Название: H. G. Wells – Gesammelte Werke
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962813628
isbn:
Es war der schönste Pfingstmontag, den man sich denken konnte. Die Dorfstraße entlang standen in einer Reihe fast ein Dutzend Buden und eine Schießstätte; und auf dem Rasen bei der Schmiede standen drei gelb und braun gestreifte Wagen, vor denen mehrere malerisch aussehende Fremde beiderlei Geschlechts ein Kokosnusswerfen veranstalteten. Die Männer trugen blaue Matrosenjacken, die Frauen weiße Schürzen und ganz moderne Hüte mit schweren Federn. Woodyer, aus dem »Roten Hirsch«, und Jaggers, der Schuhflicker, der auch mit gebrauchten Fahrrädern handelte, schmückten die Straßen mit Vereinsfahnen und königlichen Bannern, deren ursprüngliche Bestimmung es gewesen war, das erste Viktoriajubiläum zu feiern.
In der künstlichen Dunkelheit des Gastzimmers, in das nur ein schwacher Lichtstrahl drang, brütete der Fremde hungrig, wie man annehmen muss, und ängstlich in seiner unbequem heißen Vermummung über seinen Aufzeichnungen, schlug seine schmutzigen Flaschen aneinander und fluchte von Zeit zu Zeit grimmig auf die Burschen, die, zwar ihm nicht sichtbar, jedoch sehr hörbar vor den Fenstern ihr Wesen trieben. In der Ecke beim Kamin lagen die Bruchstücke von einem halben Dutzend zerbrochener Flaschen. Die Luft war von einem beißenden Chlorgeruch durchtränkt.
Gegen Mittag öffnete der Fremde plötzlich die Tür und starrte die drei oder vier Leute im Schankzimmer an. »Mrs. Hall!«, rief er. Widerwillig ging einer von ihnen hinaus, um die Wirtin zu holen.
Mrs. Hall erschien nach einiger Zeit, ein wenig atemlos, aber desto erregter. Hall war noch nicht zu Hause. Sie hatte sich die Sache im voraus reiflich überlegt und trug auf einer Untertasse eine unbezahlte Rechnung. »Sie wünschen wohl Ihre Rechnung, mein Herr?«
»Warum habe ich kein Frühstück bekommen? Warum haben Sie mein Essen nicht gebracht und auf das Läuten nicht gehört? Glauben Sie, dass ich ohne Nahrung leben kann?«
»Warum wird meine Rechnung nicht bezahlt?«, entgegnete Mrs. Hall, »das möchte ich gerne wissen.«
»Ich habe Ihnen vor drei Tagen gesagt, dass ich einen Wechsel erwarte …«
»Und ich habe Ihnen vor drei Tagen gesagt, dass ich auf keinen Wechsel warten will. Sie können sich nicht beklagen, wenn Sie ein wenig auf Ihr Frühstück warten müssen, wo meine Rechnung seit fünf Tagen wartet.«
Der Fremde fluchte kurz, aber grimmig.
»Na, na!«, tönte es aus der Schankstube.
»Und ich wäre Ihnen sehr dankbar, mein Herr, wenn Sie Ihre Flüche für sich behalten wollten«, fuhr Mrs. Hall fort.
Der Fremde war in seinem Zorn ganz schrecklich anzusehen. In der Schankstube fühlte man aber allgemein, dass Mrs. Hall den Sieg davongetragen hatte. Die nächsten Worte gaben den Beweis dafür.
»Sehen Sie, gute Frau«, begann er.
»Ich bin nicht Ihre gute Frau«, fuhr Mrs. Hall auf.
»Ich habe Ihnen gesagt, dass mein Wechsel noch nicht gekommen ist.«
»Wechsel! Haha!«, lachte Frau Hall spöttisch.
»Doch kann ich Ihnen sagen, dass ich in der Tasche …«
»Vor drei Tagen sagten Sie mir, dass Sie kaum einen Schilling Kleingeld bei sich hätten.«
»Ich habe noch etwas Geld gefunden.«
»Aha!«, kam es aus der Schankstube.
»Ich möchte sehr gerne wissen, wo Sie es gefunden haben«, meinte Mrs. Hall.
Diese Bemerkung schien den Fremden sehr zu verdrießen. Er stampfte mit dem Fuße. »Was meinen Sie damit?«, fragte er.
»Dass ich wissen möchte, wo Sie es gefunden haben«, gab Mrs. Hall zur Antwort. »Und bevor ich eine Rechnung bezahlt nehme oder Ihnen ein Frühstück gebe oder etwas anderes dieser Art tue, werden Sie so freundlich sein, mir verschiedenes zu erklären, was ich nicht verstehe, und was niemand versteht, und was jeder sehr gerne verstehen möchte. Ich will wissen, was Sie mit meinem Stuhle oben getan haben. Und ich will wissen, wieso Ihr Zimmer leer war, und wie Sie wieder hineinkamen. Wer in meinem Hause wohnt, kommt zur Tür herein. Das ist die Hausregel bei mir. Und das haben Sie nicht getan, und ich will wissen, auf welche Weise Sie hereinkamen. Und ich will wissen –«
Plötzlich erhob der Fremde seine behandschuhte Rechte, ballte sie zur Faust zusammen, stampfte mit dem Fuße und sagte so heftig: »Still!«, dass sie eingeschüchtert stillschwieg.
»Sie wissen nicht«, sagte er, »wer ich bin und was ich bin. Ich werde es Ihnen zeigen! Beim Himmel, ich werde es Ihnen zeigen!« Dann strich er mit der Handfläche über das Gesicht und zog die Hand wieder zurück. In der Mitte seines Gesichtes zeigte sich eine schwarze Höhlung. »Hier«, sagte er. Er tat einen Schritt nach vorwärts und händigte Mrs. Hall etwas ein, was sie, auf sein verwandeltes Gesicht starrend, mechanisch festhielt. Dann, als sie sah, was es war, kreischte sie laut auf, warf es weg und wich zurück. Eine Nase aus Pappe – es war des Fremden Nase, rot und glänzend – rollte mit hohlem Ton auf die Diele. Dann nahm er die Brille ab und die Leute in der Schankstube hielten den Atem an.
Er nahm den Hut ab und riss mit einer heftigen Bewegung an seinem Bart und Verband. Einen Augenblick lang widerstanden sie ihm. Eine schreckliche Ahnung durchblitzte die Umstehenden. »O, mein Gott.« sagte jemand. Dann flogen Bart und Verband davon.
Das war entsetzlicher als alles. Mrs. Hall, die mit offenem Mund, wie versteinert, dastand, schrie laut auf und floh durch die Tür. Eine Bewegung ging durch die Menge. Man war auf Wunden, Entstellungen, den Anblick von etwas Schrecklichem gefasst: aber – nichts. Der Verband und das falsche Haar flogen durch den Gang in die Schankstube, und einer der jungen Burschen sprang beiseite, um ihnen auszuweichen. Einer stolperte über den anderen auf den Stufen. Denn der Mensch, der dort stand und unzusammenhängende Erklärungen in die Luft schrie, war eine greifbare, gestikulierende Gestalt, bis zum Rockkragen hinauf. Und darüber hin nichts СКАЧАТЬ