Geisterkind. Christine Millman
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Название: Geisterkind

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947634934

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СКАЧАТЬ saß mit Benlin am Tisch, der so sauber geschrubbt war, dass er fast glänzte. Irmeli saß auf seinem Schoß und lutschte an einem Holzlöffel herum. Als sie Inja erblickte, streckte sie die speckigen Ärmchen aus und lachte vor Freude. Bei dem Anblick schossen Tränen in Injas Augen.

      Ban sprang auf und reichte Irmeli an Benlin weiter. Sofort begann sie, zu quengeln, denn sie wollte natürlich auf den Arm ihrer Schwester.

      »Sie will zu mir«, sagte Inja. »Gib ihr etwas zu essen, um sie abzulenken.«

      »Was ist mit deiner Mutter und Veit?«, fragte Ban statt einer Antwort.

      Inja schüttelte den Kopf und winkte ab. Noch war sie nicht in der Lage, über den Vorfall zu sprechen.

      Ban nickte Richtung Tisch. »Setz dich. Ich koche einen Tee.«

      »Und etwas für Irmeli«, fügte Inja hinzu. »Milch wäre gut.«

      Hastig goss er Milch in eine Schale und zupfte ein paar Brocken Brot hinein. Irmeli zappelte aufgeregt, als sie das sah, ballte ihre kleinen Hände zu Fäusten und quietschte ungeduldig. Während Ban den Becher auf den Tisch stellte, gluckste sie vergnügt und schmatzte. Normalerweise entlockte Irmelis unschuldige Freude Inja immer ein Lächeln, doch diesmal blieb sie ernst. Sie beneidete ihre kleine Schwester, die von den schrecklichen Geschehnissen noch nichts mitbekam und nun genüsslich die eingeweichten Brotstücke aus der Milch fischte. Ban bereitete derweil den Kräutertee. Inja setzte sich und ergriff Benlins Hand, der dies ausnahmsweise duldete.

      »Vater und Benhard sind tot«, sagte er mit tonloser Stimme.

      »Ich weiß.« Inja nickte. »Was ist mit Resna und ihrer Tochter passiert?«

      Schmerz verzerrte Benlins Gesichtszüge. »Alle sind tot. Es war grauenhaft.«

      Schluchzend schlug er eine Hand vors Gesicht. Ban stellte die Becher mit dem frischgekochten Tee auf den Tisch, nahm neben Inja platz und strich tröstend über ihren Rücken. Inja seufzte tief. Seine Berührung tat gut. »Dein Bruder hat mir alles erzählt«, sagte er. »Weil die Söldner dich nicht finden konnten, haben sie sich Neils Frau und Tochter geholt. Er hat versucht, es zu verhindern, darum haben sie ihn getötet.«

      Inja sah von einem zum anderen. »Und was ist in der Schankstube passiert?«

      Ban zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Benlin sagt, er hätte sich hinter den Tresen gekauert, die Ohren zugehalten und darauf gewartet, dass die Männer endlich verschwinden. An Einzelheiten kann er sich nicht erinnern.«

      Inja schüttelte den Kopf und schlürfte den Tee. Ihr Bruder wollte sich nicht erinnern. Das musste sie akzeptieren. Während sich wohltuende Wärme in ihrem Bauch ausbreitete, schloss sie die Augen und versuchte, das Bild ihrer geschundenen Mutter zu vertreiben, das sofort vor ihrem geistigen Auge erschien. Die tiefen Schnitte auf der Brust, die Inja an klaffende, blutige Münder erinnerten. Erst Irmelis Gebrabbel riss sie aus den schrecklichen Gedanken.

      »Möchtest du Tee trinken?«, fragte Inja.

      »Babamm«, erwiderte Irmeli und schmatzte, woraufhin Inja in ihren Teebecher blies und ihn an Irmelis Lippen hielt.

      »Veit ist verletzt«, berichtete sie. »Mutter ebenfalls. Sie spricht nicht. Was mit Vater, Benhard und den beiden Frauen passiert ist, weiß scheinbar keiner von uns, doch Veits Blick verriet mir, dass die Söldner sie getötet haben.«

      Ban kratzte sich am Kopf. Das machte er immer, wenn er angestrengt nachdachte. »Vielleicht sollten wir zur Schankstube gehen und hören, was meine Mutter dazu sagt.«

      Benlin sprang auf. »Du hast recht. Ich kann nicht länger herumsitzen und warten.«

      Irmeli, die gerade dabei war, ein weiteres Stück Brot aus der Milch zu fischen, begann zu jammern, als sie so unvermittelt von der Schale fortgerissen wurde.

