Magdalene und die Saaleweiber. Christina Auerswald
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Название: Magdalene und die Saaleweiber

Автор: Christina Auerswald

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783963110320

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СКАЧАТЬ aber das glaube ich nicht. Das haben die Leute hinzugefügt, damit sie wieder eine Schauergeschichte haben. Sonst wäre dein Mann doch vors Gericht gekommen.«

      Magdalene brannten die Wangen rot. »Wann soll das gewesen sein?«

      »Keine Ahnung.« Isabeau zwinkerte verlegen und ergänzte: »Auf jeden Fall ist es lange her. Es war schon längst passiert, als wir vor sechs Jahren in die Stadt gekommen sind.« Sie streichelte Magdalenes Arm und beschäftigte sich mit Marthe. Ihr war anzusehen, dass sie sich für ihr Geplauder am liebsten selbst geohrfeigt hätte. Isabeau zwinkerte nervös und verabschiedete sich Augenblicke später.

      Ein Wind fuhr über den Platz. In einer Vorahnung von Herbst zog er an den Röcken und wirbelte Schmutz auf, der kurz in die Höhe flog und sich wieder auf das Pflaster senkte. Magdalene sah Isabeau nach, die mit Marthe auf dem Arm zwischen den Verkaufsständen verschwand. Sie atmete tief ein.

      Als wäre Elses Aufsässigkeit nicht genug, worüber sie sich ärgern musste, setzte sich dieses dumme Gerücht wie Fliegen im Sommer auf ihren Gedanken nieder. Georg und ein Kind umbringen! Unfassbar, was für blödsinniges Geschwätz mancher breittratschte!

      Von der anderen Seite des Platzes waren lautes Pfeifen und Beifall zu hören. Der erinnerte sie an die Komödie, wegen der sie auf den Markt gegangen war. Die Aufheiterung hatte sie dringend nötig. Magdalene wischte sich den Staub aus den Augen und schlenderte zu den Komödianten. Rings um eine Stelle seitlich des Corps du Garde, des Wachhauses der Soldaten neben dem Roten Turm, drängte die dichte Menge der Zuschauer. Seit Tagen erzählten die Leute über den Aushang der Schauspieler, ein auf grobes Papier gedrucktes Pamphlet, in dem sie die »Moritat von der Schwartzin und was ihr gar furchtbar widerfahren« ankündigten. In einer Stadt am Rand des großen Kurfürstentums Brandenburg gab es wenig Abwechslung. Aus diesem Grund war die Neuigkeit schnell durch die Gassen gelaufen und hatte viele Leute angezogen. Das Spiel wurde direkt vor dem Wagen der Schauspieler, einem hölzernen Fuhrwerk mit einer geflickten Plane, aufgeführt. Der Wagen musste für alles herhalten, als Bühne, Garderobe und Schlafplatz. Der magere Gaul stand in seinem Geschirr, weil die Komödianten nach der Aufführung den Platz bis zur nächsten Vorstellung räumen würden. Eine Menge Gaffer aus allen Teilen der Stadt und den Vorstädten hatte sich eingefunden, Kinder saßen auf dem staubigen Boden. Das Pfeifen zeigte, dass die Komödie schon im Gang war.

      Magdalene näherte sich und ein paar Leute von niederem Rang machten ihr Platz. Sie gelangte nach vorn in die Nähe des Wagens, zwischen eine Fleischersfrau aus der Kuhgasse und einen fremden Burschen mit fransigem Haar. Vor ihren Füßen saßen ein paar vor Schmutz starrende Kinder. Die Komödianten waren zu dritt, einer von ihnen hatte sich als Frau verkleidet. Sein Gesicht war mit roten Apfelbäckchen und einem riesigen Mund bemalt. »Ja«, schrie er gerade mit einer verstellten hohen Stimme, »habt Ihr es denn nicht vernommen, den Lichtstrahl hab’ ich abbekommen!«

      Ein zweiter Schauspieler, ein grellbuntes Wams am Leib und eine zerzauste Perücke auf dem Kopf, verbeugte sich. »Gute Frau, wer seid denn Ihr?«

      »Die allererleuchtetste Frau bin ich hier! Adelheid Schwartz, das ist mein Name. Ich selbst bin eine große Dame.«

      Hinter ihr tauchte ein Lichtkranz auf, ein an einer Stange befestigtes bemaltes Holz, das der dritte Schauspieler trug. Die Leute johlten, Gelächter wogte durch die wachsende Menschenmenge.

      »Ich sprech’ selbst mit dem Höchsten Herrn. Er salbt und segnet mich sehr gern.«

      Der bunte Mann hockte sich vor die Frau und gaffte sie mit aufgerissenen Augen an. »Und wie, sagt an, kommt er Euch nah?«

      Sie hob ihre Hände hoch und sah gegen den Himmel. »’s ist nicht lang her, dass ich ihn sah!« Danach murmelte sie ein Kauderwelsch, das an Latein erinnerte. Sie wurde schriller und schrie alle Augenblicke »Puh!«, worauf der hockende Mann Schreckensrufe von sich gab und umfiel.

