Geisterkind. Christine Millman
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Название: Geisterkind

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947634934

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СКАЧАТЬ reagierte höchst ungehalten, wenn er aus dem Schlaf gerissen wurde, und hatte sie und ihre Geschwister schon oft hart bestraft, wenn sie zu laut waren oder es nicht schafften, ihre kleine Schwester zu beruhigen. Da Irmelis Wohl vornehmlich Injas Aufgabe war, bekam sie die meisten Ohrfeigen verpasst.

      »Hol frische Tücher, schnell«, befahl sie an Veit gewandt. Der brummte unwillig, doch folgte er ihrer Anweisung. Die Angst vor dem Zorn des Vaters war größer als die Müdigkeit. Vorsichtig legte Inja ihre Schwester auf den Tisch und knotete die Windeltücher auf. Der Ausschlag zwischen ihren Beinen war schlimmer geworden.

      »Veit. Bring das Sonnenkrautöl mit.«

      Benhard trat hinter sie und schaute über ihre Schulter. »Was ist mit ihr?«

      »Der Wundausschlag ist schlimmer geworden. Habt ihr das gestern Abend denn nicht bemerkt?« Ihre Stimme klang schärfer als beabsichtigt.

      Benhard zuckte mit den Schultern, derweil trat Veit hinzu und reichte ihr die Tücher und eine kleine Flasche. Inja nahm die Sachen wortlos entgegen, goss etwas Öl auf ein Tuch und betupfte die Pusteln auf Irmelis Haut. Die Kleine strampelte mit ihren dicken Beinchen und schrie. Benhard warf einen besorgten Blick zur elterlichen Schlafkammer und versuchte dann hektisch, seine kleine Schwester mit Grimassen schneiden abzulenken. Erfolglos. Irmeli schrie und zeterte.

      »Man könnte glauben, dass sie eine Tracht Prügel bekommt, so stellt sie sich an«, murrte Aberlin, während er sein Hemd zuschnürte.

      »Sie ist noch klein und weiß es nicht besser«, erwiderte Inja vorwurfsvoll.

      Geschickt wickelte sie die Tücher um Irmelis Gesäß, nahm sie hoch und reichte sie an Benhard weiter. »Nimm sie. Ich muss nach dem Buchweizenbrei sehen.«

      Vor der Feuerstelle trat unvermittelt ihr Vater auf sie zu. Dunkle Ringe unter den Augen und bleiche Haut zeugten von seiner Müdigkeit. »Hab ich nicht gesagt, dass ihr das Balg beruhigen sollt?«, brüllte er, holte aus und schlug ihr ins Gesicht. Das Klatschen hallte durch die Küche. »Deine Mutter und ich schuften die ganze Nacht. Da ist es wohl nicht zu viel verlangt, wenn du dich am Morgen um deine Schwester kümmerst.«

      Inja lag eine trotzige Erwiderung auf den Lippen. Immerhin kümmerten sie und ihre Brüder sich Tag und Nacht um Irmeli, die ihre Eltern kaum kannte und sich eher von Inja als von ihrer Mutter beruhigen ließ, doch sie schluckte die Worte. Es war ratsam, ihren Vater nicht noch mehr zu erzürnen, wollte sie keine weiteren Hiebe riskieren.

      »Entschuldige Vater. Es wird nicht wieder vorkommen«, sagte sie mühsam beherrscht, wandte sich ab und rührte den Brei herum, der leise vor sich hinblubberte. Ihre Wange brannte von dem Schlag, doch sie verbot sich, vor den Augen des Vaters die schmerzende Stelle zu reiben. Der Vater spuckte ins Feuer und stapfte davon.

      Nach dem Frühstück ging Inja in den Garten, wo sie Unkraut rupfte und Schmirgelschnecken vom Gemüse zupfte. Irmeli saß in einer hölzernen Einfriedung und lutschte an einer Brotkruste herum. Um die Mittagszeit wachten endlich ihre Eltern auf. Für Inja war das die beste Gelegenheit, sich aus dem Staub zu machen. Schnell reichte sie ihre kleine Schwester an die Mutter weiter, nahm den Wäschekorb und verließ das Haus.

      Wie jeden Tag führte ihr Weg sie zuerst zu Ban, der in einer kleinen Kate am östlichen Tor lebte. Niemand wusste, wer Bans Vater war, nicht einmal Ban und je älter er wurde, umso mehr quälte ihn die Frage nach seiner Herkunft. Regelmäßig versuchte er seiner Mutter mit Schmeichelei und Drohungen die Wahrheit zu entlocken, stellte ihr Fallen, in der Hoffnung auf ein unbedachtes Wort, doch was er auch tat, die Lippen seiner Mutter blieben versiegelt. Anfänglich hatte Inja versucht, ihn deswegen zu trösten, doch das hatte ihn nur noch missmutiger gestimmt, deshalb ließ sie es lieber bleiben.

