Название: Magdalene und die Saaleweiber
Автор: Christina Auerswald
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783963110320
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Nur noch wenige Leute lachten. Einige hatten die Brauen verärgert zusammengezogen, andere die Arme in die Hüften gestemmt. Ein dunkel gekleideter, flaumbärtiger Student drängte sich nach vorn. »Was ist das für eine Schmierenkomödie?«, rief er mit dünner Stimme den Schauspielern entgegen.
»Jawohl, jawohl«, hörte Magdalene rings um sich, wo die Leute eben noch gejohlt hatten.
»Ihr seid in Halle. Das ist keine gewöhnliche Stadt, wenn es um die Stimme unseres Herrn geht. Hier hat Gott aus dem Mund von Menschen gesprochen. Die extraordinären Weiber mögen über Euren Horizont steigen, über sie spotten dürft Ihr deshalb noch lange nicht.«
Die Schauspieler unterbrachen ihr Spiel zum zweiten Mal. Die lachend nach oben geschminkten Lippen des als Weib Angezogenen standen in einem grotesken Gegensatz zu seinen fragend erhobenen Augenbrauen.
»Ach was«, tönte es vor Magdalene, »lasst sie weiterspielen und stört den Spaß nicht.« Die Fleischerin schob sich nach vorn zu dem Studenten. »Es war richtig, dass man die Schuchardt aus der Stadt geworfen hat. Die konnte genauso gut schauspielern wie die Komödianten hier. Ich würde gern wissen, wie sie das mit den blutigen Malen auf den Händen angestellt hat. Ihr glaubt wohl an diesen Spuk?«
Der Student reckte sich zu seiner ganzen Größe auf. »Ich verkehre im Haus des königlich-schwedischen Legations-Sekretärs Ringhammer.« Zwischen den Leuten setzte vorsichtiges Gemurmel ein. »Während ihrer Ekstase hat die Schuchardt Hochdeutsch geredet, wo sie sonst Thüringisch spricht. Das war keine Komödie, die Frau war verwandelt. Ich habe es selbst gesehen.«
Die Fleischerin stemmte die Hände in die Seiten und maß den Studenten mit Blicken. »Wenn es um die Qualitäten der Schuchardt geht, da weiß ich mehr. Ich habe sie auch selbst erlebt. Sie hat sich jeden Tag im Leben so angenehm wie möglich zu machen versucht. Mit Arbeit hatte die nicht viel am Hut. Eine Menge Leute findet es richtig vom Salzgrafen, sie aus der Stadt zu weisen.«
Der Student trotzte. »Das ist doch der Beweis für den göttlichen Ursprung der Geschehnisse. Der Allmächtige hat den Charakter dieses Weibs verwandelt. Wisst Ihr überhaupt, was seitdem passiert ist? Noch mehr Frauen haben Visionen, die Tochter des Sekretärs Ringhammer und zwei Töchter des Herrn von Wolff, Christiane und Sophie. Sie sind bei Herrn Francke im katechetischen Unterricht. Der glaubt ihren Entzückungen.«
Die Fleischerin winkte ab. »Mir ist der Spaß sowieso verdorben. Die reichen Weiber können mir gestohlen bleiben.«
Der Student nickte zufrieden. Er drehte sich zum Publikum und hob die Hände. »Geht nach Hause, liebe Leute! Die Komödie ist zu Ende. Wir kommen wieder, wenn es etwas Gescheiteres zu sehen gibt als Spott über Gottes Gnade.«
Das Raunen wurde stärker. Unentschlossen standen die Komödianten auf dem freien Platz, flüsterten miteinander und verschwanden einer nach dem anderen in ihrem Wagen. Der Nichtsnutz vor Magdalene nickte. »Die haben Erfahrung, die wissen Bescheid, wann sie besser unsichtbar werden.« Er drehte sich um und drängte durch die Leute nach hinten. Die Menschentraube, die sich um den Wagen gebildet hatte, löste sich auf, einer nach dem anderen ging fort.
Magdalene blieb stehen. Um sie herum strebten alle vom Platz weg, bald rollte auch der Wagen der Komödianten in Richtung Rannisches Tor. Sie stand einsam an der eben noch bevölkerten Stelle beim Corps du Garde. Spätestens morgen würde die ganze Stadt wissen, dass die Komödianten in diesem Jahr mit ihrem schlechten Schauspiel am tiefen Glauben der Hiesigen gescheitert waren. Das war für die Truppe Grund genug, die Vorstellungen abzubrechen und an einen anderen Ort zu ziehen. In solchen Dingen waren sich die Leute schneller einig, als Fremden lieb sein konnte.
