Leben ohne Maske. Knut Wagner
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Название: Leben ohne Maske

Автор: Knut Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783957163080

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СКАЧАТЬ einer Aneinanderreihung von Zeilen aus Heine-Gedichten, die einen abendfüllenden, aber rasant vorgetragenen Dialog ergaben.

      Für einen gewissen Wein-Nachschub war im Salon der Varnhagen durch Biene gesorgt, und so steigerte sich Wolfgang, von der Studentenkelleratmosphäre und dem Rotwein inspiriert, in die Rolle des Heinrich Heine hinein.

      In seiner Ironie und seinem Spott war Wolfgang nicht zu übertreffen, er spielte den kleinen Mike als Chamisso total an die Wand. „Das Gespräch auf der Paderborner Heide“, das eine ernsthaft gemeinte Abrechnung mit der Literatur der Romantik sein sollte, geriet zur Farce und wurde zu den Glanzpunkten des Abends. Chamissos Schwärmereien wurden durch Heines sarkastische Erwiderungen zunichtegemacht und dem Gelächter preisgegeben.

      Mike: „Hörst du nicht die fernen Töne, / wie von Brummbass und von Geigen?“

      Wolfgang: „Ei, mein Freund, das nenn ich irren, / Von den Geigen hör ich keine, / Nur die Ferklein hör ich quirren, / Grunzen nur hör ich die Schweine.“

      Mike: „Hörst du nicht das Waldhorn blasen? / Jäger sich des Weidwerks freuen? / Fromme Lämmer seh ich grasen, / Schäfer spielen auf Schalmeien.“

      Wolfgang: „Ei, mein Freund, was du vernommen, / Ist kein Waldhorn noch Schalmeie, / Nur den Sauhirt seh ich kommen, / Heimwärts treibt er seine Säue.“

      Den Schlusspunkt unter das Programm aber setzte Wolfgang mit Heines „Wanderratten“. Nur im Licht des grellen Punktscheinwerfers stehend, das Publikum in Dunkel getaucht, deklamierte er: „Es gibt zwei Arten von Ratten. Die hungrigen und die satten. Die einen bleiben vergnügt zu Haus. Die anderen wandern aus.“ Diese Verse, einfach so ins Publikum hineingesprochen, verfehlten ihre Wirkung nicht. Zuerst Schweigen, dann ein unerwartet großer Beifall. Edda, Biene, Wolfgang und Mike freuten sich über den Erfolg.

      Hetzel, der im Clubrat war, tobte. Dass der Schwerpunkt des Abends nicht auf dem politischen Dichter des Weberlieds gelegen habe und „Das Wintermärchen“ mit seinen politischen Botschaften völlig unter den Tisch gefallen sei, könne nicht akzeptiert werden, erklärte er. Heine hätte eine andere Wirkung erfahren müssen. Der große Beifall am Ende der Vorstellung? Der habe nicht viel zu bedeuten. Platt aufs Heute übertragen, hätten die Leute in die „Wanderratten“ hineingeheimnist, was Heine gar nicht beabsichtigt habe, und dass mehr Publikum gekommen wäre als sonst, habe wohl an dem provokanten Titel „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“ gelegen, der mehr als irreführend gewesen sei.

      Wolfgang habe eine beeindruckende schauspielerische Leistung hingelegt, sagte Edda. Sie saßen an der Bar des Studentenkellers und Edda griff nach einem großen Humpen Frischbier, der ihr über den Tresen zugeschoben wurde.

       4. Kapitel

      Die Aufführung der „Lederköpfe“ war ein großer Erfolg, und auf der Premierenfeier, die feucht-fröhlich bis in die frühen Morgenstunden andauerte, gab jeder irgendetwas zum Besten. Doris und Bröml sangen bis zum Erbrechen „Wenn die Igel in der Abendstunde“, und Wolfgang erzählte, wie das Arbeitertheater Schwedt zu seiner Goldmedaille gekommen war.

      „Weil das Stück noch nicht fertig geschrieben war, sollten wir nicht für die Arbeiterfestspiele nominiert werden“, erzählte Wolfgang. „Aber da erschien plötzlich Hans-Peter Minetti, den ich als Achtjähriger im Thälmann-Film bewundert hatte, auf einer der Abendproben.“

      Minetti war in der Programmkommission der Arbeiterfestspiele, und er war nach Schwedt gekommen, weil ihn sein Freund Gerhard Winterlich, der Leiter des Arbeitertheaters, darum gebeten hatte. Winterlich kannte Minetti vom Schauspielstudium in Weimar her, und er wollte wissen, ob sein Stück für eine Teilnahme an den Arbeiterfestspielen tauge.

