Magdalene und die Saaleweiber. Christina Auerswald
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Название: Magdalene und die Saaleweiber

Автор: Christina Auerswald

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783963110320

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СКАЧАТЬ Dachgeschoss hinauf, wie es ihre Absicht gewesen war.

      Magdalene presste die Hand auf die Türklinke, dass ihre Knöchel weiß leuchteten. Der Bibelspruch war reiner Hohn gewesen. Sie musste mit Georg reden. Wer sich so aufsässig benahm, gehörte hinausgeworfen.

      Im Kontor war niemand. Georgs Platz an seinem Schreibpult war leer, das Tintenfass verschlossen, die Feder weggeräumt.

      Aus dem Innenhof drang das Rumpeln von Wagenrädern. Magdalene lief in den Korridor und öffnete die Tür zum Außengang, von wo man über das Geländer auf den Hof sehen konnte. Ein Wagen war gekommen, und wie in solchen Fällen üblich stand ihr Mann bei der Fuhre und entlud gemeinsam mit dem Fuhrmann Kisten und Fässchen. Bis das Geschäft abgeschlossen war, würde es noch einige Zeit dauern. Else bekam einen Aufschub, aber das würde am Ergebnis nichts ändern.

      Magdalene ging zurück zu Rosina, um Hänschen zu holen. Sie nahm ihn in die Arme, das war der beste Trost, den man haben konnte. Mit dem Kind stieg sie nach unten und betrat den Hof, und dort war alles wie gewohnt, Georg Rehnikel lächelte seiner Frau quer über das Pflaster arglos zu. Er ahnte noch nicht, welche unangenehme Aufgabe sie ihm zugedacht hatte.

      Magdalene stellte sich mit dem Jungen neben die Pferde, die noch angeschirrt waren. Hans streichelte das raue Fell, Magdalene warf immer wieder Blicke zu den Männern am Fuhrwerk. Die Begutachtung der Kisten würde noch eine Weile dauern. Als der Kleine die Geduld verlor, spazierten sie zum Federvieh. Zur Hauswirtschaft gehörten fünfzehn Hühner in einem Verschlag neben dem Stall, wo sie in einem Fleckchen Erde scharren konnten. Die Vögel plusterten ihre Federn und hockten sich in die von der Nachmittagssonne warmen Erdkuhlen, wo sie mit ruckenden Köpfen ins Leere starrten.

      Dem Kind machte es Spaß, die Hühner zu rufen. Magdalene ließ den Jungen vom Arm gleiten, er war zu schwer, um ihn länger zu tragen. »Put! Put! Put!«, rief er, und ein paar Getreidekörner rieselten aus seiner Faust. Die Tiere erhoben sich und kamen gackernd angerannt, pickten und pickten, selbst als alle Körner fort waren. Mit roten Bäckchen stand Hans bei seiner Mutter und streifte sich die Kleie von den Händen. Magdalene nahm ihren Jungen an die Hand und ging ins Haus. Die Therapie war erfolgreich gewesen, sie hatte sich beruhigt. Sie nahm den Kleinen mit in die Küche, wo er bei den Mägden spielen konnte.

      Else kam von oben herunter. Sie betrat die Küche, als hätte sie alle Zeit der Welt und nicht den Vormittag wer weiß wo verbracht, statt zu arbeiten. Auf dem Küchentisch stand die Schüssel, in der Magdalene das Pökelfleisch eingelegt hatte. Else schlenderte in die Stube, gefolgt von Rosina, die sich zu dem Kleinen hockte. Die Altmagd hob den Deckel von der Fleischschüssel und fuhr mit dem Finger durch die Salzschicht, bis sie das Fleisch herausgehoben hatte. Sie sah mit heruntergezogenen Mundwinkeln auf das weiß geäderte Stück. »Das ist ein zerriges Ding«, nörgelte sie. »Dafür hätte ich keinen halben Groschen gegeben.«

      Magdalene blieb ruhig. »Es ist zartes Fleisch von einem Kalb.«

      »Es ist nicht viel wert. Was an Haushaltsgeld für solches Zeug draufgeht, möchte ich nicht wissen.«

      »Das musst du auch nicht wissen. Es geht dich nämlich nichts an.«

      Elses Blick bohrte sich wie ein Messer ins Fleisch. Sie zog ein Gesicht, als wäre sie die Herrin und hätte das Recht, ein Urteil zu fällen.

      »Das Zeug, das du früher gekauft hast, war auch nicht besser«, platzte Magdalene heraus. »Und Geld hast du dafür genug ausgegeben.«

      Die Altmagd sah sie mit einem kalten Blick an, drehte sich um und schleuderte dabei ihre Röcke heftig über den Tisch. Die Schüssel mit dem Fleisch kam ins Trudeln und rutschte über die Kante. Magdalene war vor Schreck wie gelähmt. Rosina hockte bei Hans und konnte nicht schnell genug zugreifen, Gertrud stand zu weit entfernt am Herd, und so passierte es: Das irdene Behältnis zerbarst mit lautem Krachen auf dem Boden. Das Fleisch lag zwischen Salz und Scherben, Magdalene kniete daneben nieder.