Neue Nachrichten durchliefen die Stadt nach der Art eines Feuers im frischen Herbstwind. Kaum etwas konnte man vor anderen geheim halten. Ein Wunder, dass man den Rehnikels die Geschichte von Georgs Vaterschaft am kleinen Hans abgenommen hatte! Vielleicht hatten die Leute sie nur ernst genommen, weil sie einen wunderbaren Tratsch abgab. Ohne sich zu bewegen, stand Magdalene auf dem leeren Platz. Der Wind blähte ihre Röcke, bis die Vorbeigehenden sie aus den Augenwinkeln musterten.
»Ist Euch nicht gut?«, eine alte Frau blieb stehen und wollte ihr die Hand auf den Arm legen. Mit einem Kopfschütteln wehrte Magdalene sie ab.
Es gab noch eine andere Schicht von Gerede. Es war eine, die wie klebriger Honig unter dem Geplätscher aus den Mäulern der Bürgerinnen lag. Es war das Gespräch zwischen den Mägden, die abergläubischer redeten und weniger belehrbar waren, wenn es um die Möglichkeit und Unmöglichkeit von Geschehnissen ging. Die Gerüchte unter Bürgerinnen und Mägden vermischten sich nicht immer; derjenige, der ein Wunder bezeugen kann, lässt sich das ungern von einem Neunmalklugen ausreden. Dieser Abstand war es, der Gerüchte unter den Mägden bewahrte, wenn sie unter den Bürgerinnen längst zu Staub zerfallen waren. Aberglauben und Dummheit waren der Grund. Georg war Opfer eines dummen Geredes geworden. Magdalene ärgerte sich, dass Isabeau einem Gerücht auf den Leim gegangen war. Gleich darauf ärgerte sie sich darüber, dass sie sich überhaupt ärgerte. Ihre Schritte klopften wütend auf das Pflaster, als sie heimging.
3. KAPITEL
Magdalene war zur Mittagszeit zu Hause. Das Haus der Rehnikels stand dreihundert Schritte vom Markt entfernt am Saaleufer, dicht bei der Halle, wo die Salzkoten rauchten. Im Haus hatte alles seine beruhigende Ordnung. Die beiden jungen Mägde schenkten ihr einen Knicks und ein angemessenes Lächeln. Vor dem Verkaufstisch des Gesellen Lichtenberg stand ein schwergewichtiger Bürger im gefütterten Mantel, ein Innungsmeister der Wollkrämer. Der Geselle erklärte etwas zu dem roten und braunen Pulver, das vor ihm in zwei tönernen Schalen glitzerte, gemahlene Metalle, als gute Farbe für Wolle zu verwenden. Lichtenberg verbeugte sich, als er Magdalene im Hausflur erkannte.
Georg Rehnikel bezog seine Handelswaren von weither. Es gab niemanden sonst im Umkreis von vielen Meilen, der arabischen Gummi, Teer oder Indigo anbieten konnte. Die französischen Moden brachten dem Geschäft einen sanften Aufwind, und Gottes Gnade hatte den modernen Luxus und die Spezereien miteinander verknüpft. Der protestantische Glaube ließ wenig Luxus zu, aber das Wenige konnte einen deutlichen Unterschied ausmachen: Locken in Weiberhaaren, neue Farben für die Wolle, ein besonderes Siegelwachs, ein Tässchen Kakao am Sonntagnachmittag. Je verrückter es war, umso mehr Gewinn warf es ab. Rehnikels verkauften wunderliche, exotische Sachen. Wenn die Leute mit ihrem Wohlstand protzen oder die Handwerker etwas Besonderes machen wollten, brauchten sie Zutaten aus dem Spezereienhandel.
Das Geschäft bestand aus drei Teilen. Erstens gab es den kleinen Handel im Laden, zweitens den Großhandel mit bedeutenden Mengen an Hölzern, Fasern und speziellen Waren im Austausch mit Händlern und Handwerkern und drittens die Herstellung von einfachen Waren, Ölen zum Beispiel, die aus exotischen Früchten gepresst wurden. Rehnikels mussten sich mit den Apotheken gut stellen, damit man sie dort nicht als Konkurrenz ansah. Die Apotheker waren ihre wichtigsten Kunden, ihnen lieferte Georg Rehnikel viele Waren, vor allem solche, die auf langen und verschlungenen Wegen nach Halle kamen. Magdalene nickte dem Wollkrämer und dem Gesellen Lichtenberg höflich zu, als sie an der offenen Ladentür vorbeiging, und betrat die Küche.
Die Familie aß zu Mittag ein paar kalte Häppchen in der Küche. Gekocht wurde nur für den Morgen und die Festtage, weil es teures Holz verbrauchte. Manchmal gab es abends zusätzlich einen Eintopf, ein Luxus, den sich arme Leute nicht leisten konnten. Magdalene hatte Mühe, ihre alberne Einbildung von der stickigen СКАЧАТЬ