Geisterkind. Christine Millman
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Название: Geisterkind

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947634934

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СКАЧАТЬ aus. Sie wollte nicht mehr reden.

      Kurz darauf erreichten sie die Schankstube, die sich in einer Seitengasse am Dorfrand befand. Die Butzenglasfenster waren hell erleuchtet, gegrölte Sauflieder drangen auf die Straße. Vor der Tür standen zwei Männer neben einer drallen Frau. Sie hatte die Brüste hochgeschnallt und warf Ban einen verführerischen Blick zu, bevor sie sich wieder den Männern widmete. Der Geruch nach Schwarzbier und Schweiß umhüllte die Drei wie eine Wolke. In einer dunklen Ecke stand ein Mann, der sich auf seinen Beinen abstützte, während er sich laut würgend erbrach.

      »Willst du reingehen und deinen Eltern sagen, dass du zuhause bist?«, fragte Ban.

      Inja warf einen angewiderten Blick auf den Betrunkenen und schüttelte den Kopf. »Mutter sagt, ich bin zu jung, um bei Nacht die Schänke zu betreten. Außerdem wäre ich sowieso nur im Weg.«

      »Du zählst vierzehn Winter, ich finde das alt genug«, erwiderte Ban entrüstet.

      Inja rollte mit den Augen. Ban war nur einen Winter älter als sie und mochte es gar nicht, für ein halbes Kind befunden zu werden. Dabei sah er natürlich noch lange nicht aus wie ein Mann. Sein flachsblondes Haar war strubbelig und immer ein wenig zu lang und sein Körper so ungelenk und schlaksig, als wäre er zu schnell gewachsen, was er auch war. Innerhalb eines Jahres war er in die Höhe geschossen und überragte Inja nun um eine Kopfeslänge. Inja dagegen war klein und zierlich, und obwohl sich erste Anzeichen von weiblichen Rundungen bemerkbar machten, ähnelte sie mehr einem Kind.

      Am Hintereingang des Hauses hielten sie inne. Ban sah sie an, als würde er auf etwas warten.

      »Gute Nacht«, sagte Inja, wandte sich ab und stieg die Stufen empor. Benlin, ihr jüngerer Bruder öffnete die Tür. Durchdringendes Geschrei begleitete ihn.

      Inja seufzte. »Weint Irmeli schon wieder?«

      Benlin stöhnte resigniert. »Ja, Beni und ich tragen sie abwechselnd herum, doch sie hört einfach nicht auf, zu schreien.«

      Ohne sich nach Ban umzusehen, betrat Inja das Haus und schloss die Tür. Was war nur mit ihrer kleinen Schwester los, dass sie ständig weinte? »Wo sind Aberlin und Veit?«

      »Aberlin ist bei seiner Liebsten«, antwortete Benlin und machte ein angewidertes Gesicht, als wäre das unvorstellbar ekelhaft. »Wo Veit ist, weiß ich nicht, wahrscheinlich in der Schankstube.«

      Benhard kam herbei, in den Armen hielt er Irmeli, Injas Schwester, die noch nicht einmal einen Winter zählte. Vor lauter Schreien hatte sie einen feuerroten Kopf und Schweißperlen glänzten auf ihrer Stirn. Inja nahm sie auf den Arm und wiegte sie sanft, während sie leise summte. Irmeli beruhigte sich, lehnte schluchzend den Kopf an Injas Schultern und schloss die Augen.

      »Habt ihr sie gefüttert und ihre Wickeltücher gewechselt?«

      Benlin und Benhard sahen sie empört an. »Wir haben ihr in Milch eingeweichtes Brot gegeben und ihr ein frisches Tuch umgebunden«, sagte Benhard.

      »Vielleicht sitzt es etwas locker, doch wir haben es genauso gemacht, wie du es uns gezeigt hast«, fügte Benlin hinzu.

      Lächelnd wuschelte Inja ihm durchs Haar, was er mit einem protestierenden Laut zur Kenntnis nahm. Sein Bruder Benhard grinste schadenfroh. Liebevoll betrachtete Inja die beiden Jungen. Wie ähnlich sie einander sahen mit den rotblonden Haaren, den unzähligen Sommersprossen und der schlaksigen Statur. Manche hielten sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit sogar für Zwillinge. Auch ihr fiel es schwer, die beiden nicht als Einheit zu sehen, hatten sie doch in einem Abstand von nicht einmal einem Winter das Licht der Welt erblickt.

      Mittlerweile war Irmeli eingeschlafen. Vorsichtig bettete Inja sie in die Wiege neben dem Esstisch und bedeckte sie mit einem Tuch.

      »Wo bist du so lange gewesen?«, fragte Benhard.

