Geisterkind. Christine Millman
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Название: Geisterkind

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947634934

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СКАЧАТЬ verbraucht. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Griselle reichte ihr einen Becher Wasser, den sie durstig leerte. Dann war sie wieder allein mit einem Beschützer, der sie scharf im Auge behielt. Immer öfter schwankte sie und musste ihr Gewicht verlagern, um nicht umzufallen. Sie konnte ihre Füße nicht mehr spüren und wunderte sich darüber, dass sie überhaupt stand.

      Die Altäre verschwammen zu einer fließenden Einheit aus Farben und Formen. Die Luft erhitzte sich, als würde sie an einem Feuer sitzen. Inja genoss die unerwartete Wärme und sog tief den Atem ein. Wo kam die Wärme her und was war das für ein seltsamer Geruch? Nach Räucherwerk und Leder. Das schemenhafte Antlitz einer alten Frau flimmerte vor ihren Augen. War das ein Traum? Eine Vision? Inja blinzelte. Aus dem Gesicht der Frau wurde ein Mann mit bronzefarbener Haut. Ein furchterregender Krieger. Wie eine Fleisch gewordene Gottheit stand er vor ihr und starrte sie an. Sein dunkler Blick ließ sie erschauern. Sie schüttelte den Kopf und die Vision verschwand.

      Und plötzlich war die Kälte wieder da. Ihre Beine zitterten. Gleich würde sie umkippen, das spürte sie.

      »Komm schon Mädchen. Bald hast du es geschafft«, sagte eine Stimme. Hände schoben sich unter ihre Arme und hielten sie aufrecht. »Ich kann dich eine Weile stützen, doch sobald die Sonne aufgeht, musst du alleine stehen.«

      »Danke«, war das Letzte, was Inja hervorbrachte, bevor ihr Kopf gegen die Brust des Beschützers sackte. Er hielt sie und sie war ihm unendlich dankbar dafür. Kurz vor Morgengrauen löste er sich von ihr und warf einen Blick zur Tür. »Sie kommen. Ich kann die Fackeln sehen. Jetzt musst du es alleine schaffen.«

      Inja zuckte hoch und versuchte blinzelnd, die Müdigkeit zu vertreiben und ihren Körper zum Stehen zu bringen. Nur noch eine kleine Weile, dann hatte sie es geschafft. Wenn nicht würde sie einfach aufgeben.

      Die Gesegneten näherten sich, gefolgt von den Konventen. Schweigend verteilten sie sich im Tempel. Inja stand schwankend in ihrer Mitte und sehnte das Ende dieser Qualen herbei. Es gab keine Stelle an ihr, die nicht schmerzte.

      Als zwei Beschützer auf sie zu traten, sackte sie zusammen. Die Männer fingen sie auf, schleiften sie zum Strand und tauchten sie unter Wasser. Aus weit aufgerissenen Augen starrte Inja sie an. Sie könnte einschlafen und eins werden mit der ewigen See. Die Vorstellung war wundervoll.

      »Sie rührt sich nicht, Erhabene«, hörte sie eine dumpfe Stimme an der Wasseroberfläche sagen.

      »Dann wird sie ertrinken«, entgegnete Eltrud. »Die Götter haben es in der Hand.«

      »Große Mutter. Sie hat länger durchgehalten als jede andere.« War das Griselles Stimme? »Und denkt an den Verlust. Wenn sie stirbt, müssen wir eine Neue kaufen.«

      »Es sind die bösen Geister, die sie stärken und ihr erlauben so unnatürlich lange unter Wasser zu bleiben. Erst wenn sie stirbt, ist sie wahrhaft rein.« Die Stimme der Erhabenen klang unnachgiebig und so kalt wie das Meer.

      Inja lag im Wasser, lauschte den fernen Worten und erkannte die Wahrheit. Es gab keinen Ausweg. Die Erhabene würde sie immer weiter quälen, weil sie Inja hasste. Weil sie fürchtete, dass das, was in Inja schlummerte, eines Tages hervorbrechen und sie zerstören könnte. Vielleicht würde es das. Ihr Leben lang hatte Inja so getan, als wäre sie wie alle anderen, aber das war sie nicht. Etwas verbarg sich in ihr. Eine Macht, die danach verlangte, entdeckt und ausgelebt zu werden. Waren das die bösen Geister, von denen die Menschen sprachen?

      War sie ein Geisterkind?

