Название: Magdalene und die Saaleweiber
Автор: Christina Auerswald
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783963110320
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Das wäre Magdalene gleich gewesen, solange Else ihre Arbeit tat. Aber so war es nicht. Magdalene vermisste sie eine Stunde nach dem Mittag immer noch. Sie sagte sich, dass Abwesenheit allein keinen Tadel wert war, weil es genügend harmlose Gründe gab, sich zu entfernen. Aber Elses Hände fehlten, Magdalene musste sich selbst sich an den Tisch stellen und das Fleisch für das Pökeln vorbereiten. Gertrud scheuerte emsig die Schüsseln, die sie dafür brauchte. Magdalene schickte sie ins Lager, um die Säckchen mit dem Salz zu holen und gleichzeitig Ausschau nach Else zu halten.
Gertrud, ein dünnes Geschöpf mit Haaren von der Farbe nassen Strohs, ließ ihren Mund zwischen den blassen Lippen offenstehen. »Suchen soll ich die Else?«, fragte sie. Flüsternd setzte sie fort: »Man hat letztens Wassergeister gesehen. Sie holen Menschen, bei helllichtem Tage! Vielleicht hat ein Wassergeist die Else …«
Magdalene brauchte nur die Miene zu verziehen, dann wusste Gertrud Bescheid. Sie duckte sich, nickte und sagte: »Ich geh schon, Frau Rehnikel.«
Wäre Else halb so folgsam, hätte Magdalene zufrieden sein wollen. Gertrud lief im Haus herum, Magdalene hörte ihre Holzpantinen über den oberen Gang klappern. Nach einiger Zeit tauchte sie auf, murmelte kläglich: »Ich habe sie nicht gefunden« und schlug sich erschrocken mit der Hand auf den Mund. »Das Salz! Das habe ich vergessen!«
In der Zwischenzeit wendete Magdalene das Obst, das zum Dörren über dem Herd auf einer Platte lag, und fing an, Kraut zu schneiden. Gertrud kam mit den leinenen Säckchen zurück. Magdalene schüttete eine dicke Schicht Salz in die Schüsseln, bis das Fleisch darunter verschwunden war.
Als Else nach einer weiteren Stunde noch nicht aufgetaucht war, wurde es Magdalene zu bunt. Sie stieg selbst nach oben und sah sich um. Am Ende der schmalen und steilen Treppe stand die Tür zum Erkerzimmer offen.
Else hatte dicht am Fenster in Magdalenes schönem Armlehnstuhl gesessen. Sie war beim Klang der Schritte auf den Treppenstufen aufgesprungen und strich sich die Röcke glatt, aber man sah im ledernen Polster noch die Delle von ihrem Hintern. Sie trug ihr wollenes Mägdekleid mit grauer Schürze, darüber in eigenwilliger Zusammenstellung eine Haube aus zartem Leinen mit einer Spitzenkante, wie die Kleiderordnung sie vielleicht für eine Bürgerin, aber bestimmt nicht für eine Magd zuließ.
Elses Blick heftete sich feindlich und unerschrocken auf ihre junge Herrin. Sie kniff die Lippen zusammen und sagte keinen Ton.
»Seit wann wirst du fürs Faulenzen bezahlt?«, warf Magdalene ihr entgegen. Else zog die Mundwinkel nach unten und wollte sich wortlos an ihr vorbeidrücken, da packte Magdalene die Magd am Ärmel. »Scher dich in die Küche und kümmere dich um die Suppe. Wenn ich dich noch mal beim Faulenzen erwische, sorge ich dafür, dass mein Mann dich hinauswirft!«
Elses Mundwinkel schoben sich nach oben. Es entstand ein unverschämtes Grinsen. »Versucht’s ruhig!«, antwortete sie und polterte in ihren Holzschuhen die Treppe hinunter.
Magdalene ballte ihre Hände zu Fäusten und blieb tief atmend stehen. Ihr Gesicht war dunkelrot geworden, sie musste sich zwingen, ruhig zu bleiben. Langsam ging sie zum Tisch, legte ihre Schürze ab und faltete sie drei Mal so sorgfältig wie sonst. Von nebenan hörte sie ihren kleinen Sohn rufen, der in seinem Zimmer spielte, von Rosina behütet.
