Название: Magdalene und die Saaleweiber
Автор: Christina Auerswald
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783963110320
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»Saaleweiber«, wiederholte Gertrud ängstlich.
»Saaleweiber sind gewöhnliche Hexen. Es ist diese Art Hexen, die es hier in der Gegend gibt.«
»Versündige dich nicht, Else«, murmelte Rosina.
»Wenn es doch wahr ist?«, seufzte Gertrud.
Elses Stimme grub sich in die Küchenluft. »Die Saaleweiber haben magische Kräfte.«
»Zauberkraft! Gibt’s die neuerdings auf dem Markt zu kaufen? Woher sollen sie die haben?«, spottete Rosina.
Else wurde lauter, als sie antwortete. »Aus einem magischen Ritual. Sie übertragen einander ihren Zauber durch ein Tieropfer.«
»Was für ein Tieropfer?«, fragte Gertrud mit zitternder Stimme.
»Sie schlachten ein Huhn oder einen Hasen und lassen den Kadaver an einem geheimen Ort liegen. Wenn die Knochen weiß geworden sind, nehmen sie sie an sich. Dort drin steckt die magische Kraft.«
»Und was machen sie damit?«
»Sie behalten sie oder geben sie an eine andere weiter. Die kleinen Knochenstücke sind es, die machen aus den gewöhnlichen Frauen Hexen.«
»Hexen?« Gertrud war kaum noch zu verstehen.
»Saaleweiber sind Hexen. Sie können schwimmen und tauchen, sie können sich sommers wie winters unterm Wasserspiegel der Saale verstecken, vor allem, wenn sie in Gefahr geraten. An Land sehen sie aus wie Menschen, aber wenn sie ins Wasser gehen, verwandeln sie sich in Fische. Sie treffen sich unten am Ufer, abends um die Stunde, bevor die Tore schließen. Das fällt nicht weiter auf. Sie sehen aus wie gewöhnliche Hausfrauen, die können nicht nachts verschwinden, sondern nur abends, wenn alle glauben, sie wären in alltäglicher Sache unterwegs.«
»Wann, um welche Zeit? Wenn ich das Abendessen vorbereite?«, fragte Gertrud.
»Um die Stunde, wenn Rosina den Hans hütet und Herr Rehnikel im Kontor arbeitet. Ich habe um diese Zeit mit meinem Gebet zu tun, ihr seht doch, dass ich mich jeden Abend auf den Boden knie und bete.«
Für einen Moment herrschte Grabesstille, bevor Gertrud hinzufügte: »Das ist genau die Stunde, in der Frau Rehnikel den französischen Armen Brot bringt. Sie sagt, das wäre Barmherzigkeit.«
Die Stille begann zu knistern und breitete sich in der Küche aus.
Magdalene vor der Tür schnappte nach Luft. Warum hatte Else die kleine Gertrud dazu gebracht, solch eine Ungeheuerlichkeit auszusprechen? Damit sie hinterher sagen konnte, sie hätte nicht selbst gegen die Herrin gehetzt?
»Ach was, sie bringt wirklich Brot zu den Armen«, fuhr Rosina heftig in das Schweigen hinein. »Was sollen die Andeutungen, Else! Wir treffen oft welche von den Franzosen, wenn wir zum Markt gehen. Sie sind freundlich und bedanken sich bei unserer Meisterin.«
»Franzosen, dieses Ketzerpack!« Elses Stimme vibrierte dunkel vor Verachtung. »Wer weiß, wofür die sich bedanken.«
Magdalenes Herz klopfte heftig. Das leise Wohlwollen, das sie noch wenige Augenblicke zuvor für Else empfunden hatte, war wie fortgeblasen. In Else steckte kein Staubkorn von Liebenswürdigkeit, diese Frau war nur böse. In ihren Augen standen nichts als Gift und Galle. Else glaubte, schlauer als alle anderen zu sein und dachte, Rosina und Gertrud auf ihre Seite ziehen zu können. Sie meinte, sich selbst als besonders gläubig und Magdalene als Hexe hinstellen zu können. Magdalene legte eine Hand an den Türrahmen und sah, dass ihre Finger zitterten.
Elses Stimme hüpfte höher. »Es betrifft nicht alle, sondern nur die Frauen, die das Amulett besitzen.«
»Was für ein Amulett?«, fragte bebend Gertrud.
