Geisterkind. Christine Millman
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Название: Geisterkind

Автор: Christine Millman

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783947634934

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СКАЧАТЬ dem Boden gegraben hatte. Mittlerweile war es auch am Tag frostig und der Nordwind trug den Geruch des nahenden Winters herbei. Obwohl sie den Gedanken an Ban möglichst verdrängte, spukte er an diesem Tag fast unablässig in ihrem Kopf herum. Wie lange mochte es dauern, bis er genug Geld beisammenhatte, um sie auszulösen? Und was würde sie tun, sollte er es nicht schaffen? Neben ihr schnappte Lykke plötzlich nach Luft.

      Inja sah auf. »Was ist?«

      »Ich soll morgen die Netze leeren.« Lykkes Augen schwammen in Tränen.

      »Aber du kannst nicht schwimmen. Hast du das der Erhabenen nicht gesagt?«

      Lykke wischte sich über die Augen und zog die Nase hoch. »Sie wissen es. Doch du kennst die Erhabene. Sie ist gnadenlos. Erinnerst du dich nicht, wie sie dich beinahe hätte ertrinken lassen? Die Götter allein entscheiden über Leben und Tod sagt sie.«

      Was hatten die Götter damit zu tun, wenn die Erhabene ein Mädchen, das nicht schwimmen konnte, ins Meer schickte? Das war kein göttlicher Wille, sondern menschliche Willkür. Entrüstet sah Inja zum Tisch der Gesegneten. Eltrud saß am Kopfende und sah in ihre Richtung, ein kleines gemeines Lächeln auf den Lippen. Wut stieg in Inja empor. Die Erhabene tat das mit Absicht. Aber warum? Um Inja zu ärgern? Um sie herauszufordern? Was auch immer diese Frau dazu bewogen hatte, sie würde es sich nur anders überlegen, wenn Inja ihr die entsprechende Gegenleistung bot.

      »Ich werde mit der Erhabenen reden«, versprach Inja an ihre Freundin gewandt.

      Lykke wirkte regelrecht erschrocken. »Tu das nicht. Sie kann dich nicht leiden, das weißt du. Wahrscheinlich machst du es nur schlimmer, wenn gerade du dich für mich einsetzt.«

      »Wahrscheinlich hat sie genau das im Sinn«, zischte Inja. »Ich muss zu ihr gehen und herausfinden, was sie dazu bewogen hat und was sie will. Vielleicht ist sie zufrieden, wenn ich anbiete, die Netze zu leeren.«

      Lykke schüttelte den Kopf. »Niemals. Sie weiß, wie gut du im Wasser zurechtkommst.«

      Lykke hatte recht. Wenn Eltrud den Tausch nicht als Strafe empfand, würde sie sich nicht darauf einlassen. Das vermeintliche Opfer musste glaubhaft sein. »Egal. Ich gehe trotzdem zu ihr. Mir fällt schon was ein.«

      »Ich höre Stimmen statt gesegnetes Schweigen«, rief Griselle mit strenger Stimme.

      Inja und Lykke verstummten und beugten sich über ihre Teller.

      Trotz Lykkes Warnung machte Inja sich nach dem Abendgebet auf den Weg zu Eltrud. Wie üblich saß sie in ihrer Kammer auf dem gepolsterten Stuhl, flankiert von ihren beiden engsten Vertrauten. Inja verneigte sich unterwürfig. »Erhabene, bitte hört mich an.«

      Eltrud nickte zum Zeichen, dass Inja sprechen durfte. Ihr spitzes Gesicht zeigte keine Regung, doch ihre Augen blitzten erwartungsvoll.

      »Lykke kann nicht schwimmen. Da die Götter mich mit diesem Talent gesegnet haben, biete ich Euch an, auf unbegrenzte Zeit an ihrer statt die Netze zu leeren.«

      Die Erhabene musterte Inja kalt. »Warum überrascht mich das jetzt nicht?«

      Inja hielt den Kopf gesenkt und schwieg. Was sollte sie auch sagen? Jedes Wort würde die Erhabene absichtlich missverstehen.