      „Minetti, der Mitglied des ZK der SED war, zeigte sich nach der Probe beeindruckt und versprach, sich dafür einzusetzen, dass wir ins Festprogramm aufgenommen würden“, erzählte Wolfgang. „Minetti sagte, dass er auf der nächsten ZK-Tagung darüber sprechen wolle, wie ökonomische Probleme, die in Wirklichkeit noch nicht gelöst seien, auf der Bühne bereits gelöst würden. Und als Beispiel dafür werde er ‚Menschen in Bewährung‘ anführen. Nach Minettis Rede auf dem 9. Plenum des ZK der SED waren wir aus dem Schatten des Kulturhaussaales ins Licht der Öffentlichkeit getreten, und Minetti sorgte dafür, dass wir für die Arbeiterfestspiele nachnominiert wurden.“

      „Freunde im ZK muss man haben“, sagte Kuhnert, und der Stadträtin für Kultur, die Wolfgangs Rede vergnügt zugehört hatte, kam ein Gedanke. „Was hältst du davon“, sagte sie zu Kuhnert, „wenn wir euch zu den nächsten Arbeiterfestspielen delegieren würden?“

      Kuhnert war begeistert: „Wir müssten nur ein passendes Stück finden.“

      „Das dürfte doch keine große Schwierigkeit sein“, sagte die Stadträtin für Kultur mit ihrer verrauchten Stimme.

      Bei der nächsten Aufführung der „Lederköpfe“ in der Mensa saß die Stadträtin mit zwei Mitarbeitern der Gewerkschaft Kunst im ausverkauften Zuschauerraum. Nach der Vorstellung bat Kuhnert alle Darsteller, sich im Saal einzufinden. Die Stadträtin für Kultur eröffnete allen Anwesenden, dass die Studiobühne, auf Grund ihrer gezeigten Leistungen, für die Arbeiterfestspiele vorgesehen sei. Sie sagte, mit Blick auf die zwei Herren, die sie mitgebracht hatte, dass im Vorfeld die Wahl auf Alexej Nikolajewitsch Arbusows „Der weite Weg“ gefallen sei.

      Bei Arbeiterfestspielen seien Uraufführungen gefragt und Arbusows Stücke würden derzeit von fast jedem Theater gespielt, gab Wolfgang zu bedenken. Kuhnert hingegen war begeistert. Für die Studentenbühne sei es ungemein wichtig, eine große Inszenierung zu machen, die zudem noch großzügig gefördert würde. Allerdings sehe er ein, dass man das Stück nicht so spielen könne, wie es vorliege. Er denke da an eine eigene Bearbeitung.

      Hetzel erklärte, das sei eine gute Möglichkeit, sich mal einem breiten Publikum zu präsentieren, und die Mehrheit stimmte dem Vorschlag der Stadträtin für Kultur zu.

      Doch Edda und Wolfgang waren nur schwer davon zu überzeugen, dass „Der weite Weg“ das richtige Stück sei. Es spielte 1935, als in Moskau die Metro gebaut wurde.

      Verärgert über das Abstimmungsergebnis vom Vorabend saß Wolfgang am nächsten Morgen in der Kaffeestube der Uni, als plötzlich Edda hereinschneite und ihm zu seinem großen Erfolg gratulierte. Als sie Wolfgangs verdutztes Gesicht sah, musste sie lachen. „Du erhältst den Lyrikpreis der Friedrich-Schiller-Universität in diesem Jahr“, sagte sie. „Hier ist der Beweis.“

      Sie reichte ihm die druckfrische Uni-Zeitung über den Tisch:„Auf den Innenseiten in der Mitte.“

      Auf der rechten Seite war die Ehrentafel der Preisträger abgedruckt, auf der Wolfgang seinen Namen las. Auf der linken Seite standen zwei Gedichte von ihm: „Mahnung“ und „Alltäglich“. Thema des einen war der Vietnam-Krieg, Thema des anderen der Atomtod.

      „Schade, dass man nur deine politischen Gedichte abgedruckt hat“, sagte Edda.

      Mitte Juni war die Auszeichnungsveranstaltung, die sich Edda nicht entgehen ließ. Die Veranstaltung fand im kleinen Kreis statt, und der Clubraum des Kulturbundes mit seinen wenigen Plätzen war völlig ausreichend.

      Nachdem jeder Preisträger drei seiner Gedichte vorgetragen hatte, überreichte Doktor Schütt die Preise. Wolfgang erhielt ein Medaillon, auf dem der junge Schiller zu sehen war.

      „Als Ansporn für die weitere literarische Arbeit“, sagte Schütt, den Wolfgang von seiner Aufnahmeprüfung her kannte.

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