      Wenn es so war, sollte sie dann nicht lieber sterben, bevor sie tatsächlich Schaden anrichtete? Langsam öffnete Inja die Lippen. Wasser strömte in ihren Mund. Sie schluckte. Sogleich drang neues Wasser ein. Wieder schluckte sie und versuchte unwillkürlich, zu atmen, doch statt Luft inhalierte sie Wasser. Ein Brennen schoss ihren Hals hinab und verbreitete sich in ihrer Brust, es fühlte sich an als hätte sie spitze Steine verschluckt. Ihre Arme und Beine zuckten, ihr Körper rang mit dem Tod, sie spürte es. Er war schon ganz nah. Plötzlich berührte ihre Wange etwas Weiches, Körniges. Sand. Sie hustete und erbrach einen Schwall Wasser.

      Mühevoll hob Inja den Kopf. Eltrud stand nur wenige Schritte entfernt und schaute gebieterisch auf sie hinab. Vergeblich suchte Inja nach Freundlichkeit oder Erbarmen in ihrem Blick, sie fand nur Gleichgültigkeit und Verachtung. Die Beschützer nahmen sie hoch und trugen sie hinauf in den Konvent.

      Kraftlos sackte Inja auf den Boden des Tempels.

      »Geh auf die Knie, Konventin«, befahl die Erhabene.

      »Bitte«, keuchte Inja. »Ich kann nicht mehr.«

      »Geh auf die Knie!«, fuhr die Erhabene unbeirrt fort.

      Schluchzend rappelte Inja sich hoch und kniete sich hin. Sofort schoss ein stechender Schmerz durch ihre Beine, der sie wimmern ließ wie ein verletztes Tier. Warum hatte die Erhabene sie nicht einfach sterben lassen?

      »Sprich mir nach«, befahl Eltrud. »Ich entsage den Geistern, die meinem Leib innewohnen.«

      Ja, ja. Das wollte Inja tun, damit man sie endlich in Ruhe ließ. »Ich … entsage mich ... den Geistern, die meinem … Leib wohnen.«

      »Mein Leib und Leben gehören den Göttern.«

      »Mein Leib und Leben … gehören den Göttern.« Die Welt drehte sich vor ihren Augen. Keuchend sackte sie vornüber.

      »Von heute an, bis ans Ende meines weltlichen Seins stelle ich mich in den Dienst der von den Göttern Gesegneten.«

      Inja hustete. Ihr Körper war eine Hölle, in dem ihre Seele keinen einzigen Atemzug länger verweilen wollte. Gut so, denn sie hatte es nicht besser verdient, weil sie gelogen und sich geweigert hatte, die Wahrheit zu erkennen. Geisterkind. Oh ja, das war sie, und weder durch Gebete noch durch Folter würde sich daran je etwas ändern.

      »Sprich!«, forderte die Erhabene.

      »Von heute an … bis ans Ende … meines weltlichen Seins … stelle ich mich in den Dienst … der Gesegneten.« Ihr flehender Blick bewies der Erhabenen hoffentlich, wie ernst es ihr war.

      Die Erhabene nickte zufrieden. »Gut. Die bösen Geister haben dich verlassen. Von heute an bist du rein.«

      Erleichtert schloss Inja die Augen. Eines Tages würde sie sich an Eltrud rächen.

      5

      Krickdorf

      Ban schuftete Tag und Nacht. Seine Mutter betrachtete seine Bemühungen mit Argwohn und gestand ihm, dass sie gehofft hatte, dass er sich das Mädchen, wie sie Inja nur noch nannte, aus dem Kopf schlagen würde, sobald sie endlich fort war. Scheinbar wusste sie nicht, wie viel Inja ihm bedeutete. Eines Tages würde er sie freikaufen. Nichts und niemand konnte ihn davon abbringen.

      In allen erreichbaren Dörfern fragte er nach einer Betätigung, verrichtete selbst die schwerste und schmutzigste Arbeit, solange sie ihm ein paar Kreuzer einbrachte. Er schüttete die Klärgruben der umliegenden Gehöfte zu, schleppte Lehm aus den Lehmbergen und reinigte die Schwarzbierfässer. Die meiste Zeit jedoch verbrachte er damit, dem Köhler beim Setzen der Meiler zur Hand zu gehen. Anschließend bewachte er die glimmenden Hügel bei Tag und während der Nacht, um sie auf der richtigen Temperatur zu halten und litt dabei nicht nur unter permanentem Schlafmangel, СКАЧАТЬ