Geisterkind. Christine Millman
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Название: Geisterkind

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947634934

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СКАЧАТЬ ich habe keine Tochter«, flehte der Vater. »Hier, trinkt einen Krug Schwarzbier, es ist das Beste der ganzen Gegend sagt man.«

      »Wir wollen Weiber und nicht dein schales Bier.«

      Etwas fiel klirrend zu Boden, das Krachen splitternden Holzes gefolgt von einem Poltern erklang. Veit stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus und ihre Mutter wimmerte gedämpft, es klang als hätte sie einen Knebel im Mund.

      »Ich glaube du lügst, alter Mann«, knurrte einer der Söldner. »Geh nachsehen Anton.«

      Schwere Schritte näherten sich der Treppe. Inja huschte zur Hintertür. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Vor der Tür wandte sie sich ein letztes Mal um. Benlin nickte ihr entschlossen zu, straffte sich und stellte sich dann breitbeinig an den Treppenabsatz. In Windeseile stieg Inja die Stufen hinter dem Haus hinab, rannte durch den Garten und verschwand in den dunklen Gassen. Sie hielt nicht inne, bis sie zu Bans Hütte gelangte.

      Bans Mutter Lore öffnete. »Den Göttern sei Dank, du bist rausgekommen.« Scheinbar wusste sie genau, was in der Schankstube vor sich ging. Hastig zog sie Inja durch die Tür und verriegelte sie.

      »Setz Tee auf«, befahl sie an Ban gewandt, während sie Inja zu einem Stuhl führte.

      Die Hütte bestand nur aus einer einzigen Kammer. Von der Decke hingen getrocknete Kräuterbüschel und in einem grob gezimmerten Regal standen Töpfe, allerlei Tiegel, tönerne Gefäße und Schalen. Der durchdringende, aber nicht unangenehme Geruch nach Kräutern und ausgelassenem Fett hing in der Luft. Ganz im Gegensatz zu Injas Zuhause war der Boden gefegt und mit frischem Stroh bedeckt, die Feuerstelle sauber und auf der Bettstatt lagen ordentlich gefaltete Felle.

      Lore nahm die schlafende Irmeli und trug sie zu ihrem Bett. Der flüchtige Gedanke, dass sie Bans Mutter noch nie hatte lachen sehen, schoss Inja durch den Kopf. Lore war energisch und klug, doch der straffe Haarknoten und die fest aufeinandergepressten Lippen, die umrahmt waren von zahllosen, kleinen Falten, ließen sie streng und abweisend wirken.

      Lores Kräutertee und ihre unerschütterliche Art wirkten beruhigend, trotzdem fand Inja keinen Schlaf in dieser Nacht. Wie festgefroren saß sie vor dem Feuer und starrte in die Flammen. Bei jedem ungewöhnlichen Geräusch zuckte sie zusammen und blickte ängstlich zur Tür, jeden Moment damit rechnend, dass die Soldaten die Tür aufbrechen und sie holen würden. Ban wachte neben ihr, hielt ihre Hand und murmelte Worte des Trostes. Inja hörte ihm nicht zu. Es gab keinen Trost, nur die Sorge um das Wohl ihrer Familie und die schrecklichen Bilder von Folter und Tod, die ihren Geist marterten.

      Nichts ist erschreckender als die Vorstellungskraft hatte ihre Großmutter immer gesagt, wenn sie Angst vor dem Unbekannten hatte. Diesmal jedoch befürchtete Inja, dass ihre Vorstellungskraft nicht annähernd ausreichte, um sich das auszumalen, was in ihrem Zuhause geschah.

      Bei Tagesanbruch verließen die Söldner das Dorf. Das Wiehern der Pferde, raue Stimmen und Gelächter hallten durch den frühen Morgen. Die Männer schienen bester Laune. Kaum hatte die Schar das Westtor passiert, machte Inja sich auf den Weg nach Hause. Überall wurden Türen und Fenster geöffnet, Menschen traten auf die Wege und reckten ihre Gesichter zur Morgensonne hin, froh darüber, unbehelligt und am Leben zu sein. Ohne die neugierigen Blicke zu beachten, rannte Inja an ihnen vorbei.

      Vor der Hütte vom buckligen Neils hielt sie abrupt inne. Die Tür hing nur noch an einem einzigen, verbeulten Scharnier, der Riegel war gewaltsam aus der Verankerung gerissen und fortgeschleudert worden. Neils selbst lag im Türrahmen, mit dem Oberkörper auf der Gasse. Sein Kopf mit den leeren Augen schwamm in einer Lache aus Blut, sein Mund eine blutige Höhle in einem wachsbleichen Gesicht. Entsetzt schlug Inja die Hand vor den Mund.