      Schon johlten und lachten die Leute wieder. Die Frau säuselte: »Er sagt, ein Apfel täte mir sehr gut!«

      Der Buntgekleidete stand auf und zog einen grünen Apfel aus seiner Rocktasche. Er ließ die Frau einige Male danach schnappen, bis sie ihn griff, so tat, als ob sie hineinbiss und das Gesicht zu einer Grimasse verzog.

      Die Leute lachten.

      »Den Herrn verspotten ist Übermut«, kreischte die bemalte Person.

      »Nein, nein, ich dachte an das Paradies.« Der Mann wandte sich an das Publikum. »Nicht dass sie mich jetzt Schlange hieß!«

      Die Leute klatschten vor Begeisterung.

      »Die Schlange will ich anders reichen!«, kreischte die Frau und versohlte ihm mit einem Strick aus ihrer Tasche den Hintern. Das Johlen der Leute hörte gar nicht auf, sie bogen sich vor Lachen. »Wenn ich das will, gibt Gott ein Zeichen!« Sie hob die Hände hoch und zeigte ihre Handflächen, von denen auf einmal rote Farbe lief.

      Abrupt brach das Lärmen ab, das Lachen erstarb. Noch ein paar Pfiffe tauchten aus dem Raunen, dann war es still. In den Gesichtern rings um Magdalene stand erschrockenes Blinzeln.

      Die beiden Männer auf dem freien Platz hielten inne und tauschten einen verunsicherten Blick. Magdalene begriff, dass sie keine Ahnung von Anna Maria Schuchardt hatten und nicht wussten, was mit ihr in Halle passiert war.

      Der Bursche neben Magdalene, ein Nichtsnutz von Mitte zwanzig, schaute genauso verständnislos wie die Schauspieler. Sein zotteliges, schief und schräg geschnittenes rotbraunes Haar fiel in den Blick. Das geflickte Wams musste früher in reicheren Händen gewesen sein; man konnte noch die Stellen an Ärmeln und Kragen sehen, an denen der Spitzenbesatz abgeschnitten worden war. Die blaue Farbe seiner Kleider war verblichen, am stärksten auf den Schultern. Risse ließen das grobe Hemd darunter hervorlugen.

      Dieser Nichtsnutz war ein Bettler, und solchen war alles zuzutrauen. Magdalene legte die Hand auf ihren Gürtel, unter dem der Geldbeutel steckte, und trat nach hinten, bis er zu der Fleischersfrau rückte. Sie sah ihn die großen grauen Augen aufschlagen. »Was meinen die?«, fragte er die Fleischerin. Er kam nicht von hier, sonst hätte er über solche Frauen wie die Schuchardt Bescheid gewusst. Jeder hier wusste von der Angelegenheit.

      »Habt Ihr noch nie von den hysterischen Weibern gehört?«

      Der Nichtsnutz schüttelte den Kopf.

      »Hier in Halle hatten wir eins, die Schuchardt. Manche sagen hysterische Weiber zu ihnen, andere, die es gut meinen, nennen sie extraordinäre Weiber.« Der junge Mann sah sie fragend an, und sie fügte bissig hinzu: »Die Schuchardt haben sie letzten Winter aus Halle verjagt, aber die Leute waren uneins wegen ihr. Wenn Ihr mich fragt, ich halte sie für eine gewöhnliche Magd. Die ist nichts Besonderes, die spielt sich bloß auf. Die ist schon aus Erfurt ausgewiesen worden und hat gedacht, in Halle würde es ihr besser gehen. Raffiniert ist sie aber schon. Zuerst versenkt sie sich ins Gebet, als Nächstes wird sie starr, als ob sie entrückt wäre, und danach soll sie singen. Die Leute reden von Visionen, richtigen Prophezeiungen, aber das ist Blödsinn. Die Wahrsagungen treten nämlich nie ein oder sind allgemeiner Kram. Aber eine Sache gibt es, wegen der wissen wir alle nicht so recht, ob es mit der Schuchardt nicht doch stimmt. Im Haus des Sekretärs Ringhammer hat eine Andacht stattgefunden, da ist der Frau, ohne dass sie verletzt war, blutiger Schweiß von ihren Händen gelaufen. Es sieht aus, als wollten sich die Schauspieler da vorn über die Schuchardt lustig machen.«

      Ehe der Mann etwas erwidern konnte, hatten sich die Komödianten gefasst und versuchten das Theaterstück wieder aufzunehmen. Der mit der roten Farbe an den Händen schrie: »Na, willst du endlich für mich springen und mir schöne СКАЧАТЬ