      Leise vor sich hinsummend saß er auf einem Schemel vor dem Haus und schnitzte. Der vertraute Anblick zauberte das erste Lächeln des Tages auf Injas Gesicht.

      »Ist heute Waschtag?«, fragte er mit einem schiefen Blick auf den gefüllten Korb.

      Inja grinste entschuldigend. »Ja, leider.«

      »Na gut.« Ban zuckte mit den Schultern, legte das Schnitzwerk zur Seite und erhob sich. Ohne zu fragen, ergriff er eine Seite des Korbes und begleitete sie zum Fluss. Ein Dutzend Frauen hatte sich ebenfalls am Flussufer eingefunden. Sie grüßten Inja und Ban nicht, warfen ihnen nur abfällige Blicke zu oder klopften sich eilig gegen Lippen und Stirn, bevor sie sich wieder dem Wäschewaschen zuwandten. Inja hörte sie tuscheln und Zorn wallte in ihr auf. Nie hatte sie den Dorfbewohnern Anlass gegeben, ihr zu misstrauen. Selbst ihre Vorliebe für das Wasser hielt sie geheim. Trotzdem begegneten sie ihr mit Feindseligkeit. Außer ihren Eltern und Geschwistern und natürlich Ban, vermieden es die Menschen, das Wort an sie zu richten oder sie auch nur anzusehen, als würde ihr Anblick allein schon Unglück bringen.

      Ban, der Injas innere Aufruhr bemerkte, schubste sie aufmunternd an. »Beachte sie einfach nicht.«

      Inja nickte. Er hatte recht. Trotzdem war ihre Laune nun vollends dahin. Schweigend wanderten sie ein Stück flussaufwärts. Vor der Abzweigung des Weges, der zur großen Straße führte, hielten sie inne. Inja nahm ein Hemd ihres Vaters und ein Stück Gallus zur Hand und tauchte es in das kalte Wasser. Die Strömung riss an dem Kleidungsstück, brachte ungewollt die Erinnerung an die vergangene Nacht zurück. An die schillernden Spuren des Buntfisches, den Wiedergänger und die Krähe, deren Perlenaugen sie auf so beängstigende Weise angestarrt hatten. Einen Augenblick lang glaubte sie sogar, die glänzenden Augen im Wasser zu sehen.

      »He Träumerin schau mal. Da hinten sind Reiter.« Bans Worte rissen sie aus ihren Gedanken. Inja hob den Kopf und blickte zum Weg. Es geschah nicht oft, dass jemand nach Krickdorf kam. Der Ort lag abseits der großen Straßen und hatte einem Reisenden nichts zu bieten. Nicht einmal Händler oder Gaukler verirrten sich hierher, denn die Dorfbewohner waren arm und lebten nur von dem, was sie selbst anbauten. Wer im Leben etwas erreichen wollte, tat gut daran, wenn er Krickdorf verließ und nach Grimmelstadt oder Murg ging.

      Inja beschattete die Augen und betrachtete die Wolke aus Erde und Staub, die von einer Vielzahl Hufe aufgewirbelt wurde.

      »Das sind mindestens acht Berittene«, staunte Ban.

      »Es sind zehn«, korrigierte Inja, die im Gegensatz zu Ban ausgesprochen gut sehen konnte. »Und sie tragen Harnische und Schilde, auf denen der geflügelte Stier prangt.«

      Staunend riss Ban die Augen auf. »Bist du dir sicher? Das ist das Wappen des Königs!«

      Inja nickte. Kälte kroch ihren Rücken hinauf. »Das ist mir nicht geheuer. Lass uns lieber ein Versteck suchen.«

      »Warum? Es sind doch keine feindlichen Soldaten oder eine Räuberbande.«

      Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Es sind keine einfachen Soldaten. Kannst du das nicht sehen? Sie tragen die Stachelkugeln an ihrem Gurt. Das sind Männer der Söldnergarde. Nur die Götter wissen, was sie nach Krickdorf führt.«

      Hastig stopfte sie das nasse Gewand in den Korb, nahm ihn auf und hockte sich zwischen die Wurzeln einer alten Sumpfeiche. Widerwillig folgte Ban ihrem Beispiel.

      »Glaubst du, ich sollte Mutter warnen?«, flüsterte er.

      Eine Warnung wird nicht reichen. Inja zuckte mit den Schultern, eine unbestimmte Angst schnürte ihr die Kehle zu.

      Während die Reiter den Murgfluss überquerten, warf sie einen Blick auf ihre Gesichter mit den struppigen Bärten und den kalten СКАЧАТЬ