      »Ich war am Murgfluss und bin eingedöst«, log sie, weil sie ihre Brüder nicht mit ihrer seltsamen Vorliebe für das Wasser und unheimlichen Geschichten über Krähen und Wiedergänger ängstigen wollte.

      »Hast du Saftpflaumen mitgebracht?«, fragte Benlin hoffnungsvoll. Er liebte süße Saftpflaumen.

      Inja zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Nein, tut mir leid.«

      »Das glaub ich nicht.« Benhard sprang auf, öffnete die Tür und trat auf die Treppe hinaus. »Ich schaue nach, ob Ban ein paar Pflaumen für uns dagelassen hat.« Kurz darauf kehrte er mit einem verknoteten Tuch zurück. »Ich wusste es doch. Ban lässt uns nie im Stich.«

      Mit einem seligen Grinsen löste er den Knoten, nahm eine Frucht heraus und biss genüsslich hinein. Dunkelroter Saft tropfte über sein Kinn. Inja schüttelte den Kopf und ging zur Feuerstelle, um den Eintopf, den sie am Mittag zubereitet hatte, aufzuwärmen. Dann schnitt sie drei dicke Brotscheiben ab und trug sie zum Tisch. Irmeli schmatzte leise im Schlaf.

      Nach dem Essen befahl Inja ihren Brüdern, sich zu waschen und schlafen zu gehen. Zwar murrten sie darüber, doch sie gehorchten. Auch Inja spürte die Müdigkeit und beschloss, ihren Brüdern zu folgen. Die Geschehnisse am Murgfluss steckten ihr noch in den Knochen. Vorsichtig, damit Irmeli nicht erwachte, trug sie die Wiege in ihre Kammer, streifte ihr Nachtgewand über und legte sich hin.

      Aus der Schankstube drangen Gelächter und das Klappern der Krüge zu ihr hinauf. Trotz der vertrauten Geräusche rieselte ein Schauer über ihren Rücken und ein Gefühl der Beklommenheit überfiel sie, als sie die Kerze neben ihrer Bettstatt ausblies. Schnell kroch sie unter die wärmende Decke und zog sie übers Kinn. In der Dunkelheit stahl sich die Erinnerung an den Wiedergänger in ihre Gedanken. Das Geschehen am Fluss war so wirklich gewesen. Die Geräusche, der Geruch, die Krähe. Das konnte unmöglich ein Traum gewesen sein.

      Schwarze Krähen verkünden Unheil, hatte ihre Großmutter immer gesagt. Eine leise Stimme in Inja flüsterte ihr zu, dass Großmutter Recht hatte. Etwas Unheilvolles würde geschehen. Schon sehr bald. Sie spürte es tief in ihrer Seele, wie eine unsichtbare Verletzung.

      Im Morgengrauen stand Inja als Erste auf, wie sie es immer tat. Müde trug sie die Wiege mit ihrer schlafenden Schwester in die Küche und stieg dann mit der Waschschüssel unter dem Arm die Stufen hinter dem Haus hinab. Die vergangene Nacht war unruhig gewesen, voll wirrer Träume und sie fühlte sich kraftlos und verdrossen. Eigentlich hatte sie gehofft, dass die Morgensonne ihre Sorgen vertreiben würde, doch während sie einen Eimer Wasser aus dem Brunnen zog, spürte sie das Unbehagen fast noch stärker als zuvor. Nachdem sie die Waschschüssel gefüllt und in die Küche zurückgebracht hatte, kletterte sie in einen Verschlag hinter dem Gemüsegarten und sammelte die Hühnereier auf. Anschließend erleichterte sie die Ziege um einen Krug Milch. Schon auf der Treppe hörte sie Irmeli weinen. Oh nein. Nicht schon wieder. Seufzend öffnete sie die Tür und spähte in die Küche. Ihr ältester Bruder Aberlin stand mit bloßem Oberkörper über die Waschschüssel gebeugt und spritzte sich Wasser ins Gesicht. Veit saß am Tisch und hielt sich den Kopf, die rotblonden Haare, die er normalerweise mit einem Lederband bändigte, hingen wirr um seinen Kopf herum. Benlin füllte Buchweizenmehl in den Topf und Benhard deckte den Tisch. Niemand beachtete Irmeli, die sich am Wiegenrand hochgezogen hatte und aus Leibeskräften schrie. Einen Augenblick lang verharrte Inja im Türrahmen und betrachtete die Szene, nahm sie in sich auf wie einen wertvollen Schatz, bevor sie die Ziegenmilch an Benlin weiterreichte und Irmeli aus der Wiege hob. Die Tücher um ihren Po waren durchnässt und rochen nach Urin.

      »Stopft СКАЧАТЬ