      »Unsere Regeln entsprechen dem Willen der Götter. Die Konventin Lykke muss ihren Teil erfüllen wie jede andere auch. Es ist unerheblich, ob das ihren Fähigkeiten entspricht oder nicht.«

      Heißer Zorn kochte in Inja hoch. Ohne mit der Wimper zu zucken, setzte Eltrud Lykkes Leben aufs Spiel. Warum tat sie das? »Aber sie wird es nicht schaffen, zu den Netzen hinabzutauchen und wahrscheinlich ertrinken bei dem Versuch«, stieß Inja verzweifelt hervor. »Das könnt Ihr unmöglich wollen. Schließlich ist sie eine gute Arbeitskraft. Wer weiß, ob das nächste Mädchen so billig und geschickt ist wie sie.«

      Zorn umwölkte Eltruds Gesicht, während sie ihr Stickzeug zur Seite legte und sich langsam erhob, bis sie auf Inja hinabblickte wie auf einen schleimigen Wurm. Die Stille, nur durchbrochen von dem Knistern und Fauchen des Kaminfeuers, senkte sich wie Winternebel über den Raum. Inja sank das Herz. Mit ihren Worten hatte sie zugegeben, dass sie genau wusste, um was es im Konvent ging. Dass es sich ganz und gar nicht um einen heiligen, gottgefälligen Ort handelte.

      Die Erhabene neigte den Kopf zur Seite. »Ich hielt dich für geläutert, doch scheinbar habe ich mich geirrt. Wie es aussieht, trägst du noch immer die bösen Geister in dir.«

      Ein kalter Schrecken sackte in Injas Bauch. Wenn Eltrud über böse Geister redete, konnte das nur eines bedeuten: Sie wollte sie einer erneuten Reinigung unterziehen. Alles, bloß das nicht. »Nein, ehrwürdige Erhabene. Ich trage gewiss keine Geister mehr in mir«, versicherte Inja schnell. »Ich sorge mich nur um das Wohlergehen einer Freundin.«

      »Bist du dir sicher?« Ein leises Lächeln umspielte Eltruds Lippen. Sie genoss Injas Furcht.

      »Das bin ich. Ich schwöre es bei allen Göttern.« Injas Stimme klang atemlos. Diese Tortur würde sie kein weiteres Mal ertragen. »Nach der Reinigung wurde ich neugeboren.«

      Ein stiller Augenblick reihte sich an den nächsten. Injas Herz klopfte aufgeregt. Furcht schnürte ihre Kehle zu.

      »Nun gut«, sagte Eltrud schließlich. »Du wirst bis zum Ende des Winters das Leeren der Netze übernehmen und sieben Nächte bei den Geißen schlafen. Für deine Dreistigkeit wirst du eine Nacht lang fasten und Buße tun, indem du auf den Knien zu den Göttern betest.«

      Inja schnappte erschrocken nach Luft. Das Leeren der Netze und bei den Geißen zu schlafen war erträglich, doch eine Nacht auf den Knien war wie an der Pforte einer namenlosen Hölle zu stehen. Qualvoll und beängstigend. Wenigstens würden ihre Qualen nicht vergebens sein, denn sie hatte Lykke vor dem Ertrinken bewahrt. Dieser Gedanke würde sie trösten.

      Am folgenden Morgen verrichtete Inja ihren Dienst in den Kammern der Gesegneten. Als sie zu Griselles Kammer gelangte, fand sie zu ihrem Erstaunen einen Dolch unter dem Bett. Sie hob ihn auf und betrachtete ihn. Die Gesegneten trugen keine Waffen, also konnte es sich nur um den Dolch eines Beschützers handeln. Aber warum lag er unter der Bettstatt? Neugierig sah sie sich um. Auf dem Laken fand sie milchig-weiße Flecken, ebenso auf einem Tuch im Wäschekorb. Oft genug hatte sie die Laken ihrer Eltern gewechselt, um den Ursprung dieser Flecken zu erkennen. Griselle paarte sich mit einem Beschützer. Scheinbar waren die Gesegneten doch nicht so keusch, wie sie den Konventen glauben machen wollten.

      Kurzerhand steckte sie den Dolch in die Tasche ihres Gewandes. Niemand würde es wagen, danach zu fragen, denn das käme einem Geständnis gleich. Im Schlafsaal versteckte sie ihn unter ihrem Bett und eilte dann zum Strand. Die Gesegnete Trude reichte ihr zwei Körbe mit verschließbarem Deckel für die Fische, ein Messer und ein Tuch, um sich abzutrocknen. Dann erklärte sie ihr, wie sie die Netze leeren musste. Inja hörte nur mit halbem Ohr zu, in Gedanken war sie bei Griselle und dem Beschützer, mit dem sie verkehrte. Welcher war es wohl? Gewiss nicht der Schönling. Der war viel zu jung. Ob die anderen Gesegneten ebenfalls mit den Männern verkehrten? Inja beschloss, beim Richten der Kammern besser hinzuschauen und nach Zeichen zu suchen.

      Das Meer war rau an diesem Morgen. Schäumende Wellen schwappten über den Strand und der Nordwind ließ sie frösteln. Sie entkleidete sich, hängte den Korb über den Arm und stapfte beherzt ins Wasser. Klirrende Kälte umfing sie, die wie Nadeln in ihre Haut stach. Zischend sog Inja СКАЧАТЬ