Hänschen war eine Insel des Glücks, ein kleiner Engel. Er war drei Jahre und vier Monate alt und brauchte eine ständige Begleiterin, weil er unentwegt kletterte, hinauslief und alles probierte, was ihm vor die Nase kam. Vor etwas über einem Jahr hatte Georg Rehnikel auf Magdalenes Wunsch Rosina ins Haus geholt, um auf ihn aufzupassen. Rosina hatte sich bei ihrem früheren Dienstherrn in der Kinderbetreuung bewährt, ein gescheites, etwas vorlautes Ding, das fleißig seine Arbeit tat. Sie war gerade zwanzig, nur wenig jünger als Magdalene selbst, und in den sechs Jahren, bevor sie zu Rehnikels kam, bei verschiedenen Handwerkern und Stadtbürgern im Dienst gewesen. Magdalene öffnete die Tür von Hänschens Zimmer und trat ein. Rosina saß auf einem Stuhl am Fenster, über eine Flickarbeit gebeugt, und hob beim Geräusch der Tür den Blick ihrer braunen Augen. Eine Locke ihres Haars war ihr in die Stirn gerutscht. Hans lief auf seine Mutter zu, einen Knopf in der Hand, den er ihr stolz entgegenstreckte.
Magdalene konnte sich nicht mehr vorstellen, wie sie früher ohne ihr Hänschen gelebt hatte. Ihr Tag war erfüllt von den Gedanken an ihn, wie er wuchs, wie schön er war und wie klug. Hans war ein prächtiges Kind mit geraden Gliedern, gesunden Zähnen und dunklen Locken. Er konnte so schnell laufen, dass ihr beim Hinterherrennen manchmal die Luft ausging, besonders auf dem Hof, wo er die Hühner jagte oder ähnlichen Unfug anstellte. Er liebte Pferde und zog seine Mutter oft an der Hand hinüber in den Stall. Sie war sehr jung gewesen, als sie ihn bekommen hatte, aber in den vergangenen drei Jahren war ihr das Kind jeden Tag mehr ins Herz hineingewachsen. Eine Mutter konnte nicht anders als ihr Kind lieben, das war sicher.
Seine braunen Augen blitzten, als er vor ihr stand. Er redete zwar nicht viel, aber wenn, dann besaßen seine Worte Gewicht.
»Ein blauer Knopf«, erklärte er, streckte das Ärmchen mit seinem Fundstück aus und sah sie erwartungsvoll an. Magdalene strich ihrem Sohn über den Kopf und erklärte, dass Knöpfe rund sind, damit sie besser durch die Knopflöcher passen.
Der Junge lief zu Rosina zurück, zog sie am Ärmel, bis die Kindermagd aufstand und ihm zu seiner Mutter folgte. Er zeigte, was ihn bewegte: Rosinas Kleid besaß Knebel als Verschlüsse. »Gar nicht alle rund!«, erklärte er.
Was kann eine Mutter anderes als stolz auf ihr kluges Kind sein? Magdalene öffnete die Tür und wollte gerade das Zimmer verlassen, da erkannte sie draußen eine Bewegung.
Else schritt vorbei. Die Tür stand offen, und sogar Rosina hinter ihrer Herrin konnte sehen, wie die Altmagd über den Gang stolzierte, der außen an den Kammern vorbeiführte. Else trug einen Stapel Wäsche im Arm, feines weißes Leinen mit gerafften Spitzen, teures Zeug. Magdalene stand verblüfft in der Tür, einen Moment zu lange, denn es wäre an Else gewesen, ihrer Herrin Platz zu machen. Else tat es nicht. Sie ging ungerührt an Magdalene vorbei zur Treppe, die nach oben führte, zu den Mägdekammern.
»Else!«, rief Magdalene. »Komm auf der Stelle her!«
Else stockte, drehte sich gemächlich um und kam zurück. Gute drei Schritte von ihrer Herrin entfernt blieb sie stehen.
Magdalene presste mit unterdrückter Wut hervor: »Warum bist du nicht in der Küche?«
»Die Suppe ist fertig«, erwiderte Else spitz.
»Wo willst du hin?«
»In meine Kammer.«
»Was hast du da?«
»Leinen, das seht Ihr. Ihr seid doch nicht blind.«
»Was willst du damit in deiner Kammer?«
Else holte tief Luft, lächelte breit und, wie es schien, gehässig. »Es ist mein Leinen.« Sie betonte das Wort ›mein‹, obwohl es nicht falsch zu verstehen gewesen war. Die beiden Frauen standen einander gegenüber und sahen sich gerade in die Augen, nur, dass Else ein Stück größer war als ihre Herrin. Else fuhr fort: »Ist es recht, dass ich mein Leinen in meine Kammer bringe?«
»Wo hast du das her?«
»Ich spare meine Pfennige«, erwiderte Else mit gerecktem Kinn. Als Magdalene einen Moment lang nichts erwiderte – was hätte sie auch СКАЧАТЬ