas Schlafpulver hineingemischt, damit du zur Ruhe kommst.«

      Veit nahm den Becher und leerte ihn in einem Zug. »Werde ich den Arm je wieder benutzen können?«

      Lore schnaubte. »Ich habe mein Bestes getan, alles andere liegt in den Händen der Götter. Dein Arm wird nie wieder seine alte Kraft erlangen, so viel ist sicher.« Sie wandte sich Inja zu. »Was ist mit eurer Mutter? Seit ich hier bin, hat sie sich nicht gerührt. Ist sie verletzt?«

      Inja zuckte mit den Schultern. »Ich glaube schon. Sie hat kein Wort gesprochen, hat sich einfach nur hingelegt.«

      Lore brummte etwas Unverständliches und ging in die elterliche Schlafkammer, wo Injas Mutter noch genauso lag wie zuvor und die Wand anstarrte, als würde ihr Blick von etwas angezogen, dass nur sie sehen konnte.

      Lore blieb ruhig. »Ich grüße dich, Gretta. Wie geht es dir? Hast du Schmerzen?«

      Gretta antwortete nicht. Lore setzte sich an den Bettrand und legte ihre Hand auf Grettas Arm. »Darf ich nachsehen, ob du Verletzungen hast, die behandelt werden müssen?«

      Die Mutter schwieg. Wie versteinert lag sie da und starrte an die Wand. Inja versuchte zu erkennen, ob sie wenigstens blinzelte. Lore stieß einen tiefen Seufzer aus. »Gut, du willst nicht antworten, das verstehe ich. Doch ich nehme dein Schweigen als Einverständnis.«

      Vorsichtig löste sie die zerrissenen Schnüre von Grettas Tunika, hob das Hemd an und begann, ihren Rücken nach Verletzungen abzusuchen. »Ein paar Schnittwunden, nicht tief und Blutergüsse, also nichts, was nicht wieder heilt«, sagte sie laut, damit Gretta es hören konnte.

      Inja bewunderte ihr Geschick. So griesgrämig sich Bans Mutter ansonsten verhielt, im Umgang mir Kranken wirkte sie fähig und beruhigend.

      »Ich schaue mir nun deine Vorderseite an.«

      Mit Injas Hilfe drehte sie Gretta auf den Rücken, die es widerstandslos geschehen ließ, und untersuchte den Bauch und die Brüste. Ein Schreckenslaut entfuhr Inja und sie schlug schnell die Hand vor den Mund, um den Schrei abzufangen. Tiefe Schnitte zogen sich über die linke Brust ihrer Mutter. Lore warf Inja einen warnenden Blick zu und zog vorsichtig das Hemd über die Verletzungen. »Inja. Geh zu meinem Sohn und warte dort auf mich.«

      Inja runzelte die Stirn. »Warum? Ist es nicht besser, wenn ich hier bleibe und helfe?«

      »Geh!«, erwiderte Lore barsch. »Ich brauche deine Hilfe nicht.«

      Inja presste die Lippen zusammen und senkte den Kopf. Lore war nicht ihre Mutter, aber sie war eine Erwachsene und so musste sie gehorchen. Bevor sie das Haus verließ, warf sie noch einen kurzen Blick auf Veit. Er hielt die Augen geschlossen und atmete tief und gleichmäßig.

      Erleichterung durchflutete sie, als sie aus der Tür trat, gemischt mit Gewissensbissen, weil sie froh war, dem Anblick ihrer Mutter zu entfliehen und lieber nicht wissen wollte, was die Söldner ihr alles angetan hatten. Mit gesenktem Kopf machte sie sich auf den Weg, versuchte, die Dorfbewohner nicht zu beachten, die sich auf den Gassen versammelt hatten, um über die vergangene Nacht zu sprechen. Sobald sie Inja erblickten, verstummen sie, klopften sich gegen Lippen und Stirn und starrten sie feindselig an. Überall vernahm Inja das Flüstern, hinter vorgehaltener Hand gesprochene Worte über den Tod ihres Vaters und ihres Bruders, über die Schändung ihrer Mutter und Neils Frau und Tochter. Geisterkind hallte es aus jeder Ecke. Sie ist die Schuldige. Sie bringt Unheil über uns. Sie muss büßen.

      Am liebsten hätte Inja sich die Ohren zugehalten, um die hasserfüllten Worte nicht hören zu müssen. Endlich kam Lores Kate in Sicht. Wie eine Insel СКАЧАТЬ