      Sieh nicht hin, befahl sie sich. Sie wandte sich ab und passierte das Haus in einem großen Bogen. Vor dem Gartentor hinter der Schankstube stockte sie. Die ersten Sonnenstrahlen fielen auf die Butzenglasfenster, die ebenso unversehrt waren wie die Tür. Still und friedlich lag ihr Zuhause im frühen Morgenlicht, fast so als schliefen die Bewohner noch.

      Inja atmete tief durch, stieg die Stufen empor und betrat das Haus. Die Stille im Inneren war anders als draußen, unheimlich und bedrückend. Totenstille. Es fühlte sich an, als betrete sie einen verfluchten Ort. Langsam schlich sie den Flur entlang, der ihr noch nie so düster erschienen war, und spähte durch die offenen Türen. Truhen und Kommoden lagen umgestürzt auf dem Boden, die Strohmatten waren zerschnitten und überall lagen Kleider verstreut. Meine Kleider. Vor dem Treppenabsatz hielt Inja inne. Die Schankstube lag in schummrigem Licht.

      »Aberlin? Veit?«, rief sie. »Seid ihr da unten?«

      Unangenehm laut hallte ihre Stimme durch die Stille.

      »Bleib oben. Wir kommen hinauf«, sagte Benlin.

      Jemand rührte sich. Inja vernahm unsichere Schritte und ein Leises: »Komm Mutter, du musst dich hinlegen.«

      Unwillkürlich fragte Inja sich, wie schlimm es um ihre Mutter bestellt sein musste, wenn sie sich von dem gerade mal zwölf Winter zählenden Benlin führen ließ. Und sie fragte sich, wo ihre älteren Brüder waren und Vater. Am liebsten wäre sie geflüchtet, weil sie sich davor fürchtete, was sie gleich erfahren würde.

      Benlin hielt die Mutter im Arm, die sich bewegte wie eine alte Frau, schwerfällig und gebeugt. Der Geruch nach Schweiß, ungewaschenen Leibern und getrocknetem Blut entstieg ihrem Gewand. Als sie endlich oben ankam, betrachtete Inja sie entsetzt. Ihr ansonsten so energischer Blick war leer, das Gesicht schlaff und um Jahre gealtert. Getrockneter Speichel und Blut klebten an Mundwinkel und Kinn. Das Unterkleid und der Rock waren an vielen Stellen zerrissen, die Haare zerzaust. Schürfwunden und Blutergüsse zierten ihre Arme, das Gesicht und die Lippen waren geschwollen und aufgeplatzt. In Höhe ihrer Brust durchtränkte ein großer Blutfleck das Gewand. Während Inja wie gelähmt ihre geschundene Mutter anstarrte, schob Benlin sie zur Seite und führte die Mutter an ihr vorbei in die Schlafkammer, wo sie auf das Bett sank und sich nicht mehr rührte. Inja folgte den beiden zögerlich. Etwas Kaltes, Erdrückendes beschwerte ihre Schritte. Langsam kniete sie sich neben das Bett und zwang sich dazu, die Hand ihrer Mutter zu ergreifen, die leblos über den Rand baumelte. Schlaff lag sie in ihrer, die Haut war kalt und klamm. »Mutter, was ist passiert?«

      Die Mutter antwortete nicht. Wie eine Tote lag sie auf der Matratze und starrte blicklos an ihr vorbei. Hilfesuchend blickte Inja zur Tür, durch die nun Veit trat. Er war so bleich wie Nebel an einem Wintertag. Dunkle Flecken auf seinem Wams verströmten den Geruch nach Schwarzbier und Schnaps, vermischt mit Schweiß. Er hielt seinen rechten Arm umklammert, der schlaff nach unten hing, als würde er nicht zu seinem Körper gehören. Getrocknetes Blut klebte am Hemdsärmel.

      Inja erhob sich und trat auf ihn zu. »Bist du verletzt?«

      Er verzog das Gesicht und nickte. Vorsichtig führte sie ihn zu einem Stuhl und half ihm dabei, den verletzten Arm auf den Tisch zu legen. Dann untersuchte sie seine Wunden. Die Finger und der Knöchel waren geschwollen und standen in einem unnatürlichen Winkel.

      »Geh und hol Bans Mutter. Beeil dich«, befahl Inja an Benlin gewandt, der regungslos vor der erkalteten Feuerstelle hockte. Zuerst wirkte er irritiert, als hätte er sie nicht verstanden, doch dann nickte er und huschte hinaus.

      »Was ist passiert?«, fragte Inja, kaum das Benlin das Haus verlassen hatte. »Wo sind Vater und Aberlin und Benhard? Geht es ihnen gut? Und was ist mit dem buckligen Neils passiert?«

      Veit antwortete nicht, doch sein gebrochener Blick СКАЧАТЬ