      »Ich weiß nicht, Benlin. Ich finde, wir sollten warten, bis Bans Mutter zurückkommt«, gab Inja zu bedenken. Der Gedanke an Zuhause und den Anblick ihrer Mutter ängstigte sie mehr, als sie zugeben wollte. Was hatten die Männer ihr angetan, um aus der tatkräftigen Frau ein Häufchen Elend zu machen?

      Bevor sie zu einer Entscheidung gelangten, betrat Aberlin die Hütte. Im Gegensatz zu ihrer Mutter und Veit wirkte er vergleichsweise unbehelligt. Weder war seine Kleidung zerrissen und verschmutzt noch schien er, bis auf ein paar Kratzer und ein zugeschwollenes, blaues Auge, ernsthaft verletzt zu sein. Erschöpft sank er auf die Bank neben der Feuerstelle. Die Kinder blickten ihn erwartungsvoll an. Niemand sprach.

      »Vater ist tot«, fing Aberlin an und fuhr sich durch das zerzauste Haar. »Und auch Benhard hat‘s erwischt, ebenso Neils, seine Frau und die Tochter.«

      Das war keine Überraschung, Inja hatte es gewusst, dennoch war es ein Schock, die Wahrheit ausgesprochen zu hören. »Wieso haben die Soldaten das getan?« Vor Entsetzen klang ihre Stimme ganz dünn.

      Aberlin schnaubte. »Weil sie es können. Die Söldnergarde tut, was ihnen in den Sinn kommt. Das ist allgemein bekannt. Vater wollte ihnen nicht verraten, dass er eine Tochter hat und Benhard konnte nicht mit ansehen, wie Veit gefoltert wird, und hat es ihnen schließlich verraten. Vor Wut haben die Männer ihn getötet.« Er sah Inja an. »Glücklicherweise warst du fort, doch dafür musste jemand anderes herhalten. Also haben sie sich Neils Frau und seine Tochter geholt.«

      Entsetzt schlug Inja die Hand vor den Mund. Vier Menschen waren tot, weil sie geflohen war. »Neils Tochter ist nur einen Winter älter als ich«, wisperte sie.

      »Mach dir keine Vorwürfe«, versuchte Aberlin sie zu beruhigen. »Ich hätte es nicht ertragen, wenn sie dir das angetan hätten, was sie Mutter und den beiden Frauen angetan haben. Sie verhielten sich wie Tiere, mordlustig und gierig. Irgendeinen Vorwand hätten sie schon gefunden, um uns zu quälen.«

      »Was haben sie denn mit unserer Mutter gemacht? Warum ist sie so?«, fragte Inja.

      Aberlin beugte sich vor und tätschelte ihre Hand. »Das willst du gar nicht wissen, Schwesterherz. Glaube mir, wenn ich dir sage, dass letzte Nacht Dinge geschehen sind, die selbst den standhaftesten Mann um den Verstand bringen würden und dich wünschen ließen, keine Frau zu sein.« Er räusperte sich und sah sie reihum an. »Morgen früh mache ich mich auf den Weg nach Dörsten zu unserem Oheim. Er wird uns dabei helfen, unsere Angelegenheiten zu regeln.«

      Inja riss die Augen auf. »Was ist mit Mutter? Kann sie nicht alles regeln? Sie bleibt doch nicht so, oder?«

      Eine seltsame Mischung aus Härte und Entschlossenheit lag in Aberlins Blick, als er antwortete. »Ich weiß nicht, ob sie wieder normal wird, aber ich befürchte das Schlimmste. Deshalb müssen wir Vorkehrungen treffen. In drei Tagen findet die Totenfeier statt, danach verlasse ich diesen Ort und suche mir eine Anstellung in Grimmelstadt. Damit ihr über die Runden kommt, werde ich euch regelmäßig einen Teil meines Soldes schicken.«

      »Was?«, stieß Inja entsetzt hervor. »Du willst fortgehen? Warum?«

      »Irgendjemand muss ein paar Kreuzer verdienen, sonst verhungern wir.«

      »Dann führ die Schankstube weiter«, schlug Inja vor. »Du bist alt genug.«

      Aberlin mied ihren Blick, das schlechte Gewissen überschattete sein Gesicht. Er schluckte schwer, bevor er antwortete. »Ich kann nicht hierbleiben, nicht nachdem was geschehen ist.«

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