      »Verzeihung«, reckte Else den Kopf und verließ die Küche, ohne sich um das Unheil zu kümmern, das sie angerichtet hatte.

      Magdalene war nicht in der Lage, ihr hinterherzulaufen. Am liebsten hätte sie die Altmagd geohrfeigt, aber Else war an die fünfzig und sie selbst nicht einmal einundzwanzig. Sie mochte sich nicht vorstellen, Else zu berühren, Elses Haut unter ihren Fingern zu spüren und erst recht nicht, sie zu schlagen. Einen Grund für diese Distanz fand sie nicht; Elses Unnahbarkeit vielleicht? Ihre alternde Haut, in die sich wie in Leder Falten zu graben begannen?

      Ein schlechtes Gewissen wegen des Preises für das Fleisch oder andere Sachen musste Magdalene nicht haben. In ihrem Haushalt ging es ordentlich zu. Jeder Pfennig war in ihrer Ausgabenliste belegt, die Küche sparsam bewirtschaftet, wie es sich gehörte. Georg Rehnikel schob seiner Frau samstags an seinem Pult ein Häufchen Münzen zu, das er sorgfältig gezählt und in sein Buch eingetragen hatte. Magdalene nahm es an sich und trug es ins Schlafzimmer, wo sie ihr eigenes Geldkästchen verstaut hatte. In ihrem Buch notierte sie, was sie ausgab, rechnete, summierte und überprüfte. Jede Woche behielt sie ein paar kleine Münzen übrig. Die Ersparnis würde ihr eines Tages erlauben, sich einen Wunsch zu erfüllen, einen Gürtel vielleicht oder ein seidenes Tuch. Magdalene führte ihren Haushalt selbstständig und genau. Wenn es eine wichtige Sache gab, die Georg für sie regeln musste, war es Elses Rauswurf.

      Draußen verließ das Fuhrwerk den Hof. Es schien, als wäre die Gelegenheit gekommen, ihr Anliegen auf den Weg zu bringen.

      Magdalene fand ihren Mann im Kontor, den Ellenbogen auf sein Schreibpult gestützt. Das Kontor war die kleine Stube hinter dem Erkerzimmer, der Durchgang zu ihrem gemeinsamen Schlafzimmer. Alles, was das Geschäft anging, bereitete Georg dort vor, er schrieb Bestellungen, führte Bücher und Korrespondenz. Das Stübchen beherbergte nicht viel mehr als das Schreibpult, seine Truhe und die große Bibliothek – so hieß der verschlossene Schrank mit allen Büchern und Papieren. An der Wand über der Truhe hing ein gerahmtes Bildnis von Augusta, Georgs erster Frau, die dreieinhalb Jahre zuvor gestorben war. Augusta war dürr wie eine Spitzmaus gewesen, wenn das Bild nicht log. Es musste zu einer Zeit gemalt worden sein, als sie schon krank war; ihre Haut schien, wenn der Maler es richtig wiedergegeben hatte, stumpf und bleich, das Lächeln mühsam, und die rote Schleife in ihrem Haar wirkte, als hätte sie die seit ihren Kindertagen vergessen abzunehmen. Das Schreibpult stand gegenüber der Wand mit der Truhe. Georg musste, wenn er von der Arbeit aufblickte, dieses Bildnis sehen. Er sah Augusta in die Augen, und sie schien zu fragen: Was tust du, Georg?

      An diesem Platz stand er, ein dickes Buch vor sich auf dem Pult, und tauchte die Feder in regelmäßigen Abständen in das Tintenfässchen. Sorgfältig schrieb er Zahlen in eine Liste. Verblichene und frische Tintenflecke färbten seine Fingerkuppen. Als Magdalene neben ihn trat, sah er kurz auf. »Ach, du bist es«, murmelte er, »achtunddreißig und drei Quent und Muskatenöl sieben … Gibt es etwas?«

      »Ich habe da ein Anliegen«, Magdalene zögerte.

      Seine kurzen Finger fassten die Feder weit vorn. Er stieß immer wieder an den Rand des Fässchens und beschmierte sich mit der schwarzen Tinte. Georg Rehnikel war klein und dick, mit einer wachsenden Glatze, die oben auf dem Kopf spiegelte und von einem Kranz dunkler Haare umgeben war. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, kam er ihr mit seinem dicken Bauch und den weichen Bewegungen wie eine große Kugel vor. Seine Augen konnten vollständig rund werden, wenn er staunte. Wenn er ernst war, glänzten sie dunkel wie Flusskiesel, und die dichten schwarzen Wimpern ließen ihn sanft erscheinen. Georg Rehnikel war kein Kämpfer, sondern friedfertig und von ausgleichendem Charakter. Mit ihm konnte sie stundenlang ein Problem von allen Seiten beleuchten; wo sie sich in Zorn redete, blieb er voller Zurückhaltung und Sachlichkeit. Georg besaß einen glänzenden Humor, der in unerwarteten Momenten aufleuchtete, wie bei vielen Menschen, die СКАЧАТЬ