»Ein Amulett, das sie an einem Lederband um den Hals tragen«, antwortete Else. »Das ist das Schmuckstück, in dem die zauberkräftigen Knochen stecken. An dem erkennen sich die Saaleweiber untereinander. Ansonsten geben sie sich wie gewöhnliche Frauen. Man sieht es ihnen nicht an.«
Ärgerlich antwortete Rosina: »So etwas soll unsere Meisterin haben? Das wolltest du doch sagen, Else. Das glaube ich nicht.«
Es war genug. Magdalene musste dem ein Ende setzen, sonst gelang es Else noch, die jungen Mägde gegen ihre Herrin aufzubringen. Sie klapperte mit den Holzpantinen durch den Korridor, schob die Küchentür weit auf und stellte sich mitten hinein. Magdalene sagte keinen Ton, die drei in der Küche auch nicht. Else rührte mit dem Rücken zu ihrer Herrin am Herd im Suppentopf, Rosina schnitzelte mit abgewandtem Kopf die Rüben. Nur Gertrud sah, während sie die eiserne Platte am Herd abrieb, ihre Herrin unter den gesenkten Wimpern hervor misstrauisch an.
Den Abend und die Nacht über ärgerte sich Magdalene so sehr über Elses Hetzerei, dass sie in ihrem Bauch einen heißen Stein zu fühlen meinte. Selbst am folgenden Morgen steckte der Ärger noch in ihrer Kehle. Sie musste dringend frische Luft atmen, draußen, wo ein kühler Wind ging. Der Himmel lag in einer milchigen Glocke über der Stadt, zartes Rot hinter dem Schleier kündigte Sonnenschein an. Der beginnende Herbst ließ den Frühnebel lange in der Saaleaue liegen, erst am frühen Vormittag stieg er als feuchter Dunst in die Luft. Magdalene holte sich eines der beiden Pferde aus dem Stall und legte selbst den Sattel auf. Das Tier, ein brauner Hengst mit einer weißen Blesse, war ein Ziehpferd für den Lastkarren und kam selten aus dem Stall heraus. Es wieherte und schnaubte, als Magdalene die Sattelgurte festzog.
Else stand, die Arme verschränkt, in der Toreinfahrt. Sie hatte eine frische Haube auf dem Kopf, als wollte sie sich für einen Feiertag aufputzen. Ihr Gesicht glühte, sie zog eine Miene wie ein Wolf, Magdalene meinte sogar ein Knurren zu hören. Sie sprach die Magd erst an, als sie auf dem Pferd saß, eine rein taktische Maßnahme, weil Else ihre Herrin sonst um ein paar Fingerbreit überragte.
»Denk daran, die Pflaumen auf der Dörre zu wenden, und sag meinem Mann, ich wäre zwei, drei Stunden unterwegs.«
»In welcher Art Geschäft?«
Das war keine Frage, die einer Magd zustand. Magdalene ließ Else ohne Antwort stehen. Ihre beste Freundin zu besuchen, lockte sie als Licht am dunklen Himmel ihrer Sorgen.
Sie störte Isabeau bei einer Flickarbeit. Das Flicken war ein mühseliges Geschäft, und Isabeaus morsche Seidenkleider rissen sowieso wieder ein. Magdalene nahm Marthe auf den Arm und zog Isabeau hinter sich her, die tat, als ob sie protestierte, aber sie lächelte dabei.
Magdalene genoss das Reiten. Isabeau setzte sich vor sie, die Beine schicklich zu einer Seite gelegt, und hielt sich an der Mähne des Pferdes fest. Marthe hockte sicher zwischen den beiden, juchzte und lachte. Der gute Braune trottete mühelos mit seiner Last durch das Tor, vor die Stadt, in die schmeichelnde Herbstluft hinein.
Sie folgten dem Flussufer nach Norden und bewegten sich gemächlich über die Wiesen, die im Sonnenlicht ausgebreitet lagen. Die Hufe des Braunen klapperten über das Pflaster an der Dorfkirche von Trotha, eine milde Sonne beschien die Frauen auf dem Weg in die Franzigmark. Isabeau sah die roten Felsen, die das Ufer nördlich der Dörfer am Stadtrand säumen, zum ersten Mal. Die Erhebungen waren mit Strandhafer und wilden Nelken bewachsen, Grillen zirpten aus dem Gras. Über das Blau schossen in schnellem Flug ein paar Schwalben. »Es ist schön hier«, flüsterte sie auf Deutsch, »beinahe so schön wie zu Hause.«
Marthe quengelte. Die Frauen СКАЧАТЬ